Filmtipp: Am Set mit besonderen Menschen

Weserlust Hotel – Der verrückte Filmdreh „All inclusive“
Bild: W-Film

Am Filmset werden sie „besondere Schauspieler“ genannt. Im Alltag würde man sagen: behindert, eingeschränkt, gehandicapt. „Besonders“, das ist nicht Korrektsprech. „All inclusive“-Regisseur Eike Besuden erzählt in seinem neuen Film „Hotel Weserlust – Der verrückte Filmdreh“ eine besondere Geschichte mit besonderem Personal. Die künstlerischen Möglichkeiten seiner Akteure bezeichnet er als schmaler, aber authentisch. Die Arbeit sei „manchmal heikler, aber immer besonders“. Schauspielerin Doris Kunstmann nennt die Zusammenarbeit mit den besonderen Kolleginnen und Kollegen „unbekümmert“.

Ricky, der in einer Wohngemeinschaft auf Wangerooge lebt, erbt ein Hotel. Er fragt sich, ob er das schafft, andere fragen sich das auch. Er holt seine „besonderen“ Freunde mit ins Boot, sie machen vieles falsch und vieles richtig und am Ende werden sie eine verschworene Gemeinschaft.

Die Geschichte von Ricky wird eigentlich im Spielfilm „All inclusive“ erzählt. Von den Dreharbeiten dazu hat der Regisseur mit „Hotel Weserlust“ ein „making-of“ gedreht, nicht als kleines Beiboot, sondern als eigenständigen Dokumentarfilm. Vier umwerfende Protagonist_innen spielen hier wie da die tragenden Rollen. Ricky (Kevin Alamsyha) ist hellwach, schlau, lernbegierig. Die beiden Frauen aus der Hotelküche, Britta (Anne Sporleder) und Pippa (Melanie Socher), sind beide mit trockenem Witz und Lebensklugheit geschlagen. Und Albert wird gespielt von Ronnie, der eigentlich Rognvald Paul Stanislaus von Saleski heißt. Er kann gut rechnen und im wahren Leben schon mal beim Dreh verloren gehen. Sie agieren zusammen mit renommierten Schauspieler_innen wie Doris Kunstmann und Dominique Horwitz, für die diese Art kollegialer Zusammenarbeit ein Erlebnis ist, wie sie glaubhaft versichern.

Der Film handelt also nicht nur von Inklusion, sondern ist gelebte Inklusion. Auch in anderen Gewerken wie Kostüm, Musik und Kamera haben behinderte Menschen mitgearbeitet. Sie kommen aus Bremer Vereinen wie „Blaumeier Atelier“ und „Blaue Karawane“, wo schon lange in Werkstätten und Kunstprojekten Inklusion praktiziert wird.

Diese selbstverständliche Zusammenarbeit gibt dem Film den leichten und heiteren Grundton. Es herrscht meist beste Laune am Set und die überträgt sich. Der Film ist schnell und pointenreich geschnitten und spielt souverän auf den verschiedenen Erzähl-Ebenen (Filmszene, Dreharbeiten, Probenarbeiten und Gespräche am Set).

Am Ende des Spielfilms „All inclusive“ läuft alles auf eine große Sommersause an Bord eines Schiffs hinaus. Der Regisseur lässt 80 Komparsen aufmarschieren, wieder bunt gemischt, mit einem Anflug von Fellini. Vorne weg segelt ein großes blaues Kamel aus den Blaumeier-Werkstätten auf der Weser, so absurd wie treffend. Der Regisseur erinnert an das Narrenschiff, mit dem im Mittelalter „besondere Menschen“ aus der Gesellschaft weggefahren wurden. Dieses hier soll sie dagegen mitten hinein in die Gesellschaft fahren. Und Dominik Horwitz antwortet auf die Frage, warum er bei einem solchen Filmprojekt mitmache: „Ich mache das aus Eigennutz. Ich bekomme wahnsinnig viel dafür zurück“. Das kann man nach diesem Film gut verstehen.

Kinostart von „Weserlust Hotel“ ist am 29. September 2018

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Filmtipp: One Life

„Was hat das mit uns zu tun?“, fragen sich manche Jugendliche, wenn sie in der Schule mit dem Horror des Holocaust konfrontiert werden. Eine ganz ähnliche Frage stellt der Chefredakteur einer Provinzzeitung, bei der Nicholas Winton 1988 vorstellig wird. Der damals knapp achtzig Jahre alte Rentner ist beim Ausmisten auf ein Album gestoßen, das die Rettung jüdischer Kinder aus Prag dokumentiert. Auf Umwegen landet die Information bei der Frau des Verlegers Robert Maxwell. Sie glaubt zunächst, es habe sich um eine Handvoll Jungen und Mädchen gehandelt, aber Winton hat einst 669 Kindern die Ausreise nach England ermöglicht; und davon erzählt „One Life“.
mehr »

Filmtipp: Georgiens erste Filmemacherin

Eine der führenden Regisseurinnen der früheren Sowjetunion, Lana Gogoberidze (95) folgt in ihrem autobiografischen Dokumentarfilm „Mother and Daughter, or the Night Is Never Complete“ den Spuren ihrer Mutter Nutsa Gogoberidze (1902 – 1966), Georgiens erster Filmregisseurin. Zehn Jahre war Nutsa im Gulag inhaftiert und ihr Werk galt als verschollen. Doch 2013 wird ihre Tochter Kopien zweier ihrer von der sowjetischen Zensur weggeschlossenen Filme entdecken.
mehr »

Filmtipp: „Das letzte Tabu“

Statistisch ist die Sache klar. Weltweit gibt es circa 500.000 männliche Fußballprofis. Selbst wenn nur fünf Prozent schwul sein sollten, müssten es viele Tausende sein. Bislang haben allerdings weniger als zehn ihre Homosexualität öffentlich gemacht. Natürlich geht das Sexualleben niemanden etwas an; einerseits. Andererseits zehrt das jahrelange Versteckspiel erheblich an den psychischen Kräften. Manfred Oldenburg geht mit seinem Film "Das letzte Tabu" der Frage nach, ob sich seit dem Tod von Justin Fashanu vor 35 Jahren etwas geändert hat. Der Engländer war der erste Profi, der sich zu seiner Homosexualität bekannte. Einige Jahre später hat er sich das Leben genommen.
mehr »

Filmtipp: „Orca“, eine Schwimmerin im Iran

Der iranische Film „Orca“ ist eine Verbeugung vor einer Frau, die sich weder dem Regime noch toxischer Männlichkeit beugt. In kraftvollen Bildern erzählt Regisseurin Sahar Mosayebi eine Geschichte, die auf Tatsachen basiert: Nachdem ihr Mann sie fast umgebracht hat, findet Elham ins Leben zurück, indem sie verbissen trainiert, um diverse Schwimmrekorde im offenen Meer zu brechen. Auf diese Weise wurde sie zum Vorbild für viele junge Iranerinnen.
mehr »