Beruf Tonmeister

Alles für den guten Klang

„Am Schwierigsten“, sagt Jan Piepenstock, „ist das Hören.“ Als er noch in der Ausbildung war, 26 Jahre ist das her, hatte er ein Buch gelesen über einen Mann, der eine Woche lang mit verbundenen Augen gelebt und nur auf sein Gehör geachtet hat. „Das wollte ich auch erleben und wurde dabei fast überfahren. Ich ging über die Straße. Dann kam ein Fahrrad angerollt – das hörte man leider nicht.“ Er lacht.

Tonmeister Jan Piepenstock Foto: Kersten Hüttner


Piepenstock ist Tonmeister. Das bedeutet, er sorgt für den Ton. Von CDs, Filmen, Reportagen und Liveauftritten. Er überprüft Drehbücher auf ihre klangliche Umsetzbarkeit, leitet die Tonaufnahme bei Dreharbeiten und Liveauftritten, entscheidet über die Klangqualität von Studioaufnahmen und koordiniert die Zusammenarbeit zwischen Bild- und Tontechnikern bei Reportagen. Kurz gesagt: „Alles was mit Klangwiedergabe zu tun hat, das ist mein Job.“
Piepenstock sitzt in einem Tonstudio von Bavaria Musik und trinkt einen Kaffee. Vor ihm steht ein etwa ein Meter langes Mischpult, ein zweites, kleineres, steckt in der Bauchtasche neben seinem Stuhl. Daneben liegt eine „Angel“, ein Aufnahmegerät an einem langen Stab, und ein Wirrwarr aus Kabeln.
„Das Beste an meiner Arbeit“, sagt Piepenstock, „ist die Vielfältigkeit.“ Am Wochenende war er für den Bayerischen Rundfunk (BR) in Oberstdorf und hat einen Skisprungkurs für Erwachsene begleitet: Interviews aufgenommen und den Kursteilnehmern dabei zugesehen, wie sie von der „Kinderschanze“ aus fünfzehn Meter weit gesprungen sind. Jetzt klickt er sich auf seinem Handy durch die Mediathek des BR und zeigt Videos von Liveauftritten, die er vor ein paar Wochen für die Sendung „Zam Rocken“ aufgezeichnet hat. „Jeden Tag in dem gleichen Studio aufzuzeichnen, das wäre mir viel zu eintönig“, sagt Piepenstock. „Aber das ist eben das Tolle: Es wird nie langweilig in meiner Arbeit.“
Piepenstocks Stimme ist warm und gleichmäßig. Oft gestikuliert er beim Sprechen, aber auf eine langsame, nachdrückliche Art. Er lacht viel und gerne, neben seinen Augen haben sich die Lachfältchen in sein Gesicht gegraben. Dass er Tonmeister werden will, das war für ihn schon in sehr jungem Alter klar. „Ich wollte eigentlich immer etwas mit Musik machen“, sagt er. „Aber Musiklehrer? Da muss man ja unterrichten, das ist einfach etwas anderes.“ Also Tontechnik.
Einer seiner ersten Aufträge war dann auch gleich bei den ganz Großen: Als Assistent bei den Soundtrack-Aufnahmen zu dem Film „Das Schweigen der Lämmer.“ Der wurde damals in Deutschland aufgenommen, aus Kostengründen. Wie die Songs zu vielen berühmten Filmen. „Das war schon ganz schön stressig“, erzählt Piepensock. „Ich war dafür verantwortlich, dass alle Musiker mit Mikrophonen ausgestattet sind.“ Eigentlich keine schwierige Aufgabe. Der Druck war trotzdem hoch: „So etwas zu reparieren, wenn es nicht funktioniert, dauert keine fünf Minuten“, sagt Piepenstock. „Aber wenn in diesen fünf Minuten siebzig hochbezahlte Musiker nicht spielen können, dann kann man sich ausrechnen, was diese paar Minuten kosten.“
Heute, erklärt er, wird nur noch in sehr seltenen Fällen ein Orchester direkt zum Film bemüht. Die Soundtracks werden inzwischen zumeist am Computer zusammengestellt, „und nur bei den ganz großen Produktionen kommt noch ein Orchester und spielt das ein.“
Ja, es hat sich viel verändert in der Branche. Verdammen möchte Piepenstock das aber nicht: „Natürlich wird heute viel mehr am Computer gemacht“, sagt er. „Aber das hat ja auch einen Grund: Es hat vieles einfacher gemacht.“
Sieht er sich als Techniker oder als Künstler? Schwierige Frage. Piepenstock zögert. „Eigentlich beides“, sagt er dann langsam. „Das ist wie beim Musikmachen: Die Technik ist die Gitarre, das Instrument. Die muss ich bedienen können, um überhaupt künstlerisch tätig werden zu können.“
Piepenstock hat nicht sein ganzes Leben als Tonmeister gearbeitet. Vor einigen Jahren, da ist es ihm einmal ein bisschen zu eintönig geworden. Also hat er umgeschult: Zum Hüttenwirt. Von 2001 an hat er zusammen mit seiner Lebensgefährtin eine Hütte in den Bergen geleitet, Wanderer bewirtet und nur noch nebenberuflich als Tonmeister gearbeitet. Zwölf Jahre lang, dann ging es wieder zurück in den alten Job.
Die Liebe zum Berg ist ihm aber geblieben. „Wenn man so viel mit Klang arbeitet, dann kann es sehr entspannend sein, in der Freizeit etwas Stille zu haben“, sagt er. Nach dem letzten Schliff an einem Skitourenführer, den er in seiner Freizeit geschrieben hat, geht’s wieder ab in die Berge.
Neben seiner Festanstellung beim Bayerischen Rundfunk arbeitet er noch selbstständig als Tonmeister. Dafür hat er sich extra eine Sondergenehmigung organisiert. „Für die Abwechslung“, sagt er und lacht. Gefragt, ob es nicht anstrengend sei, sich permanent zu überarbeiten, sagt Piepenstock: „Na ja. Ich finde einfach, die Arbeit muss zu mindestens 50 Prozent Spaß sein. Und das kann ich ja dann auch als Freizeit deklarieren.“ Er grinst. „Und wenn ich so rechne, dann arbeite ich ja eigentlich gar nicht so viel.“

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