Eine Freienvertretung für Deutschlandradio

Foto: 123rf/M

Deutschlandradio (DLR) hat von nun an ein Freienstatut. Damit ist der Weg frei für die Wahl einer Freienvertretung. Jahrelanges Ringen um mehr Mitbestimmung für Freie, die einen großen Teil der drei Hörfunkprogramme Deutschlandfunk (Köln), Deutschlandfunk Kultur (Berlin) und Deutschlandfunk Nova (Köln/Berlin) produzieren, geht zu Ende. Ein Erfolg? Durchaus, obwohl längst nicht alles erreicht worden ist. M spricht mit Manfred Kloiber, Vorsitzender des ver.di-Senderverbandes Deutschlandradio Köln und selbst freier Mitarbeiter über die Ecken und Kanten des neuen Regelwerkes.

Der Verwaltungsrat musste dem Vorschlag von Intendant Stefan Raue zustimmen, was er heute getan hat. Aber entwickelt wurde das Statut doch von den Freien gemeinsam mit dem Intendanten? Und warum hat das so lange gedauert?

Manfred Kloiber | Die Gewerkschaften (und da waren selbstredend viele Freie dabei) haben dem Intendanten vorgeschlagen, wie man trotz eines vom Intendanten erlassenen Statutes verbindliche Mitbestimmungstatbestände schafft. Dazu hatten wir angeboten, einen Tarifvertrag abzuschließen, der die Rechte der Freienvertretung so ähnlich regelt, wie das Bundespersonalvertretungsgesetz die Rechte der Personalvertretung.

Manfred Kloiber, Vorsitzender des ver.di-Senderverbandes Deutschlandradio Köln und freier Mitarbeiter des DLR
Foto: Murat Türemis

Das aber wollte Deutschlandradio nicht. Hauptsächlich wohl aus arbeitsrechtlichen Gründen: Viele Rundfunkanstalten versuchen die Fiktion aufrechtzuerhalten, freie Mitarbeiter*innen seien vollständig selbständig, obwohl sie immer mehr und immer eindeutiger wie Angestellte von ihnen eingesetzt werden. Und zu dieser Fiktion gehört eben, dass ein Freienstatut nicht so aussehen darf wie das Bundespersonalvertretungsgesetz.

Aber in den Verhandlungen wurde mir auch klar, dass es im DLR schon ein paar Verantwortliche in Programm und Verwaltung gibt, die von Mitbestimmung für Freie wenig halten. Gefühlt: Für sie selbst als Angestellte ist Personalvertetung ok, aber Mitbestimmung für Freie – igitt, igitt. Einige hatten schon mit dem, was der Intendant selbst an Angeboten machte, ihre Bauchschmerzen.

Kurz: Solche Verhandlungen sind mühsam. Es wird um jedes Detail gefeilscht. Deshalb dauern sie lange. Und letztlich steckt noch viel im Statut drin, was aus meiner Sicht nicht optimal ist.

Was wird die Aufgabe der gewählten Freienvertretung sein, wen vertritt sie?

Die Frage, wen sie vertritt, war schon der erste Zankapfel. Denn Deutschlandradio meint, nur wer vom Sender als Freier wirtschaftlich abhängig und schutzbedürftig ist, solle darunterfallen. Das wären alle Freien, die Anspruch auf Urlaubsgeld unmittelbar bei Deutschlandradio haben – das sind etwa 650 Kolleginnen und Kollegen. Sie haben den Status der „arbeitnehmerähnlich Beschäftigten“.

Wir meinen jedoch: Alle, für die die Kriterien der freien Tätigkeit bei Deutschlandradio und der ARD zutreffen, müssten einbezogen werden. So steht es unsere Meinung nach auch im Rundfunkstaatsvertrag. Damit wären tatsächlich 95 Prozent aller Freien bei Deutschlandradio erfasst. Jetzt sind es nur jene, die ganz besonders intensiv für Deutschlandfunk, Deutschlandfunk Kultur oder Deutschlandfunk Nova arbeiten.

Die Themen für den Freienrat sind verglichen mit denen des Personalrats ähnlich, es geht also im Wesentlichen um Arbeitsbedingungen und die Einhaltung von Gesetzen und Tarifverträgen. Obendrauf kommen noch Fragen der Gleichbehandlung, Schwerbehindertenthemen, Fortbildung für Freie. Die Freienvertretung hat aber ebenso wenig wie der Personalrat keine Zuständigkeit für die Tarife – das machen ja die Gewerkschaften.

Welche Rechte hat das Gremium und welche nicht – wo sind die Defizite?

Der Personalrat ist in der Mitbestimmung. Das heißt, er hat die Kraft, offensichtlich falsche Entscheidungen des Arbeitgebers zu blockieren oder zu verzögern, indem er zum Beispiel die Zustimmung zu Dienstplänen verweigert. Die Freienvertretung hat nix mitzubestimmen. Sie darf sich nur mit dem Intendanten darüber unterhalten, mehr nicht.

Und der Intendant muss sie anhören oder kann er sich davor drücken?

Nein, das ist im Statut festgelegt. Danach sollte es einmal im Monat ein Gespräch geben – mindestens aber einmal im Viertel Jahr. Und wenn er tatsächlich verhindert ist, darf den Termin lediglich sein persönlicher Abwesenheitsvertreter wahrnehmen.

Wie ist die Abgrenzung zum Personalrat des Senders? Oder gibt es eine Verzahnung beider Interessenvertretungen?

Das ist eindeutig – und nur deshalb gibt es ja die Freienvertretung: Wer angestellt nach dem Manteltarifvertrag ist, für die oder den ist der Personalrat zuständig. Um die Arbeitnehmerähnlichen kümmert sich der Freienrat. Und dann klafft da eben noch diese große Lücke: Die freien Freien, zum Beispiel die vielen Autorinnen und Autoren, die nur gelegentlich für Deutschlandradio arbeiten. Für die gibt es weiterhin keine institutionalisierte Vertretung. Ich hoffe aber sehr, dass der Freienrat auch deren Probleme immer mit auf dem Zettel stehen hat. Und sicher wird man sich bei Fragen, die alle Beschäftigten betreffen, auch zwischen den Gremien austauschen.

Als Mehrländeranstalt unterliegt das Deutschlandradio dem Personalvertretungsgesetz des Bundes (BPersVG). Es wurde zuletzt im Jahr 1974 grundlegend überarbeitet und seitdem nur punktuell fortgeschrieben. Nun soll es endlich zeitgemäß novelliert werden. ver.di dringt in der laufenden Debatte darauf, arbeitnehmerähnliche und auf Produktionsdauer beschäftigte Mitarbeiter*innen in öffentlichen Unternehmen in die Mitbestimmung einzubeziehen. Das betreffe im Besonderen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, wo die Zahl der arbeitnehmerähnlichen Beschäftigten besonders hoch sei. Wie siehst Du das?

Um es mit Frau Merkel zu sagen: Alternativlos. Nur dieser ist doch der eigentlich richtige Weg. In vielen Landesrundfunkanstalten sind die Freien bereits mit in die Personalvertretung einbezogen, weil die entsprechenden Landesgesetze Arbeitnehmerähnliche umfassen. Nur das Bundespersonalvertretungsgesetz grenzt die arbeitnehmerähnlichen und auf Produktionsdauer Beschäftigten explizit aus. Es gilt aber in den Mehrländeranstalten NDR, RBB, MDR und Deutschlandradio sowie bei der Bundesanstalt Deutsche Welle. Und diese Lücke muss geschlossen werden. Denn es gibt keinen Grund, ausgerechnet die schutzbedürftigsten Beschäftigten von den Rechten, die Arbeitnehmer*innen berechtigterweise genießen, auszuschließen. Dazu kommt, dass immer mehr Freie wie Arbeitnehmer beschäftigt werden, ohne deren Rechte zu haben.

Hand aufs Herz: Die Freienstatute sind doch nur Feigenblätter, die halbherzig die Lizenz zum Kaffeetrinken mit der Intendantin oder dem Intendanten einräumen, ohne wirkliche Mitbestimmung zu ermöglichen. Und für diese halbgare Lösung müssen auch noch doppelte Strukturen geschaffen werden, was Kosten verursacht, zeitraubend und komplett ineffektiv ist. Darüber hinaus befinden sich alle Freienstatute derart in rechtlichen Grauzonen, dass jederzeit mit gerichtlichen Auseinandersetzungen zu rechnen ist. Da sag ich doch: Die einfache Lösung ist die Beste: Volle Personalvertretungsrechte auch für arbeitnehmerähnliche und auf Produktionsdauer Beschäftigte.

Wenn das novellierte BPersVG die Mitbestimmung auf die arbeitnehmerähnlichen sowie die auf Produktionsdauer Beschäftigten erweitert, muss dann das Freienstatut des DLR neu geschrieben werden?

Bislang sieht ja der Referentenentwurf vor, arbeitnehmerähnliche Freie in den Rundfunkanstalten zwar unter das novellierte Gesetz fallen zu lassen, aber nur so lange sie nicht „maßgeblich an der Programmgestaltung beteiligt“ sind. Auch auf Produktionsdauer Beschäftigte werden weiterhin ausgeklammert. Das ist in meinen Augen „nix Halbes und nix Ganzes“. Wenn sich die Mitglieder des Bundestages für den eindeutigen und weitgehenden Einbezug der Freien ins Bundespersonalvertretungsgesetz entscheiden, dann steht vielleicht im Freienstatut nur noch, dass die Freienvertretung durch die Personalvertretung auf dieser gesetzlichen Grundlage wahrgenommen wird.

Und wenn nicht, wie geht es dann weiter – immerhin hat der Intendant eine Evaluierung zugesagt?  

Ja, dann werden wir in den kommenden vier Jahren sehen, was gut und was schlecht läuft und das auch hoffentlich gut dokumentieren. Die Frage ist dann nur: Können wir den dann amtierenden Intendanten oder die Intendantin davon überzeugen, nach zu justieren. Das ist im Moment eine Frage für die Glaskugel.


ver.di: Freien-Vertretung ohne echte Mitbestimmung

Mit der Entscheidung des Verwaltungsrates würde zwar dem Staatsvertrag für eine institutionalisierte Vertretung freier Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter genüge getan. „Aber das Statut der Freien-Vertretung gewährt lediglich schwache Mitspracherechte und kein wirkliches Mitbestimmungsrecht“, kritisierte ver.di-Verhandlungsführerin Kathlen Eggerling. Grundsätzlich sei eine Instanz wie eine Freien-Vertretung daher nur die zweitbeste Lösung. „Auch die arbeitnehmerähnlichen Freien gehören unter den Schutz des Personalvertretungsrechtes“, so die Gewerkschafterin. Dies sei in etlichen Rundfunksendern bereits Wirklichkeit und die Aufnahme der Freien in die jeweiligen Landespersonalvertretungsgesetze habe sich bewährt, so etwa beim WDR, HR, Radio Bremen oder dem SWR. ver.di fordert daher, das Bundespersonalvertretungsgesetz im Rahmen der anstehenden Novelle auch für Freie zu öffnen.

 

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