Fair Radio

Wer das Radio einschaltet, glaubt Authentisches zu hören. Mitunter klafft jedoch eine Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Oft wird etwas vorgegaukelt! Die Fair Radio Initiative sammelt Beispiele:


Ein freier Kollege einer großen ARD Anstalt liefert für seinen „Haussender“ ein 60-minütiges Feature zum Thema „Beten auf Teufel komm raus – Exorzismus in Deutschland heute“. Der Beitrag ist ein großer Erfolg. Eine renommierte, überregionale Tageszeitung berichtet, der ARD Sender im Sitz-Land der Zeitung meldet sich. Der Sender bittet den Autoren um ein auf das „katholische“ Land zugeschnittene „Best-Off“, schließlich könne der Sender das Übernahmehonorar des Original-Features nicht zahlen.
So produzierte der freie Journalist eigens für den Sender ein 17-minütiges Mini-Feature. Anschließend, so die Planung der Redaktion, möge der Journalist im Live-Gespräch den Fragen des Moderators Rede und Antwort stehen. Mit dem Redakteur war vereinbart, dass einige wenige O-Töne für die tagesaktuellen Nachrichten ausgekoppelt werden durften, da die Ergebnisse der zweijährigen Recherche besonders in Kirchenkreisen für gewaltige Schlagzeilen sorgen würden, was dann auch der Fall war. Dieses rund 15-minütige Kollegengespräch wurde aus Termingründen wenige Tage vor der Sendung aufgezeichnet.
Den weiteren Ablauf schildert der Autor so: „Durch geschicktes PR-Management vermittelte der Sender den Eindruck, dass die Recherchen einzig für ihn erfolgten. Im Prinzip wäre das auch nicht schlimm gewesen, hätte mich nicht wenige Stunden vor der Ausstrahlung ein Anruf aus der Landeshauptstadt ereilt. ‘Hi, ich bins Sabine’, sagte lachend die Stimme aus dem Handy. ‘Du läufst ja schon den ganzen Tag bei uns in den Nachrichten rauf und runter und da Du gerade in München bist, wollte ich fragen, ob wir abends zusammen etwas trinken gehen wollen…‘. Ich stutzte: Wieso München, ich sitze gerade in einem rund 600 Kilometer entfernten ARD-Studio.
Nur durch dieses Telefonat erfuhr ich, dass in einem Programm des ARD-Senders soeben ein längeres Interview mit mir gesendet worden war. Den Hörern wurde suggeriert, ich säße dort live im-Studio. Offenbar stolz, den Exorzismus-Experten live im Studio gehabt zu haben, stellte der Sender das „Kollegengespräch“ auch noch als Podcast ins Internet. Außerdem waren aus dem vorproduzierten Gespräch zwei Antworten von mir herausgeschnitten und völlig neue Fragen vorangestellt. Für mich unfassbar.“
Immerhin: Inzwischen hat der ARD-Sender das gefakte Interview aus dem Internet entfernt. Nach einer Beschwerde gab’s dann via E-Mail sogar eine offizielle Entschuldigung.
  Fauti 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Initiative: KI besser nutzbar machen

Der Dominanz der globalen Big-Tech-Konzerne etwas entgegensetzen – das ist das Ziel einer Initiative, bei der hierzulande zum ersten Mal öffentlich-rechtliche und private Medienanbieter zusammenarbeiten. Sie wollen mit weiteren Partnern, vor allem aus dem Forschungsbereich, ein dezentrales, KI-integriertes Datenökosystem entwickeln. Dadurch soll die digitale Souveränität und Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Medienstandorts gestärkt werden.
mehr »

Anteil von Frauen in Führung sinkt

Nach Jahren positiver Entwicklung sinkt der Anteil von Frauen in Führungspositionen im Journalismus das zweite Jahr in Folge. Der Verein Pro Quote hat eine neue Studie erstellt. Besonders abgeschlagen sind demnach Regionalzeitungen und Onlinemedien, mit Anteilen von knapp 20 Prozent und darunter. Aber auch im öffentlichen Rundfunk sind zum Teil unter ein Drittel des Spitzenpersonals weiblich.
mehr »

dju fordert Schutz für Medienschaffende

Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di fordert nach dem erschreckend milden Urteil im Verfahren zum Angriff auf Journalist*innen in Dresden-Laubegast staatlich garantierten Schutz für Medienschaffende. Über zehn Männer hatten im Februar 2022 in Dresden-Laubegast am Rande einer Demonstration im verschwörungsideologischen Milieu sechs Journalist*innen und ihren Begleitschutz angegriffen.
mehr »

Unsicherheit in der Medienlandschaft

Künstliche Intelligenz (KI) und ihre Auswirkungen auf die Medienbranche wurden auch bei des diesjährigen Münchner Medientagen intensiv diskutiert. Besonders groß sind die Herausforderungen für Online-Redaktionen. Im Zentrum der Veranstaltung  mit 5000 Besucher*innen, mehr als 350 Referent*innen aus Medienwirtschaft und -politik, Kultur, Wissenschaft und Gesellschaft, stand allerdings die Frage, wie Tech-Konzerne reguliert werden sollten.
mehr »