ver.di fordert: keine Strafverfolgung für Böhmermann

Der Satiriker Jan Böhmermann soll vor Gericht. Das verlangt die türkische Regierung. Inzwischen hat der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan auch persönlich einen Strafantrag gestellt. Etwa 20 Anzeigen sind zudem von Privatpersonen bei der Mainzer Staatsanwaltschaft eingegangen. Der Vorwurf: Beleidigung von Organen oder Vertretern ausländischer Staaten. Böhmermann hatte in der ZDFneo-Sendung “Neo Magazin Royale“ ein Gedicht verlesen, in dem Erdogan unflätig beschimpft wird. Die Bundesregierung muss jedoch für das Verfahren eine Ermächtigung erteilen. Sie werde das Ersuchen einige Tage prüfen, erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert. ver.di protestiert! Frank Werneke, stellvertretender ver.di-Vorsitzender, fordert die Bundesregierung auf, dem Ersuchen der türkischen Regierung nach Strafverfolgung des Satirikers Jan Böhmermann nicht nachzugeben. „Die Bundesregierung muss an dieser Stelle glaubwürdig die Meinungs- und Pressefreiheit verteidigen. Jan Böhmermann hat kein Schmähgedicht verfasst, sondern durch eine vorangestellte Erklärung auf subtile Art und Weise die Mechanismen von Satire und bedrohter Pressefreiheit dargestellt. Die Menschen in Deutschland erwarten, dass die Bundesregierung demokratische Grundrechte wie die uneingeschränkte Meinungs- und Kunstfreiheit ohne Wenn und Aber verteidigt. Auch und vor allem angesichts des Flüchtlingsabkommens mit der Türkei“, sagte Werneke in einer Pressemitteilung. Er kritisierte auch, dass das ZDF das Gedicht von Böhmermann  „in voraus eilendem Gehorsam“ im Netz aus der Sendung „Neo Magazin Royal“ genommen habe.

„Es ist nicht hinnehmbar, dass in der Türkei die Meinungs- und Pressefreiheit immer weiter auf brutale Art und Weise eingeschränkt wird, Journalisten verhaftet und nach Schauprozessen ins Gefängnis geworfen und nicht regierungstreue Zeitungen enteignet werden und die türkische Regierung nun versucht, diesen autoritären Politikstil in Ansätzen auch auf Deutschland zu übertragen. Ich erwarte, dass die Bundesregierung daran keinen Zweifel lässt“, erklärte Werneke.

Aktualisiert am 12.April 2016

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

„Das Problem mit der Leidenschaft“

Lena Hipp ist Professorin für Soziologie an der Universität Potsdam und leitet die Forschungsgruppe „Arbeit und Fürsorge“ am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB). Mit M sprach sie über „Gute Arbeit“, Stressoren im Journalismus und weshalb die Trennung von Arbeit und Privatleben für Medienschaffende so wichtig ist.
mehr »

Dreyeckland-Journalist wegen Link angeklagt

Am 18. April beginnt der Prozess gegen den Journalisten Fabian Kienert. Dem Mitarbeiter von Radio Dreyeckland in Freiburg wird die Unterstützung einer verbotenen Vereinigung vorgeworfen, weil er das Archiv eines Onlineportals in einem Artikel verlinkt hat. Das Portal mit Open-Posting-Prinzip war von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) 2017 als kriminelle Vereinigung verboten worden.
mehr »

Türkische Presse im Visier der Justiz

Der Journalist Nedim Türfent berichtet über die Situation von Medienschaffenden in der Türkei. Sein Film "Ihr werdet die Macht der Türken spüren!" über die schikanöse Behandlung kurdischer Bauarbeiter erregte große Aufmerksamkeit und brachte ihm 2015 einen Journalistenpreis ein - und 2016 seine Verhaftung. Er wurde gefoltert und zu acht Jahren und neun Monaten Gefängnis verurteilt. Die meiste Zeit davon verbrachte er im Hochsicherheitsgefängnis in der östlichen Stadt Van. Türfent wurde am 29. November 2022 nach sechs Jahren und sieben Monaten Haft entlassen. Schon wenige Monate später arbeitete er wieder als Journalist. Zurzeit nimmt er an einem Stipendium für bedrohte…
mehr »

Die Verantwortung der Redaktionen

Auf die mentale Gesundheit zu achten, ist keine individuelle Aufgabe. Auch Arbeitgeber*innen können und sollten etwas für psychische Gesundheit ihrer Mitarbeiter*innen tun. Wie funktioniert das in einer Branche, die so geprägt ist von Zeit und Leistungsdruck und belastenden Inhalten wie der Journalismus? Wir haben uns in zwei Redaktionen umgehört, die sich dazu Gedanken gemacht haben: das Magazin Neue Narrative und der Schleswig-Holsteinische Zeitungsverlag (SHZ).
mehr »