Verschlossene Auster für AfD-Bürgermeister

Verleihung der "Verschlossenen Auster": Der Informationsblockierer des Jahres 2018 wollte sie nicht abholen.
Foto: Wullf Rohwedder

Bereits zum 17. Mal trafen sich am letzten Juni-Wochenende hunderte Journalistinnen und Journalisten zur Jahrestagung von Netzwerk Recherche. Der Negativpreis „Verschlossene Auster“ für den Informationsblockierer des Jahres wurde dort diesmal an den AfD-Politiker Harry Ebert verliehen – für seinen „selbstherrlichen und respektlosen Umgang mit der örtlichen Presse“. Der Bürgermeister von Burladingen in Baden-Württemberg holte die Auszeichnung nicht ab, da stattdessen „u.a. Rasenmähen“ auf seiner Agenda stand.

Netzwerk Recherche vergibt die „Verschlossene Auster“ seit 2002. Neben Energie- und Handelskonzernen, dem Waffenproduzenten Heckler & Koch, dem ADAC, Facebook, zwei ehemaligen Bundesinnenministern und dem russischen Präsidenten Putin steht nun auch ein Bürgermeister aus der Schwäbischen Alb auf der Preisträgerliste. Der Veranstalter begründete die aktuelle Kür so: Weil Harry Ebert die Berichterstattung der Lokaljournalisten nicht gefiel, überzog er sie mit einem regelrechten Strafkatalog: Er verweigerte sich Interviews, ließ Anfragen unbeantwortet und wies städtische Mitarbeiter an, nicht mit der Presse zu sprechen. Er ließ im Amtsblatt der Stadt gegen die örtlichen Journalisten wettern und drohte mit dem Entzug von Abonnements, falls eine unliebsame Reporterin nicht abgezogen werde.

Außerdem verbot er Journalisten schriftlich, „städtische Einrichtungen jedweder Art zu Zwecken der Presseberichterstattung aufzusuchen“. Das Hausverbot gelte neben der Stadtverwaltung auch „für andere städtische Gebäude wie beispielsweise Jugendmusikschule, Feuerwehrhäuser, Kindergärten, Hallenbäder usw…“, schrieb Ebert – und drohte mit Strafanzeigen. Erst als der Schwarzwälder Bote seine Juristen einschaltete, zog der Bürgermeister das Hausverbot zurück.

Ebert erhalte laut Netzwerk Recherche den Preis stellvertretend für alle Lokalpolitiker, „die unliebsame Berichterstattung als Majestätsbeleidigung missverstehen und jeglichen Respekt vor der Arbeit der Journalisten vermissen lassen“. In seiner Absage an die Veranstalter, den Preis am 30. Juni in Hamburg selbst entgegenzunehmen, hatte Ebert für die Verleihung gedankt und nachgefragt, ob sie “wenigstens mit einem Preisgeld verbunden“ sei.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Von Erbsensuppe und neuen Geschichten

„Vielfalt schützen, Freiheit sichern – 40 Jahre duale Medienordnung im föderalen Deutschland“. Dies war das Thema des Symposiums, das am 23.  April in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften stattfand. Ausrichter war die Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM).  Teilnehmer waren Verantwortliche aus Medienpolitik und -wissenschaft, Rundfunkregulierung und Medienunternehmen.
mehr »

Preis für behinderte Medienschaffende

Zum zweiten Mal schreibt in diesem Jahr die gewerkschaftsnahe Otto Brenner Stiftung zwei Preise und Stipendien für Journalist*innen mit Behinderung aus. Damit soll „ein klares Signal für die Förderung von Diversität als unverzichtbaren Wert in unserer demokratischen Gesellschaft“ gesetzt werden, sagt Jupp Legrand, Geschäftsführer der Stiftung. 
mehr »

Italien: Neun Jahre Haft für Recherche?

Drei Reporter*innen der italienischen Tageszeitung Domani müssen mit bis zu neun Jahren Gefängnis rechnen. Die Staatsanwaltschaft Perugia ermittelt gegen sie, weil sie vertrauliche Dokumente von einem Beamten angefordert und erhalten und das Geheimhaltungsprinzip der Ermittlungen verletzt haben sollen. Die dju-Bundesvorsitzende Tina Groll kritisierte, dass „hier investigative Berichterstattung über Mitglieder der italienischen Regierung unterdrückt werden soll."
mehr »

KI darf keine KI-Texte nutzen

Die Diskussion über Möglichkeiten und Grenzen der KI im eigenen Metier wird Journalist*innen noch lange weiter beschäftigen. Bei der jüngsten ver.di-KI-Online-Veranstaltung ging es um den Anspruch an Gute Arbeit und Qualität. ver.di hat zum Einsatz von KI Positionen und ethische Leitlinien entwickelt. Bettina Hesse, Referentin für Medienpolitik, stellte das Papier vor, das die Bundesfachgruppe Medien, Journalismus und Film zum Einsatz von generativer Künstlicher Intelligenz im Journalismus erarbeitet hat.
mehr »