Die „Kleine Zeitung“ hinter der Paywall

Screenshot: Kleine Zeitung vom 16.8. 2018

Erfolgreich mit Digitalabos? Davon träumen viele deutsche Verlage. Im steiermärkischen Graz führte die „Kleine Zeitung“ aus dem Verlag Styria als erste Zeitung Österreichs seit Mitte 2017 schrittweise kostenpflichtige Online-Inhalte ein. Und verkaufte binnen weniger Monate zehntausende Digitalabos. So klein, wie der Name suggeriert, ist das Blatt gar nicht. Mit einer Verkaufsauflage von knapp 280.000 in der Steiermark und in Kärnten ist es die zweitgrößte Zeitung Österreichs. Jetzt wächst sie weiter – dank einer ausgeklügelten Digitalstrategie.

Walter Hauser, in der Geschäftsführung der „Kleinen Zeitung“ zuständig für den Leser- und Usermarkt, sieht das Ende der Gratiskultur gekommen. Jeder habe gewusst, dass der Übergang nicht einfach würde. „Es war klar, dass dieses Projekt zunächst wenig Freunde haben würde, vor allem auf Leserseite, wenn Sie plötzlich was vergebühren, was vorher kostenlos war“, schildert er die Ausgangslage. Denn: „Sie können nicht Kunden zahlen lassen für Inhalte, die auf Papier gedruckt werden und auf der anderen Seite Kunden gratis die ins Netz gestellten Inhalte konsumieren lassen.“

Die Einführung des neuen Modells geschah daher phasenweise. Zunächst wurde intern getestet.  Die Redakteure markierten im Redaktionssystem potentielle Bezahlinhalte. Später begann man die Paid-Kennzeichnung – noch ohne Bezahlschranke – auch für die Leser sichtbar zu machen. Für welche Inhalte könnten Leser_innen nun bereit sein, zu zahlen? Mit Sicherheit nicht für das, was über Agenturen hereinkommt, „denn das bekommen Sie überall“, meint Hauser.

Also stellte man vor allem regionale Inhalte hinter die Paywall. „Die gibt’s nicht über Presseagenturen. Es sind eigenständige, vertiefende Inhalte mit Mehrwert.“ Etwa das zusätzliche Interview zu einer Meldung, das zusätzliche Video, Extra- Recherche vor Ort, usw.  Natürlich gibt es weiterhin vieles gratis. Denn eine harte Schranke, so die Überlegung könnte zu unkalkulierbaren Einbrüchen bei der Digital-Reichweite führen.

Im nächsten Schritt waren dann Plus-Artikel nur mehr zugänglich mit E-Mail-Registrierung. Das ergab einen Pool von 100.000 registrierten Personen, die grundsätzlich Interesse an einem Digital-Abo bekundeten. Denn genau darum geht es dem Verlag. Schließlich verkauft er auch von der Print-Ausgabe an die 96 Prozent im Abonnement. „Deshalb war für uns ganz klar: Wir suchen im Web nicht den Tagesgast oder den Artikel-Käufer, uns interessiert vor allem das Abo-Modell.“

Das Besondere: Niemand muss die Katze im Sack kaufen. Die Leser_innen haben die Möglichkeit, nach persönlicher Registrierung das Angebot vier Wochen lang gratis zu testen. Erst dann wird die Schranke „scharf gestellt“. Die ersten Zahlen machen dem Verlag Mut. Bereits im 1. Quartal 2018 wurden 27.000 Digitalabos abgeschlossen. Mitverantwortlich für die erstaunliche Akzeptanz ist offenbar das intelligente Preissystem. Das Print-Abo kostet monatlich 28,50 Euro, inklusive Digitalangebote sind es nur drei Euro mehr.  Das reine Digital-Abo unter Einschluss von Webauftritt, App, E-paper, Archivzugang sowie der Print-Wochenendausgabe ist dagegen fast zehn Euro günstiger.

„Wir wollen möglichst viele unserer heute zahlenden Print-Abonnenten mitnehmen in diese digitale Welt“, sagt Hauser. Wer später umsteigen will auf ein Digitalabo, muss nicht mehr kündigen, sondern kann mittels eines Systems von Up -und Downgrading das Abo an seine neuen Bedürfnisse anpassen. Für die mobile Generation gibt es ein besonderes Schnäppchen. Das Abo der reinen Smartphone-App kostet lediglich 2,99 Euro. Das Kalkül, auf diese Weise auch in nicht so zeitungsaffine jüngere Zielgruppen vordringen zu können, geht voll auf. Die Zahl der reinen Smartphone-Abos liegt immerhin schon bei 2.000.

Die Konkurrenz beobachtet die neue Zeitungsblüte im Süden Österreichs noch mit Zurückhaltung. Selbst der nationale Fast-Monopolist „Kronen-Zeitung“ traute sich bislang nicht, das Modell zu kopieren – wohl aus Furcht vor Einbrüchen beim Digital-Traffic. Aber Walter Hauser ist überzeugt: „Der lange Atem lohnt sich.“ Trotz Bezahlschanke verfügt die „Kleine Zeitung“ heute über eine höhere Reichweite als vor zwei Jahren.

 

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