Protest: Mesale Tolu und andere freilassen!

Die Journalistin wurde 1984 in Ulm geboren. Foto: privat

Mit scharfer Kritik reagiert ver.di auf die Festnahme von Mesale Tolu in der Türkei und protestiert erneut gegen Erdogans Politik, unliebsame Journalisten und Medien mundtot zu machen.

Die deutsche Journalistin und  Übersetzerin Mesale Tolu, die für die Nachrichtenagentur Etha arbeitet, wurde laut Medienberichten vor zwölf Tagen in der Türkei unter dem Vorwurf der Terrorpropaganda inhaftiert. Zudem berichten Medien, dass am heutigen Freitagmorgen auch der Leiter der Onlineredaktion der Zeitung Cumhuriyet, Oguz Güven, festgenommen wurde.

„Wir fordern die sofortige Freilassung von Mesale Tolu. Sie und all die anderen inhaftierten Journalistinnen und Journalisten, darunter auch Deniz Yücel, müssen von der Türkei umgehend aus der Haft entlassen werden. Die Festnahmen von insgesamt rund 150 Journalistinnen und Journalisten sowie die Schließung ebenso vieler Medien zeigen, dass die Türkei die Pressefreiheit suspendiert hat und ein demokratisches Grundrecht faktisch nicht mehr existiert“, sagte der stellvertretende ver.di-Vorsitzende Frank Werneke.

Als „Skandal“ kiritsiert Werneke auch, dass die türkische Medienaufsicht RTÜK offensichtlich erneut Druck ausübe, dass in Ländern außerhalb der Türkei kurdische Fernsehsender nicht mehr empfangen werden können. So wolle RTÜK erwirken, dass der französische Satellitenbetreiber Eutelsat die Ausstrahlung der Fernsehsender Ronahi TV, NewsChannel und Sterk TV einstellt. Eutelsat hatte bereits im Oktober 2016 nach der Intervention der türkischen Regierung die Ausstrahlung der kurdischen TV-Sender MedNuceTV und Newroz TV, die von Belgien bzw. Stockholm aus arbeiten, gestoppt. Das dürfe nicht wieder passieren. „Es geht darum, Pressefreiheit und Meinungspluralität zu schützen“, sagte Werneke mit Blick auf Eutelsat.

Terrorvorwurf gegen Mesale Tolu

Wie jetzt erst bekannt wurde, wurde die in Ulm geborene Journalistin Mesale Tolu in Istanbul verhaftet.

Nach Informationen der Tageszeitung „Neues Deutschland“ sollen Spezialeinheiten der Anti-Terror-Abteilung der Istanbuler Polizei am 30. April um 4.30 Uhr in die Wohnung der Deutschen eingedrungen sein, in der sie sich zu diesem Zeitpunkt allein mit ihrem zweieinhalbjährigen Sohn aufhielt. Tolus Ehemann, der ebenfalls Journalist ist, sitzt bereits seit knapp zwei Monaten im Gefängnis. Die mit Sturmhauben ausgestattete Spezialeinheit stürmte mit Sturmgewehren im Anschlag in die Wohnung und verwüstete sie. Mesale Tolu wurde in Polizeigewahrsam genommen. Ihr kleiner Sohn musste bei Verwandten unterkommen.

Am 6. Mai erließ ein türkischer Richter Haftbefehl. Seitdem sitzt die Journalistin in einem Istanbuler Frauengefängnis. Ihr wird – wie dem Welt-Reporter Deniz Yücel – „Terrorpropaganda“ vorgeworfen. Akteneinsicht erhielten bislang weder die Journalistin noch ihr Anwalt. Das Gericht soll sich bei Anordnung der Untersuchungshaft lediglich auf die Teilnahme Tolus an der Beerdigung zweier Polizeiopfer in Istanbul sowie an der Gedenkveranstaltung für eine durch den IS getötete Deutsche berufen haben.

Mesale Tolu lebt seit 2014 in der Türkei und arbeitet als Journalistin und Übersetzerin für die sozialistisch orientierte Nachrichtenagentur Etha. Zuvor war sie für den linken Regionalsender Özgür Radyo tätig, der von den Behörden geschlossen wurde. Mesale Tolu besitzt seit 2007 die deutsche Staatsbürgerschaft.


Kontakt zum Solidaritätskreis „Freiheit für Mesale Tolu“: www.facebook.com/FeiheitfuerMesale

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Buchtipp: Sprache des Kapitalismus

Über gendersensible Sprache läuft schon seit Jahren eine hochemotionale Debatte. In Bayerns Schulen, Hochschulen und Behörden gilt seit dem 1. April sogar ein Genderverbot. Über Begrifflichkeiten wie „steigende Preise“ oder Finanzkrisen, die wie ein „Tsunami“ über uns kommen, wird dagegen weniger gestritten. Sie beherrschen längst unser Denken und Sprechen, sind in unseren Alltag eingedrungen. Wer in diesem Wirtschaftssystem sozialisiert wurde, nutzt sie automatisch, ohne weiter darüber nachzudenken.
mehr »

Von Erbsensuppe und neuen Geschichten

„Vielfalt schützen, Freiheit sichern – 40 Jahre duale Medienordnung im föderalen Deutschland“. Dies war das Thema des Symposiums, das am 23.  April in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften stattfand. Ausrichter war die Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM).  Teilnehmer waren Verantwortliche aus Medienpolitik und -wissenschaft, Rundfunkregulierung und Medienunternehmen.
mehr »

Preis für behinderte Medienschaffende

Zum zweiten Mal schreibt in diesem Jahr die gewerkschaftsnahe Otto Brenner Stiftung zwei Preise und Stipendien für Journalist*innen mit Behinderung aus. Damit soll „ein klares Signal für die Förderung von Diversität als unverzichtbaren Wert in unserer demokratischen Gesellschaft“ gesetzt werden, sagt Jupp Legrand, Geschäftsführer der Stiftung. 
mehr »

Italien: Neun Jahre Haft für Recherche?

Drei Reporter*innen der italienischen Tageszeitung Domani müssen mit bis zu neun Jahren Gefängnis rechnen. Die Staatsanwaltschaft Perugia ermittelt gegen sie, weil sie vertrauliche Dokumente von einem Beamten angefordert und erhalten und das Geheimhaltungsprinzip der Ermittlungen verletzt haben sollen. Die dju-Bundesvorsitzende Tina Groll kritisierte, dass „hier investigative Berichterstattung über Mitglieder der italienischen Regierung unterdrückt werden soll."
mehr »