RBB: Neuer Anstrich ohne Vorwarnung

Fernsehzentrum und Haus des Rundfunks Berlin Foto: RBB/Gundula Krause

Die Ankündigung kam ohne Vorwarnung. Am 15. Februar erhielten die Redaktionen des RBB-Vorabendprogramms die Hiobsbotschaft: Zum Jahreswechsel 2021/22, so teilte Torsten Amarell, Leiter der so genannten „Contentbox Gesellschaft im RBB“ den konsternierten Mitarbeiter*innen mit, bekomme der Vorabend einen komplett neuen Anstrich. Die bewährten Sendungen „rbb um 6“ und „zibb -zuhause in Berlin und Brandenburg“ werden gestrichen. An ihre Stelle treten „90 Minuten live mit Nachrichten, Ratgeber und einem neuen Talk“.

Wir befinden uns immer noch in Schockstarre“, sagt eine langjährige „zibb“-Mitarbeiterin. Schon wenige Tage danach flatterten rund 75 festen freien Kolleg*innen entsprechende „Änderungsmitteilungen“ ihrer Verträge per Ende 2021 ins Haus. „Einfach so. Ohne Hinweis auf mögliche Ersatzarbeitsplätze oder alternative Beschäftigung.“ Für die allermeisten hätte dies wirtschaftlich katastrophale Auswirkungen. Und das mitten in der anhaltenden Corona-Krise.

Pläne kamen überraschend

Nach dem ersten Entsetzen macht sich unter den Betroffenen jetzt Wut breit. Es sei unwürdig, so mit Autor*innen und Redakteur*innen umzugehen, die seit Jahren mit ihren Beiträgen das Gesicht des Vorabends prägen, so das allgemeine Empfinden. „Uns wurde vorher nichts gesagt, nichts auch nur angedeutet.“ Niemand sei von den Plänen unterrichtet geschweige denn in die konzeptionellen Beratungen einbezogen worden, so die Klage.

Das neue Konzept klingt zunächst einschließlich des üblichen Management-Sprechs – nicht sonderlich innovativ. Es besteht laut „Contentbox“-Verantwortlichen aus einer 15minütigen Nachrichtenausgabe von rbb24, gefolgt von einem „crossmedialen Ratgeber-Format, woran sich „ein ebenfalls live produzierter regionaler Talk“ anschließen soll.

Worum es tatsächlich geht, erschließt sich unschwer aus den Worten von RBB-Programmdirektor Jan Schulte-Kellinghaus: „attraktiveres Programm bei geringerem Aufwand“. Insgesamt werde der Vorabend „fachlich fundierter und wir können ihn deutlich günstiger produzieren“. Wahr daran ist, dass in Sachen Inflationierung von Live und Talk-Einerlei zugunsten sorgfältig gebauter Beiträge engagierter Mitarbeiter*innen ein weiteres Kapitel aufgeschlagen wird. Aber „attraktiveres“ und „fachlich fundierteres“ Programm für weniger Geld? Klingt nach der Quadratur des Kreises und wird auch bei noch so häufiger Wiederholung nicht glaubwürdiger.

Bei einem Treffen der „zibb-Redaktion“ mit Schulte-Kellinghaus und Amarell am 24. Februar wurde zugesagt, in Einzelgesprächen die Möglichkeiten künftiger Mitarbeit auszuloten. Für Christoph Hölscher von der RBB-Freienvertretung klingt das bisher Durchgedrungene eher vage. „Wir werden die Verantwortlichen beim Wort nehmen“, sagt er. „Wir erwarten zumindest, dass durch eine faire Sozialauswahl Härtefälle vermieden werden“.

RBB-Freie erinnern sich an die noch nicht lange zurückliegende Debatte um das geliftete RBB-Kulturradio. Im Rahmen der dortigen Programmreform wurden speziell bewährte, aber personal- und rechercheintensive Formate gecancelt. Auch da habe es zunächst geheißen, der Sender werde sich darum bemühen, möglichst viele Betroffene anderweitig unterzubringen. „Tatsächlich gab es personell einen regelrechten Kahlschlag“, sagt Kamerafrau Marika Kavouras vom ver.di-Betriebsgruppenvorstand im RBB. Es müsse verhindert werden, „dass sich eine solche Entwicklung jetzt im RBB-Vorabendprogramm wiederholt“. Gewerkschaftssekretärin Kathlen Eggerling pflichtet ihr bei. Gerade ein öffentlich-rechtlicher Sender wie der RBB stehe in der „moralischen Verantwortung, seine Fürsorgepflicht gegenüber langjährigen freien Mitarbeiter*innen nicht zu vernachlässigen“.

Einsparen beim RBB

Das neue Vorabendschema ist nicht die einzige „Innovation“, die dem Sender Kosten sparen soll. Und sparen will der RBB, knapp 30 Millionen Euro allein in diesem Jahr. Da trifft es sich gut, dass In Berlin und Brandenburg derzeit die Novelle des RBB-Staatsvertrags debattiert wird. Darin geht es unter anderem auch um die Radio-Angebote des Metropolensenders. Bemerkenswert ist unter diesem Gesichtspunkt der offenbar kurzfristig modifizierte Paragraf 4 des Entwurfs, in dem unter anderem die Verbreitungswege des RBB-Hörfunks geregelt werden. Dort heißt es unter Absatz 2.4, dass fünf der insgesamt sieben Sender künftig auch „ausschließlich über das Internet verbreitet oder durch vergleichbare Angebote im Internet ersetzt werden“ können. Konkret betrifft dies die fünf Wellen Radioeins, Fritz, rbbKultur, Inforadio und Cosmo. Nur je ein Sender in Berlin und in Brandenburg – nach Lage der Dinge rbb 88,8 und Antenne Brandenburg – sollen weiterhin eine Garantie auf lineare Verbreitung, etwa über UKW, erhalten.

Dass die Entscheidung über die Art Verbreitung nicht dem Gutdünken der RRB-Geschäftsleitung obliegt, sondern einen Beschluss des Rundfunkrats erfordert, macht die Sache nicht besser. Entsprechend harsch fällt die Kritik von ver.di-Landesleiter Frank Wolf an den nach seiner Ansicht „intransparenten und gravierenden Änderungen“ im Staatsvertragsentwurf aus. „Angesichts der lückenhaften digitalen Versorgung insbesondere in Brandenburg, aber auch in Berlin“, so Wolf, „würde der RBB seinen öffentlich-rechtlichen Auftrag für seine Hörerinnen und Hörer nicht mehr erfüllen“. Zugleich befürchtet er auch personelle Konsequenzen und damit Auswirkungen auf die Programmqualität.

RBB-Intendantin Patricia Schlesinger wiegelt einstweilen ab. Vor dem Medienausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses versicherte sie nach einem Bericht des „Tagesspiegel“, es sei nicht geplant, Wellen abzuschalten. Es gehe vielmehr um ein „hybrides Programmmanagement“, das veränderten Nutzungsgewohnheiten Rechnung trage. Der RBB müsse zwei Pferde reiten, das digitale und das lineare. Demgegenüber bekräftigt ver.di die Forderung, „dass ausnahmslos alle RBB-Hörfunkprogramme weiter linear erreichbar sind“.

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