Verheerendes Signal an Freie im RBB

Portrait von Günter Herkel

Günter Herkel lebt in Berlin und arbeitet als freier Medienjournalist für Branchenmagazine in Print und Rundfunk.
Foto: Jan-Timo Schaube

Eine überfällige Reform droht zu scheitern. Gerade noch sah es so aus, als würde ein medienpolitischer und arbeitsrechtlicher Anachronismus im Rundfunk Berlin-Brandenburg endlich auf den Müllhaufen der Geschichte gekippt: Der Ausschluss der rund 1.500 arbeitnehmerähnlichen festen Freien von der betrieblichen Mitbestimmung. Der Entwurf des neuen RBB-Staatsvertrags sah vor, die Degradierung dieser Freien zu Beschäftigten zweiter Klasse endlich aufzuheben: durch ihre Einbeziehung in den Personalrat.

Bislang sind programmgestaltende Freie, ohne die in den Sendern nichts geht, arbeitsrechtlich einigermaßen nackt. Und das, obwohl sie vielfach auf festgelegten Arbeitsplätzen eingesetzt werden, zu definierten Arbeitsbedingungen, eingepasst in betriebliche Hierarchien inklusive Weisungsgebundenheit. Das alles ausgerechnet unter Verweis auf die Rundfunkfreiheit!

Die Ankündigung der beiden beteiligten Landesregierungen, das Verfahren zur Novellierung des Staatsvertrages auszusetzen, ist nach gemeinsamer Auffassung von ver.di und DJV „ein verheerendes Signal an die freien Mitarbeiter*innen, die in Zeiten großer Verunsicherung und unter erheblichem öffentlichen Druck die Kernaufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erfüllen“. Sie sollen wieder das Nachsehen haben, obwohl es längst nicht mehr um das „Ob“ geht, sondern allenfalls um das „Wie“.

Nun scheitert die Novellierung des Staatsvertrags an einer ganz anderen Frage: dem von der RBB-Geschäftsführung erwogenen Plan, bestehende analoge Radioprogramme wie etwa RadioEins, RadioFritz oder InfoRadio mittelfristig nur noch digital, also im Netz zu verbreiten. Eine umstrittene Idee, die nach dem Urteil von ver.di-Landesleiter Frank Wolf „angesichts der lückenhaften digitalen Versorgung“ in Teilen des Sendegebiets zu einer Gefährdung des öffentlich-rechtlichen Auftrags führen könnte. „Diesen Streitpunkt aus der aktuellen Novelle auszuklammern, kann dem RBB nur nutzen, nicht schaden“, urteilten daher die Mediengewerkschaften. Die lange versprochene Verbesserung für die Freien dürfe jedenfalls nicht als „Faustpfand im Machtspiel zwischen Regierungen und Parlamenten“ missbraucht werden.

Dass RBB-Intendantin Patricia Schlesinger jetzt auf der Jahrespressekonferenz des Metropolensenders die Absicht dementierte, lineare Radioprogramme zu verdrängen oder abzuschieben, erscheint da nur als schwacher Trost. Solange es UKW gebe, werde der RBB auf UKW bleiben, versicherte sie.

Mit der vorerst gestoppten Novellierung des Staatsvertrags wird auch die auf mehr Diversität abzielende Erweiterung des Rundfunkrats einstweilen auf Eis gelegt. Auch künftig dürften die Perspektiven zum Beispiel von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Queer (LGBTQ) sowie die von Behinderten im Rat nicht abgebildet werden.

Immerhin: Für die allermeisten von der Reform des Vorabendprogramms betroffenen Freien sieht der Sender „adäquate alternative Beschäftigungsangebote“. Nach Darstellung von Intendantin Schlesinger gebe es von den 75 freien „ZIBB“-Mitarbeiter*innen, denen „Änderungsmitteilungen“ ihrer Verträge per Ende 2021 ins Haus geflattert sind, weniger als zehn, für die noch keine Lösung gefunden sei. Man sei aber weiter im Gespräch. Sicher auch ein Ergebnis der kollektiven Proteste von Freienvertretung und Gewerkschaften.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Das Manifest für die Schublade

Schwein gehabt: Das „Manifest für einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland“, (meinungsvielfalt.jetzt) wurde weder ein Fest für die Freunde einer völlig verstrahlten medienpolitischen Debatte, noch eines für die Gegner des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus dem konservativen, neoliberalen und rechts-außen Lager. Ein paar Aufmerksamkeitszeilen in den Medienspalten der Zeitungen und wenige Interviews im Radio – das war’s. Glücklicherweise ist das Manifest fast schon wieder in der Versenkung verschwunden. Dort gehören diese Halbwahrheiten und unausgegorenen Neustartvisionen für meinen Geschmack auch hin.
mehr »

Schlaffe Tarifangebote bei der ARD

Programmeinschnitte, Sparmaßnahmen und minimale Tarifangebote der ARD. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di kritisiert die Haltung der Sender und kündigt Proteste an. Im Rahmen der Tarifverhandlungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk habe es zwar erste Angebote vom Bayerischen Rundfunk (BR) und vom Norddeutschen Rundfunk (NDR) gegeben. Die Angebote blieben aber laut ver.di weit hinter den berechtigten Forderungen der Mitglieder zurück. Sie liegen auch weit unter den Tarifabschlüssen anderer Branchen oder dem öffentlichen Dienst.
mehr »

Verwaltungsräte treten aus dem Schatten

Die Verwaltungsräte der Öffentlich-rechtlichen Sender sind mächtig. Sie überwachen und kontrollieren die Geschäftsführung des Intendanten oder der Intendantin, soweit es nicht um die inhaltliche Gestaltung des Programms geht. Außerdem legen sie den Haushaltsplan und den Jahresabschluss fest, kontrollieren die Beteiligung an Unternehmen und vieles mehr. Ihre Beschlüsse fassen sie nicht öffentlich.
mehr »

Das Ringen um die ÖRR-Finanzierung

Der finanzielle Spielraum von ARD, ZDF und Deutschlandradio schrumpft. Wie erwartet, empfiehlt die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) eine Erhöhung des monatlichen Rundfunkbeitrags ab 2025 um 58 Cent auf 18,94 Euro. Die von einigen Ministerpräsidenten geäußerten Forderungen nach Beitragsstabilität sieht die KEF angesichts der inflationären Entwicklung als übererfüllt an. Ver.di warnt vor weiterem Programmabbau und noch mehr Druck auf die Rundfunkbeschäftigen.
mehr »