„Lippe aktuell“ wird eingestellt

Ausschnitt der Titelseite von „Lippe aktuell“ vom November 2022 Screenshot: Red

Die Haltbarkeit verlegerischer Entscheidungen wird offenbar immer kürzer. Das in Bielefeld erscheinende „Westfalen-Blatt“ (Zeitungsgruppe Münsterland) hatte zusammen mit der in Detmold erscheinenden „Lippischen Landeszeitung“ (Verlag Max Giesdorf) im September letzten Jahres das traditionsreiche Anzeigenblatt „Lippe aktuell“ gekauft. In gemeinsamen Pressemitteilungen wurde eine perfekte Partnerschaft zelebriert. Nun wird bekannt: Das Gemeinschaftsunternehmen wird Ende 2022 im 36. Jahrgang eingestellt.

Die Gesellschafter des Blattes, das sind der Verlag Max Giesdorf (Lippische Landeszeitung) und das in Bielefeld erscheinende „Westfalen-Blatt“, das zur Zeitungsgruppe Münsterland (ZGM) gehört, bestätigten die Entscheidung auf Nachfrage. Die letzte Ausgabe wird am 31. Dezember erscheinen. In einem Schreiben an die Mitarbeiter*innen der Unternehmensgruppe Westfalen-Blatt hieß es zur Begründung, dass unter den gegebenen Rahmenbedingungen eine wirtschaftliche Perspektive nicht vorhanden sei. Konkret benannt wurden die massiven Kostensteigerungen in den Bereichen Zustellung (Mindestlohn) und Produktion (Papier, Energie) in Kombination mit stagnierenden Werbemarkterlösen.

Erst im September 2021 hatten die beiden Gesellschafter „Lippe aktuell“ von der Oppermann Druck- und Verlagsgesellschaft übernommen. Zuletzt erschien „Lippe aktuell“ mit einer Auflage von 133.000 Exemplaren am Samstag. Mit dem Kauf hatte sich eine Marktbereinigung ergeben. Der bisherige Mitbewerber, die „Lippischen Neuesten Nachrichten“ aus dem Hause der Lippischen-Landeszeitung, haben ihr Erscheinen zum Jahresende 2021 eingestellt. Der Druckauftrag für „Lippe aktuell“ ging an die Druckerei des Westfalen-Blatts in Bielefeld.

Wie viele Mitarbeiter*innen von der Einstellung von „Lippe aktuell“ betroffen sind, teilten die Gesellschafter nicht mit. Im Bereich der Redaktion habe das Blatt mit einem externen Dienstleister zusammengearbeitet. Was die Geschäftsstellenmitarbeiter*innen und die Mediaberater*innen betrifft, sei man derzeit in Gesprächen, sagte Gesellschafter Max Giedorf zu epd medien.

Die Einstellung von „Lippe aktuell“ sei eine unternehmerische Einzelfallentscheidung. Deswegen könne man nicht generalisierend von einer Krise der Anzeigenzeitungen insgesamt sprechen. Allerdings sei man „extrem abhängig“ von den Werbeentscheidungen des Handels. Da spüre man eine „hohe Unsicherheit“.

BVDA hofft auf staatliche Presseförderung

Im Betriebsrat vom Medienhaus Aschendorff in Münster, von wo aus der Kauf gesteuert wurde, schüttelt man derzeit ratlos die Köpfe. Eine der Fragen der Arbeitnehmervertreter: „Wie viel Verlust ist da gemacht worden, der eventuell an anderer Stelle wettgemacht werden muss?“ Leidtragende der Unternehmensentscheidung seien unter anderem die etwa 1000 Botinnen und Boten des Blattes und die Mitarbeiter*innen des Druckhauses des Westfalen-Blatts, wo Lippe aktuell gedruckt und weiterverarbeitet wurde. Münster ist Sitz der vom Medienhaus Aschendorff dominierten Westfälischen Medienholding (WMH), zu der das Westfalen-Blatt gehört.

Beim Bundesverband der Anzeigenblätter (BVDA) in Berlin setzt man derweil Hoffnungen in eine staatliche Presseförderung: „Die Corona-Pandemie und die jüngsten Preissteigerungen bei Papier und Energie stellen Werbekunden und in der Folge die Anzeigenblattbranche vor Herausforderungen“, sagt BVDA-Geschäftsführer Sebastian Schaeffer.

„Gerade in strukturschwachen Gebieten nehmen die kostenlosen Wochenzeitungen jedoch eine wichtige Rolle ein. Vor diesem Hintergrund setzt sich der Bundesverband Deutscher Anzeigenblätter seit Langem für eine Presseförderung ein, die die Versorgung der Menschen mit lokalen Informationen sichert und gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht.“ Der Fall von „Lippe aktuell“ und anderen Verlagen zeige einmal mehr, wie dringend notwendig eine entsprechende Förderung sei, so Schaeffer weiter.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

KI: Menschen wollen Regeln

Rund drei Viertel der Menschen in Deutschland sorgen sich einer Umfrage zufolge um die Glaubwürdigkeit der Medien, wenn Künstliche Intelligenz (KI) im Spiel ist. 90 Prozent der Befragten fordern dazu klare Regeln und Kennzeichnungen. Dies ergab eine am Mittwoch in Berlin veröffentlichte Studie der Medienanstalten. Für die repräsentative Erhebung "Transparenz-Check. Wahrnehmung von KI-Journalismus" wurden online 3.013 Internetnutzer*innen befragt.
mehr »

Lokaljournalismus: Die Wüste droht

Noch sei es nicht so weit, aber von einer "Steppe" könne man durchaus schon sprechen, sagt Christian Wellbrock von der Hamburg Media School. Wellbrock ist Leiter von "Wüstenradar", einer Studie, die zum ersten Mal die bundesweite Verbreitung und zahlenmäßige Entwicklung von Lokalzeitungen in den letzten 30 Jahren unter die Lupe genommen hat. Sie erhebt, wie stark der Rückgang lokaler Medien inzwischen tatsächlich ist und warnt: In etlichen Regionen droht tatsächlich die Verbreitung von "Nachrichtenwüsten".
mehr »

Altersdiskriminierung beim WDR?

Der WDR serviert freie Mitarbeiter*innen ab, die im Rentenalter für den Sender arbeiten wollen. Damit tut er genau das Gegenteil von dem, was in der öffentlichen Diskussion derzeit geraten wird. Während Angestellte sich also über Jahre hinweg auf einen Termin für ihren Ruhestand vorbereiten konnten, wird langjährigen freien Mitarbeiter*innen nun mit kurzer Frist mitgeteilt, wann für sie angeblich Schluss sein soll. Altersdiskriminierung will man beim WDR aber nicht erkennen – für den Sender gehe es vielmehr darum, jüngeren Mitarbeitenden nicht den Einstieg zu blockieren.
mehr »

Buchtipp: Das Prinzip Trotzdem

Wie könnte ein selbstbewusster Journalismus aussehen, der sich gegen die aktuelle Medienkrise zu behaupten weiß und sich auf seine zentrale Rolle für funktionierende demokratischen Gesellschaften besinnt? Roger de Weck war Zeit-Chefredakteur, Generaldirektor des Schweizer Radios und Fernsehens sowie Mitglied des Zukunftsrats für Reformen des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks in Deutschland. In seinem jüngst erschienenen Essay „Das Prinzip Trotzdem. Warum wir den Journalismus vor den Medien retten müssen“ beschäftigt er sich mit genau diesen Fragen.
mehr »