Überfälliger Rückzug gewollt inszeniert

Portrait von Günter Herkel

Günter Herkel lebt in Berlin und arbeitet als freier Medienjournalist für Branchenmagazine in Print und Rundfunk.
Foto: Jan-Timo Schaube

Meinung

Führungswechsel bei den Verlegern: Mathias Döpfner, Präsident des Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV), wird sein Amt „ab Herbst in geordneter Weise in neue Hände, vorzugsweise auch in neue Strukturen übergeben“. Hinter dieser geradezu staatsmännisch gehaltenen Mitteilung steckt der überfällige Rückzug eines Medienmanagers, der nach einer Kette von Skandalen selbst von seinen bisherigen Unterstützern nicht mehr zu halten war.

Angeschlagen war Springer-Vorstandschef Döpfner spätestens seit letztem Herbst. Damals hatte eine private Textnachricht die Runde gemacht, in der er Corona-Maßnahmen der Bundesregierung mit Praktiken des „DDR-Obrigkeitsstaates“ verglichen und das Gros deutscher Journalisten als „Propaganda-Assistenten“ diffamiert hatte. Doch hatte das BDZV-Präsidium dazu noch Milde walten lassen.

Enthüllungen der Financial Times Anfang 2022, wonach der Springer-Boss frühzeitig von Vorwürfen gegen den im vergangenen Oktober gefeuerten „Bild“-Chefredakteur und Döpfner-Vertrauten Julian Reichelt gewusst hatte, brachten das Fass zum Überlaufen. Erst trat Vizepräsident und Madsack-Chef Thomas Düffert aus Protest zurück, dann die kündigte die mächtige und beitragsstarke Funke-Gruppe den Austritt aus dem Verband an.

Seitdem rumorte es im BDZV, der es jedoch – wohl aus Furcht vor negativer Öffentlichkeitswirkung –  nicht schaffte, sich aus eigenem Antrieb von seinem umstrittenen Cheflobbyisten zu trennen. Für Entsetzen sorgte der Verleger, als er sich Anfang März auf der Website der „Bild“ in einem geharnischten Leitartikel für den sofortigen militärischen Eingriff der Nato in der Ukraine stark machte. Laut Döpfner die einzige Möglichkeit zur Verteidigung „unserer Werte und unserer Zukunft“, für den Rest der Branche schlicht: Kriegstreiberei.

Da fällt kaum noch ins Gewicht, dass seit Anfang Mai von der Frankfurter Goethe-Universität auch noch Plagiatsvorwürfe gegen den promovierten Musikwissenschaftler Döpfner geprüft werden. Die jetzt publizierte offizielle Begründung für seinen vorzeitigen Abschied vom Amt – unter anderem eine Arbeitsüberlastung wegen der Übernahme des US-Nachrichtenportals „Politico“ – klingt da reichlich vorgeschoben. Es gilt offenbar, einen gesichtswahrenden, „selbstbestimmten“ Abgang zu inszenieren.

Oft genug erschien der smarte Springer-Mann eher als Verfechter der Interessen seines Konzerns denn als ideeller Lobbyist der Gesamtbranche. Zum Beispiel beim Pressekartellrecht oder in den Auseinandersetzungen um ein neues Leistungsschutzrecht. Das Bedauern der mittleren oder kleineren Verlage über seinen Abschied dürfte sich daher in Grenzen halten.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Medienvielfalt in Sachsen schrumpft

Für viele war dieser Schritt bereits im Januar absehbar, als die Nachricht die Runde machte, die Sächsische Zeitung (SZ) solle dem Konzern Madsack einverleibt werden. Als der Medienriese mit Hauptsitz in Hannover schließlich im Mai alleiniger Eigentümer der Sächsischen Zeitung wurde, die zuvor der DDV-Mediengruppe gehörte, mit einer Auflage von immerhin noch knapp 150 000 Abonnent*innen, wurden die Befürchtungen konkret.
mehr »

Fiktion über Ostdeutschland

Viele Ostdeutsche beklagen, dass Filme und Serien nicht immer die tatsächliche Lebenswirklichkeit der Menschen im Osten wiedergeben. Denn ihre Geschichten werden oft von Leuten erzählt werden, die im Westen sozialisiert wurden. Dabei kommt es jedoch weniger darauf an, wer die Geschichten schreibt. Der Tonfall ist ausschlaggebend.
mehr »

Schlappe für Nancy Faeser

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat das vom Bundesinnenministerium (BMI) vor einem Monat exekutierte Verbot des rechtsextremistischen Magazins „Compact“ am 14. August im Eilverfahren ausgesetzt. Das BMI hatte sein Verbot damit begründet, dass die Compact Magazin GmbH ihre Medienerzeugnisse gezielt missbrauche, um verfassungsfeindliche Zielsetzungen reichweitenstark zu verbreiten.
mehr »

Partizipative Propaganda auf TikTok

In den sozialen Medien zeigt die AfD viel Präsenz. Im Bundestag nutzt keine Partei TikTok intensiver als sie. Aber auch auf Landesebene und im Lokalen haben die Rechten viel Reichweite. Wie sie junge Zielgruppen ansprechen und weshalb sie damit mehr Erfolg haben als andere Parteien erklärt Politologe und Kommunikationswissenschaftler Marcus Bösch im Gespräch mit M.
mehr »