Zu viel Geld für zu wenig Rechte

Der Vorsitzende Richter des ersten Senats beim Bundesgerichtshof, Wolfgang Büscher, sagte am 21. April 2016 bei der Verkündung des Urteils in Sachen Vogel ./. VG Wort: „Damit ist eine jahrzehntelange Praxis der VG Wort hinfällig geworden“ – ebenso übrigens die von Gema, VG Bildkunst und VG Musikedition. Ob das auch wirtschaftlich sinnvoll ist, ließ Büscher offen. Gravierend sind die Folgen gewiss.

Entschieden hat der BGH über die Beteiligung von Verlagen an den Ausschüttungen der VG Wort. Diese 1958 gemeinsam von Autoren und Verlagen gegründete Verwertungsgesellschaft verteilt seither nach festen Schlüsseln: 70 oder – bei wissenschaftlichen Werken – 50 Prozent an Autorinnen und Autoren, den Rest an Verlage. Nach Auffassung des BGH hat die VG Wort „mit der Wahrnehmung der ihr von Verlagen eingeräumten Rechte oder übertragenen Ansprüche“ aber keine „Einnahmen in einem Umfang erzielt, der es rechtfertigt, regelmäßig die Hälfte der Verteilungssumme an die Verleger auszuschütten“. Rechte am Werk können nämlich, so der BGH, nach Abschluss eines Wahrnehmungsvertrags nicht – noch einmal – den Verlagen eingeräumt werden. Auch Vergütungsansprüche gegen die VG Wort können erst abgetreten werden, nachdem sie entstanden sind, nicht aber im Voraus an Verlage. So „richtlinienkonform einschränkend“ versteht der BGH § 63a UrhG nach Vorgaben des EU-Rechts und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Konsequenz: Abtretungen und Rechteeinräumungen an Verlage dürften zumeist unwirksam sein, weil diese Vorgaben nicht eingehalten wurden. So ist es für den BGH „nicht ersichtlich“, dass Verlage Rechte in einem Umfang einbringen könnten, der den Verlagsanteil von 50 Prozent rechtfertigen könnte. Nur dieser Anteil stand im Streit, zu den 30 Prozent musste sich das Gericht nicht äußern. Die VG Wort steht damit vor der Herkulesaufgabe, die von Verlagen eingebrachten Rechte zu ermitteln. Auf dieser Basis sind neue Verteilungsverfahren für die Zukunft zu entwickeln und für die vergangenen vier Jahre eine Korrektur vorzunehmen. Darüber wird im September entschieden.

Für die Vergangenheit ist ein dreistelliger Millionenbetrag neu zu verteilen. Fraglich ist, ob das Geld bei den Autorinnen und Autoren ankommt. Die Idee, einfach Honorare zu kürzen, um die Einbußen für Verlage auszugleichen, geistert bereits herum. Auch die IT-Lobby Bitkom meint schon, man müsse neu über die „Urheberrechtsabgaben“ nachdenken. Das Spiel ist offen. Zu gewinnen wird es nicht sein, indem man kuriose „Himmel-Preise“ verleiht.

 

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