Mut zur Kontroverse

UFA-Geschäftsführer Nico Hofmann
Foto: UFA

UFA-Geschäftsführer und Filmproduzent Nico Hofmann plädiert für eine Debatte über Haltung und Verantwortung

In seiner Autobiografie „Mehr Haltung, bitte“ zieht UFA-Chef und Erfolgsproduzent Nico Hofmann eine Bilanz seines bisherigen Berufslebens und fordert die Gesellschaft auf, angesichts des aktuellen Rechtspopulismus weniger nach dem kleinen Konsens zu suchen, sondern Mut zur Kontroverse zu zeigen.

Herr Hofmann, Ihr Buch trägt den provokanten Titel „Mehr Haltung, bitte“. Als Produzent von aufsehenerregenden und viel diskutierten Fernsehproduktionen wie „Dresden“, „Die Flucht“ oder „Unsere Mütter, unsere Väter“ haben Sie diese Haltung bewiesen, aber können Sie das auch als Geschäftsführer eines Konzerns wie der UFA?

Nico Hofmann | Ganz bestimmt sogar, vor allem in der fachlichen Auseinandersetzung mit meinem Team. Die UFA ist in ihrer gesamten Ausprägung ein sehr stark an Inhalten orientiertes Unternehmen. Ich nehme nach wie vor an den Meetings teil, in denen wir unsere größeren Projekte verabreden, und bin immer wieder begeistert, mit welcher Genauigkeit und Leidenschaft die Kollegen darauf achten, was sie produzieren. Der intellektuelle Diskurs innerhalb der UFA hat ohne Frage zugenommen, und ich kann dafür sorgen, dass diese Haltungsdebatte in allen Abteilungen geführt wird. Aber das muss ich natürlich auch vorleben.

Die Flucht (2007) – zweiteiliger deutscher Fernsehfilm mit Maria Furtwängler in der Hauptrolle
Foto: UFA

Die UFA ist die bedeutendste deutsche Produk­tionsfirma, tritt öffentlich jedoch vergleichsweise demütig auf. Werden Sie daran etwas ändern?

Nicht an der Demut, wohl aber am politischen Auftritt. Es gibt viele Bereiche, in denen wir eine mora­lische Strahlkraft haben. Das Spektrum reicht von Themen, die in „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ bearbeitet werden, über das Auswahlverfahren der Kandidaten bei „Deutschland sucht den Superstar“ bis hin zu unseren aufwändigen Fernsehfilmproduktionen. Ob wir wollen oder nicht: Wir haben eine enorme Verantwortung. Das gilt auch innerhalb des Unternehmens. Der nächste Mitarbeitertag zum Beispiel dreht sich um die Themen Gleichstellung von Mann und Frau sowie Diversity, Vielfalt in jeder nur denkbaren Hinsicht. Es geht also genauso um innerbetriebliche Haltung.

In Ihrem Buch lässt sich sehr schön verfolgen, wie alle zehn bis fünfzehn Jahre ein neuer Lebensabschnitt beginnt: Erst waren sie erfolgreicher Regisseur, dann wurden Sie zum einflussreichsten deutschen Produzenten. Als Konzernchef der UFA haben Sie den Gipfel erreicht, mehr geht in der Medienlandschaft vermutlich nicht. Folgt als Nächstes der Wechsel in die Politik?

Ich habe kürzlich im Mannheimer Nationaltheater eine Rede vor 800 Besuchern gehalten. Anschließend haben mir alle möglichen Parteien angeboten, für die nächste Bürgermeisterwahl zu kandidieren. Aber Politik bedeutet ständige Präsenz und permanente Durchlässigkeit, dafür muss man gemacht sein; zumindest zum jetzigen Zeitpunkt wäre ich dafür nicht der Richtige. Lokales Engagement wie beispielsweise bei den Nibelungen-Festspielen in Worms, wo ich mich ständig mit dem Stadtrat und dem Freundeskreis der Festspiele auseinandersetzen muss, bereitet mir allerdings großes Vergnügen, weil man erst in einem Mikrokosmos versteht, wie gesellschaftliches Leben in der Kommune funktioniert. Das ist Demokratie an der Basis und extrem spannend. Aber angesichts des täglichen Wettkampfs in der Politik fühle ich mich im Fernsehbereich besser aufgehoben.

Was können Sie über Ihre Arbeit als Konzernchef hinaus bewirken, um Ihre Werte weiterzugeben?

Mein wichtigstes Modul in dieser Hinsicht ist die Filmakademie Baden-Württemberg. Das verschafft mir neben der UFA auch die größte Befriedigung. Ich lehre dort jetzt seit über 25 Jahren und bin wirklich stolz und zutiefst beeindruckt von den vielen Männern und Frauen, die bei mir ihr Diplom gemacht haben. Das Unterrichten und die Auseinandersetzung mit immer wieder neuen Generationen liegen mir viel näher als aktive Politik. Darüber hinaus engagiere ich mich in verschiedenen Stiftungen, nicht zu vergessen der Nachwuchswettbewerb First Steps.

Wie ist das mit der Nachwuchspflege im eigenen Haus?

Ich werde Ende nächsten Jahres sechzig, da denkt man natürlich anders über das Leben nach als mit dreißig oder vierzig; deshalb ist die Nachwuchspflege auch bei uns ein großes Thema. Wir haben ein tolles und sehr stabiles Mittelfeld mit Kolleginnen und Kollegen Mitte vierzig, aber wir fördern auch sehr stark die 25-Jährigen. Über allem, ganz gleich, ob an der Filmakademie oder bei der UFA, muss aber die Gewissheit stehen: Nachwuchspflege kann nur dann funktionieren, wenn man nicht nur akzeptiert, sondern sich zum Ziel setzt, dass die geförderten Talente am Ende stärker sind als man selbst.

Sie haben mit anspruchsvollen Stoffen Zuschauerzahlen in zweistelliger Millionenhöhe erreicht. Wird das angesichts der Fragmentierung nicht nur des Fernsehmarktes, sondern der ganzen Medienlandschaft in Zukunft überhaupt noch möglich sein?

Ich betrachte diese Entwicklung unter anderem dank der positiven Erfahrungen mit dem ZDF-Mehrteiler „Ku’damm 59“ sehr gelassen: Die drei Filme sind im linearen Fernsehen pro Folge mit knapp 6 Millionen Zuschauern gelaufen, dazu kamen Abrufe in der Mediathek des ZDF, die im Schnitt bei jeweils 1,6 bis 1,8 Millionen lagen; das sind Zahlen, über die man bei Netflix oder Amazon jubeln würde. Die Fragmentierung wird sicher noch zunehmen, wie die Entwicklung auf dem amerikanischen Markt zeigt, aber unser öffentlich-rechtlicher Rundfunk beweist immer wieder große Stärke; auch deshalb schaue ich sehr zuversichtlich in die Zukunft.

Ihre zeithistorischen Produktionen hatten ein Gesamtpublikum von weit über 100 Millionen Zuschauern. Trotzdem schreiben sie in Ihrem Buch: „Am Ende sind es auch nur Filme.“ Was meinen Sie damit?

In der Palette all dessen, was auf Menschen einwirken kann, ist das Fernsehen nur eine von vielen Möglichkeiten. Ich betrachte Theater, Literatur oder die Tageszeitungen als genauso wichtig. Ein Film kann ein Dominostein sein, der eine gesellschaftliche Debatte auslöst, aber es gibt auch noch viele andere Quellen, aus denen die Menschen Informationen schöpfen können. Deshalb fand ich es besonders absurd, dass mir vor fünf Jahren nach „Unsere Mütter, unsere Väter“ nicht nur von TV-Kritikern, sondern auch von Historikern vorgeworfen wurde, unsere Produktion hätte revisionistische und nationalistische Tendenzen.

Sie sind vermutlich der einzige Produzent, der für seine Arbeit auch persönlich angegangen wird; „Volkspädagoge“ ist da noch eine der freundlicheren Bezeichnungen. Wie gehen Sie damit um?

Heute jedenfalls souveräner als damals. Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass „Unsere Mütter, unsere Väter“ stark durch die Geschichte meiner eigenen Familie geprägt worden ist, deshalb habe ich sehr dünnhäutig auf diese Kritik reagiert. Der Vorwurf, ich hätte den Boden für eine reaktionäre Denkweise bereitet, hat mich besonders schockiert, weil der Film ja für eine ganz entgegengesetzte Weltsicht steht.

Ist es nicht Ironie des Schicksals, dass Sie heute ausgerechnet den Konzern leiten, der in der Zeit des Nationalsozialismus mit Machwerken wie „Jud Süß“ oder Durchhaltefilmen wie „Kolberg“ für die filmische Propaganda verantwortlich war.

Als ich Mitte der Achtziger meine ersten Filme gedreht habe, hätte ich jedenfalls nicht im Traum daran gedacht, gut dreißig Jahre später die UFA zu leiten. Wir haben uns im letzten Jahr anlässlich des hundertjährigen Bestehens der Firma intensiv mit der Firmengeschichte befasst, und ich bin froh, dass wir sie sehr sorgfältig aufgearbeitet haben. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat in seiner Rede bei der Jubiläumsfeier ebenfalls auf diese Entwicklung hinge­wiesen: Die UFA steht für die Filme, die zur Zeit des Nationalsozialismus entstanden sind, aber eben auch für Produktionen wie „Unsere Mütter, unsere Väter“. Und natürlich habe ich die Hoffnung, dass meine Arbeit auch weiterhin didaktisch wirkt; da lasse ich mich zur Not auch gern als „Volkspädagoge“ bezeichnen.

Mehr Haltung, bitte!“

In seiner im Verlag C. Bertelsmann erschienenen Autobiografie „Mehr Haltung, bitte! Wozu uns unsere Geschichte verpflichtet“ erläutert der UFA-Chef anhand seines Werdegangs als Regisseur und Produzent, wie die Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte zu seinem großen Lebensthema geworden ist. Sein „Erweckungserlebnis“ war die US-Serie „Holocaust – Die Geschichte der Familie Weiss“ (1978), die ihn als Jugendlichen „mit voller Wucht“ getroffen habe. Erst als Produzent ist ihm jedoch gelungen, was ihm schon bei seinen frühen Filmen vorschwebte: Zeitgeschichte so emotional zu erzählen, dass sich ein möglichst großes Publikum angesprochen fühlt.
Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 2018, 240 Seiten, 20 Euro (inkl. Mwst.), ISBN: 978-3-570-10305-0


Zur Person

Nico Hofmann (58), aufgewachsen in Mannheim, galt dank Filmen wie „Land der Väter, Land der Söhne“ (1988), „Der Sandmann“ (Grimme-Preis 1996) oder „Solo für Klarinette“ (1998) als einer der wichtigsten deutschen Regisseure, als er 1998 unter dem Dach der UFA die Firma teamWorx gründete und fortan nur noch als Produzent tätig war.

Für seine Mehrteiler, aber auch eine große Zahl von Einzelstücken wurde teamWorx mehrfach ausgezeichnet. Im September 2017 wurde Hofmann alleiniger Geschäftsführer der UFA. Er ist seit 1995 Professor für den Fachbereich Szenischer Film an der Filmakademie Ludwigsburg.

2006 wurde er für seine Verdienste um den Fernsehfilm mit dem Hans Abich Preis geehrt, 2009 erhielt er die Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg.    tpg

 

 

 

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