Das Ärgste konnte verhindert werden

Urheberrechtsreform: Zweiter Korb gepackt, den dritten beauftragt

Der Zweite Korb ist gepackt, ein dritter in Auftrag gegeben. Wer sich auf einem Markt wähnt, liegt nicht völlig daneben. Zumindest der IT-Industrieverband Bitkom versuchte sich im Basarhandel und bot zur diesjährigen CeBIT 50 Millionen Euro, wenn der Regierungsentwurf für ein „Zweites Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft“ unverändert vom Parlament durch gewunken würde.

Vergeblich. Selbst bei Bundesjustizministerin Zypries löste die Koofmich-Offerte – ob der geringen Höhe – leises Kopfschütteln aus, bei den maßgeblichen Berichterstattern des Bundestagsrechtsausschusses, Günter Krings (CDU) und Dirk Manzewski (SPD), offen geäußerte Empörung.
Dabei hatte die Lobbyarbeit der IT-Konzerne so erfolgreich begonnen. Auf der Cebit 2005 versprach der damalige Bundeskanzler Schröder der Bitkom, die Geräteabgaben auf fünf Prozent des Verkaufspreises zu begrenzen. Seine Justizministerin wollte sein Versprechen auch nach der Neuwahl noch einlösen.
Folglich sah der Regierungsentwurf zum Zweiten Korb vom März 2006 vor, die Vergütungen, die Urheber als Ausgleich für private Kopien ihrer Werke beim Verkauf neuer Kopiergeräte und Speichermedien erhalten, drastisch abzusenken – nach Schätzungen um bis zu 80 Prozent.

Entscheidungen des Bundesgerichtshofes erwartet

Bei der Auseinandersetzung geht es um eine Menge Geld. So nahm die Verwertungsgesellschaft Wort 2006 rund 28,6 Millionen Euro aus der Kopiergeräteabgabe ein. Davon profitierten 110.528 Autoren und 3.488 Verlage. Dabei unberücksichtigt sind Abgaben für die heute gebräuchlichsten Kopiergeräte: PC, Drucker und Multifunktionsgeräte. Hier stehen höchstrichterliche Entscheidungen des Bundesgerichtshofs an. Allein für die Vergangenheit geht es um eine dreistellige Millionensumme – was die Lobbyarbeit der Geräteindustrie erklärt.
Doch blieb diese letztlich nahezu erfolglos. Aus dem am 5. Juli vom Bundestag beschlossenen Gesetz, das zum 1. Januar 2008 in Kraft treten soll, wurden ihre zwei zentralen Punkte wieder gestrichen: die Deckelung der Vergütung auf fünf Prozent des Gerätepreises und eine Freistellung für Geräte, auf denen nicht mindestens zu zehn Prozent urheberrechtlich Relevantes vervielfältigt wird.

Wichtiger Erfolg der Kreativen

Dies ist ein wichtiger Erfolg der Kreativen, die sich für ihre Rechte eingesetzt haben, von ver.di, anderen Urheberverbänden und den Verwertungsgesellschaften nach vier Jahren heftigen Ringens um die Urheberrechtsreform.
Allerdings beinhaltet der Gesetzesbeschluss einen „Paradigmenwechsel“. Bisher wurden die Pauschalvergütungen vom Gesetzgeber festgelegt, künftig sollen sie allein zwischen Geräteherstellern und Verwertungsgesellschaften verhandelt und vereinbart werden. Ein größeres Handicap angesichts ständig sinkender Gerätepreise ist die gesetzliche Festlegung, dass die Urhebervergütung „in einem wirtschaftlich angemessenen Verhältnis zum Preisniveau des Geräts oder des Speichermediums stehen“ muss. Drucker kosten heute oft schon weniger als eine Tonerpatrone, an der kräftig verdient wird.
In der zweiten zentralen Frage der Urheberrechtsreform trifft es die Kreativen allerdings weit ärger. § 31 Abs. 4 UrhG, der Vereinbarungen über unbekannte Nutzungsarten unmöglich macht, wurde gestrichen. Diese Schutzvorschrift hat bisher verhindert, dass Urheber zu einem Buyout auch für solche Nutzungen ihrer Werke gezwungen werden konnten, die bei Vertragsabschluss noch gar nicht bekannt oder gebräuchlich waren – wie vor 1995 das Internet. Künftig sind solche Verträge möglich. Zwar muss ein Verwerter dem Urheber die neuartige Werknutzung mitteilen und der Urheber hat ein dreimonatiges Widerrufsrecht, doch ob er wirklich die ihm zustehende „angemessene Vergütung“ dafür erreichen kann, ist fraglich. Filmurhebern hat man in der Gesetzesnovelle selbst das Widerrufsrecht vorenthalten.
Durch eine Übergangsvorschrift (§ 137l UrhG) werden die Rechte an unbekannten Nutzungsarten sogar rückwirkend ab 1966 an die Inhaber der wesentlichen ausschließlichen Nutzungsrechte übertragen. Urheber können den zwischenzeitlich bekannten Nutzungen nur innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten des Gesetzes, also wohl bis zum 31. Dezember 2008, widersprechen.
Der Vergütungsanspruch hierfür kann nur durch eine Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden. Diese werden für Urheber künftig also noch wichtiger. Kreative sollten spätestens jetzt einen Wahrnehmungsvertrag abschließen – und Sorge dafür tragen, dass ihre Anschrift bei ihrer VG auf dem aktuellen Stand ist.

Weiteres Engagement notwendig

Zudem wird weiteres Engagement für ihr Urheberrecht auch künftig nötig sein. Ein Dritter Korb der Urheberrechtsreform wurde vom Bundestag per Entschließung in Auftrag gegeben. Hier soll es insbesondere um die Kabelweitersendung und das Urheberrecht im Bereich von Wissenschaft und Bildung gehen.

 
nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Österreich: Gefahr für die Pressefreiheit

In Österreich ist die extrem rechte FPÖ bei den Nationalratswahlen stärkste Kraft geworden. Noch ist keine zukünftige Koalition etabliert. Luis Paulitsch erklärt im Interview, welche Entwicklungen in der österreichischen Medienlandschaft zu erwarten sind, sollten die FPÖ und ihr Spitzenkandidat Herbert Kickl an der Regierung beteiligt werden. Paulitsch ist Jurist, Zeithistoriker und Medienethiker. Von 2019 bis 2024 war er Referent des Österreichischen Presserats, dem Selbstkontrollorgan der österreichischen Printmedien;  seit 2024 bei der Datum Stiftung für Journalismus und Demokratie.
mehr »

KI beinflusst Vielfalt in den Medien

Künstliche Intelligenz kann journalistische Texte in verschiedene Sprachen übersetzen und damit viel mehr Nutzer*innen ansprechen. Gleichzeitig kann sie aber auch Stereotype, die in diesen Texten enthalten sind, verfestigen. Gefahren und Chancen von KI-Anwendungen im Journalismus standen im Fokus der diesjährigen NxMedienkonferenz der Neuen deutschen Medienmacher*innen (NdM), die sich für mehr Vielfalt in den Medien einsetzen.
mehr »

ARD & ZDF legen Verfassungsbeschwerde ein

Nachdem die Ministerpräsident*innen auf ihrer Jahreskonferenz Ende Oktober keinen Beschluss zur Anpassung des Rundfunkbeitrags ab 2025 fassten, haben heute ARD und ZDF Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingelegt. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di begrüßt die Initiative.
mehr »

AfD als Social Media Partei überschätzt

Eng vernetzt mit dem extrem- und neurechten Vorfeld und gezielt provozierend mit rassistischem Content: Die Landtagswahlkämpfe der AfD in Sachsen, Thüringen und Brandenburg waren von einer hohen Mobilisierung geprägt, auch über die sozialen Medien. Eine aktuelle Studie der Otto Brenner Stiftung (OBS) in Frankfurt am Main zeigt nun aber: die Auftritte der AfD auf Social Media sind weit weniger professionell als zuletzt häufig kolportiert und es gibt deutliche regionale Unterschiede.
mehr »