Zapp und nichts weiter oder das Elend der Medienkritik
Um den Medienjournalismus ist es in diesem Lande nicht eben gut bestellt. In vielen Printmedien befindet er sich auf dem Rückzug. Den Verlagen dient er mitunter als bequeme Manövriermasse. Die Pressekonzentration trägt dazu bei, die Vielfalt der medienkritischen Stimmen einzudämmen.
Wo ein Autorenpool mehrere Blätter eines Verlages bedient, macht sich gern publizistische Einfalt breit. Auch fördert die Verflechtung großer Häuser untereinander nicht gerade die Bereitschaft, über die großen und kleinen Sauereien in der Branche zu berichten.
In den elektronischen Medien erscheint die Situation nicht besser. Zwar leistet sich etwa die Hälfte der ARD-Anstalten ein Magazin, das sich kritisch mit der Entwicklung in Print-, Funk- und Online-Medien beschäftigt. Die Rede ist hier vom Hörfunk. Im Fernsehen sind die Anstalten weniger mutig. Soeben feierte „Zapp“, das Medienmagazin des Norddeutschen Rundfunks, seinen 10. Geburtstag. Aber „Zapp“ ist ein Solitär in der deutschen TV-Landschaft. Das ProSieben-Format „Switch Reloaded“ zählt in diesem Kontext nicht, da es sich auf Parodien besonders dämlicher TV-Produktionen beschränkt. Gemessen daran, dass das Fernsehen immer noch als gesellschaftliches „Leitmedium“ gilt, ein unbefriedigender, ja beschämender Zustand.
„Medienseiten und Mediensendungen“, so urteilte unlängst Hans-Jürgen Jakobs, der langjährige Chef des Medienressorts der Süddeutschen Zeitung, „gehören zur guten Unternehmenskultur von Verlagen und Sendern“. Der Medienjournalismus sei notwendig, weil er helfe, die Qualität der Medien zu sichern. Zudem sei er „ein wichtiger Teil der Selbstkontrolle der Branche“.
„Zapp“ läuft mittwochs nach 23 Uhr, verantwortet vom NDR, und wird in 3sat und zwei Digitalprogrammen wiederholt. Während der Fußball-Europameisterschaft 2008 sowie Ende 2009 verirrten sich einige Ausgaben der Sendung sogar ins Erste. Zu mehr experimentellem Mut reichte es bei den ARD-Programmgewaltigen aber nicht. Natürlich ist „Zapp“ eine Spezialsendung für ein überdurchschnittlich an Medienthemen interessiertes Publikum, mithin kein Quotenrenner. Dabei bietet die Sendung ein Spektrum, das in der Summe vieler Minderheiteninteressen durchaus mehrheitsfähig sein könnte. Einige Themen im September: der Medienhype um Bettina Wulffs Autobiografie, das Porträt eines rechtsorientieren Verlags, Behindertenklischees in den Medien, Zwangsverträge für Fotografen, PR-Einträge bei Wikipedia.
In seinen besten Beiträgen liefert „Zapp“ dem Publikum wertvolle Nachhilfe in Sachen Medienkompetenz. Am „Fall“ der Gattin des kurzzeitigen Bundespräsidenten Wulff demonstrierte das Magazin, wie die mediale Gerüchteküche funktioniert, wie selbst angesehene Medien und Sendungen offenbar der Versuchung nicht widerstehen konnten, mit dunklen Andeutungen den Ruf der damaligen First Lady Deutschlands zu schädigen. Das Beispiel belegt zugleich, warum „Zapp“ eine Menge Feinde hat, selbst im eigenen Haus. Denn nicht jeder ARD-Verantwortliche findet es gut, wenn über Fehlleistungen aus den eigenen Reihen berichtet wird. So mancher öffentlich-rechtliche Rundfunkmanager hält diese Art von selbstkritischer Medienschau für Nestbeschmutzung.
Diese Erfahrungen machte schon die Redaktion eines „Zapp“-Vorläufers. Von 1972 bis 1979 lief – anders als „Zapp“ – von vornherein im Ersten das medienkritische, vom Westdeutschen Rundfunk verantwortete Magazin „Glashaus – TV intern“. Der Anspruch, gelegentlich hinter die Kulissen der eigenen, immerhin öffentlich-rechtlichen Anstalt zu blicken, traf früh auf den erbitterten Widerstand diverser regionaler Programmdirektoren. „Glashaus“ so wetterte seinerzeit ein TV-Direktor, sei „das Instrument einer Fraktion im proramminternen Bürgerkrieg, und die Gegenpartei ist machtlos“. Den Machern wurde der Rat erteilt, sich doch bitte auf die Sauereien bei den Großverlagen zu beschränken. Ernsthafte Konkurrenz im Bereich der elektronischen Medien gab es damals noch nicht, obgleich die Kommerzfunkinteressenten bereits vernehmlich mit den Hufen scharrten. Der Gegenwind aus einzelnen Anstalten wurde schließlich so stark, dass das Programm sang- und klanglos eingestellt wurde. Das half zumindest Peinlichkeiten zu vermeiden, wie sie im Umfeld von Dieter Hildebrandts Satireleiste „Scheibenwischer“ passierten. Aus dieser gelegentlich recht CSU-kritischen ARD-Sendung klinkten sich die Bayern einige Male einfach aus.
Ohnehin steht Medienjournalismus gemeinhin „unter dem Generalverdacht, parteiisch zu sein – nett zu den Freunden, gemein zu den anderen“ (Jakobs). Aber zur Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Programmauftrags gehört eben auch, sich kritisch um finstere Machenschaften der schwarzen Schafe in der eigenen Familie, in den einzelnen Landesrundfunkanstalten zu kümmern. Davon gab es in der Vergangenheit einige. Erinnert sei an korrupte Sportredakteure wie Emig und Mohren, betrügerische Fernsehspielgrößen wie Heinze, Unterschlagungen beim KIKA, an Fälle von Schleichwerbung wie „Marienhof“ oder fragwürdige Sponsorenpartnerschaften, wie sie die ARD eine Zeitlang mit dem Radrennstall der Telekom pflegte.
Die meisten dieser Skandale wurden von „Zapp“ kritisch unter die Lupe genommen. Souveräne Rundfunkmanager müssten diese Art der Selbstreinigung eigentlich begrüßen. Die Wirklichkeit sah und sieht oft anders aus. Allzu viel Fremdeinblick in die Sender-Innereien ist manchen Anstaltsoberen nicht geheuer. Dabei lässt sich im Internetzeitalter kaum noch etwas vertuschen. „Viele Qualitätsmedien“, urteilte schon vor einiger Zeit der Medienjournalist und „bildblog“-Erfinder Stefan Niggemeier, „haben noch nicht erkannt, wie wichtig Transparenz ist, jetzt, wo die Leser schnell an viele Informationen kommen und sich selbst ein Urteil bilden können.“ In diesem Sinne: Herzliche Glückwunsche für „Zapp“, auf die nächsten 10 Jahre!