SZ-Streik macht sich bemerkbar

Foto: Jessy Asmus

Mit Plakaten, Sirenen und deutlichen Forderungen läuteten 120 Redakteur*innen der Süddeutschen Zeitung am Dienstag den dritten Streiktag in München ein. Im Zentrum der Kritik: Ein Angebot der Arbeitgeber, das die inflationsbedingten Reallohnverluste kaum abfängt – und vor allem Berufseinsteiger*innen hart treffen würde.

Ausgestattet mit Plakaten und Handsirenen haben am Dienstagmorgen zahlreiche Redakteur*innen der Süddeutschen Zeitung ihren Frust über die aktuellen Tarifverhandlungen ausgedrückt. Es war der dritte Streiktag für die Mitglieder der Gewerkschaft ver.di und das erste Mal, dass auch der DJV zum Streik aufgerufen hatte. Für 48 Stunden soll bei der SZ die Arbeit niedergelegt werden. Im Streiklokal hatten sich am Dienstag 120 Redakteur*innen versammelt, viele streikten von zu Hause.

Der Streik wirkte sich einen Tag nach der Amtseinführung des neuen amerikanischen Präsidenten Donald Trump massiv auf die Berichterstattung der Süddeutschen Zeitung aus. Sowohl in der gedruckten Ausgabe als auch auf allen digitalen Kanälen: Nachrichtenpodcasts und Newsletter werden ersatzlos ausfallen. Die SZ-Homepage, der wichtigste Ausspiel-Kanal der Zeitung in der digitalen Welt, steht nahezu still. „Das ist das genau das Signal, das von einem Arbeitskampf ausgehen muss“, sagt Martin Mühlfenzl, Sprecher der Verdi-Betriebsgruppe innerhalb der SZ.

Gravierende Auswirkungen auf das Hauptblatt

„Normalerweise sind die Auswirkungen leider überschaubar, wenn Redakteurinnen und Redakteure alleine streiken“, so der dju-Landesvorsitzende Franz Kotteder, der selbst SZ-Redakteur ist. „Jetzt ist das anders. Erstmals in der Geschichte der SZ hat ein Streik der Redaktion auch gravierende Auswirkungen auf das Hauptblatt, das am Donnerstag nur mit 16 Seiten statt der geplanten 24 Seiten erscheint. Das ist die deutliche Antwort der Beschäftigten auf ein sogenanntes Angebot der Verleger, das auch von einem schlechten Comedian stammen könnte und die seit fast drei Jahren anhaltende Inflation und Teuerung komplett ignoriert.“

Schlechte Bedingungen für den Berufseinstieg bei der SZ

Besonders viele junge Menschen haben sich am Dienstag vor dem Hochhaus versammelt. “Für Berufseinsteiger*innen ist die Situation besonders schwierig”, erklärt die Volontärin Vivien Götz. “Junge Kolleg*innen bekommen nur selten übertarifliche Zulagen und in vergangenen Tarifrunden wurde vor allem bei neuen Verträgen mit wenigen Berufsjahren gespart.”

Auch Leonard Scharfenberg ist verärgert: “Es ist mir wichtig, als junger Redakteur zu zeigen: Die Pläne der Verleger gehen nicht auf.” Der 25-Jährige hat sein Volontariat gerade abgeschlossen und arbeitet im Bereich digitales Storytelling. “Die SZ hat wie viele andere Zeitungshäuser eine große Transformation vor sich. Die wird sie ohne junge Kolleginnen und Kollegen nicht hinbekommen. Wenn aber die Gehälter faktisch sinken und die Gehaltssteigerung nach Berufsjahren sogar ganz aufgelöst wird, während das Leben und das Wohnen rapide teurer werden, dann hilft aller Idealismus nichts mehr, dann ist dieser Beruf schlicht nicht mehr attraktiv.”

Beteiligung bei KI wird gefordert

Ver.di fordert eine schnellstmögliche Erhöhung der Gehälter um zwölf Prozent bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Außerdem sollen Redakteur*innen an Effizienzerlösen durch den Einsatz generativer KI-Systeme beteiligt werden. Der Arbeitgeber hatte im Dezember erstmals ein Angebot vorgelegt: 120 Euro von Januar 2025 an, 1,5 Prozent von August 2026 an und 1,0 Prozent im Jahr 2027, bei in einer Laufzeit bis Ende 2027. Die Verhandlungskommission von dju in ver.di hatte das deutlich abgelehnt. Die Entwicklung der Gehälter würde die inflationsbedingten Reallohnverluste der vergangenen Jahre nicht ansatzweise ausgleichen.

Ver.di kritisiert zudem, dass der Arbeitgeber die Gehaltssteigerungen nach Berufsjahren de facto abschaffen will. Bisher wächst das Tarifgehalt automatisch mit der Anzahl der Berufsjahre in mehreren Stufen, erstmals ab dem 5. Berufsjahr. Das will der Arbeitgeber künftig ändern. Demnach soll den Redakteur*innen diese Gehaltssteigerungen nur noch dann zustehen, wenn sie zusätzlich eine Weiterbildung vorweisen können. Thematisch will man diese vorgeben, ansonsten sollen die Redakteur*innen sie selbst und auf eigene Kosten organisieren. Dass der Verlag sich finanziell daran beteiligt oder die Mitarbeitenden dafür freistellt, ist nicht vorgesehen.

Eingruppierung fraglich

Wer Leistungsaufgaben übernimmt, soll zudem nicht mehr automatisch tariflich höhergruppiert werden, sondern müsste der Arbeitgeberin Zulagen künftig einzeln abringen. Außerdem sollen Vorbeschäftigungszeiten nach Vorstellung des BDZV nur noch aus Zeitungsberufsjahren angerechnet werden. Erfahrungen aus anderen Medien wie Rundfunk, Agenturen oder Zeitschriftenverlage würden dann nur in Ausnahmen anerkannt.

“Was die Arbeitgeber bis jetzt vorgelegt haben, ist ein Witz”, sagt Martin Mühlfenzl im Streiklokal.

Auch er betont die Bedeutung der Verhandlungen für die jungen Kolleg*innen: “Wir müssen wirklich was bewegen, damit die Jungen, die bei der SZ arbeiten möchten, auch in München leben können.”

Die Verhandlungen um einen Flächentarifvertrag seien überregional bedeutend, sagt Juri Auel, Redakteur am Newsdesk. Die Streiks hätten eine hohe Strahlkraft: “Die SZ ist die Speerspitze, auf uns wird gerade geblickt.” Er wünscht sich, dass beide Gewerkschaften Stärke zeigen und gemeinsam verhandeln. Ein Wunsch, den Harald Stocker, Landesvorsitzender des DJV Bayern, sofort aufgriff: “Wir werden gemeinsam abschließen, da stehe ich im Wort”, versprach er den Streikenden.


Die Verhandlungen gehen am 28. Januar in Düsseldorf weiter.

 

 

 

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