Themen, die im Wahlkampf fehlten

Weltkugel auf einer Tastatur

Foto: fotolia/Thomas

Die Bundestagswahl ist gelaufen, die Debatte eilt weiter. Eine Analyse des Netzwerks European Journalist Observatory (EJO) hat den bundesdeutschen Wahlkampf entlang der marktführenden TV-Duelle und Diskussionsrunden ausgewertet, an denen führende Politiker*innen der größeren zur Wahl angetretenen Parteien beteiligt waren. Sie zeigt: Themen, die den Rest der Welt betreffen, Ereignisse, die ausserhalb eines innenpolitischen Fokusses liegen, spielten im Wahlkampf so gut wie keine Rolle.

TV-Debatten genießen in Demokratien in der Regel großes Interesse. Auch in Deutschland erreichen die Aufeinandertreffen von Regierungsvertretern und Herausforderern teilweise sehr hohe Zuschauerzahlen. Sie haben damit einen Einfluss auf die politische Meinungsbildung.

Ausgewertet wurden in der EJO-Untersuchung ein Dutzend reichweitenstarke Wahlsendungen im Zeitraum vom 6. bis 23. Februar 2025 mit einer Gesamtdauer von fast 20 Stunden. Mit Marktanteilen bis zu 41,2 Prozent ist die Frage, welche Themen in diesen Sendungen behandelt wurden und vor allem auch, welche nicht, absolut relevant.

Bundesrepublik dreht sich um sich selbst

Zu den am stärksten vertretenen Themen in den Sendungen gehörte die Migration – insbesondere verknüpft mit der Frage der inneren Sicherheit nach dem Anschlag in München am 13. Februar 2025. Von den 1.190 Minuten Gesamtsendezeit der zwölf Wahlsendungen entfielen 201 Minuten (16,9 Prozent) auf die Migrationsdebatte. Diese wurde nahezu vollständig nur in seiner innenpolitischen Bedeutung erfasst.

Fast 90 Prozent der Sendezeit bezog sich auf die Bundesrepublik. Etwa 9,5 Prozent der Sendezeit entfiel auf andere Staaten des Globalen Nordens (vor allem auf die Ukraine, Russland, die USA sowie auf die EU). Insgesamt entfielen auf den Globalen Süden, wo etwa 85 Prozent der Weltbevölkerung leben, lediglich etwa 0,75 Prozent der Gesamtsendezeit aller untersuchten Wahlsendungen. Zur Einordnung: Alleine die Frage nach einem möglichen Tempolimit auf deutschen Autobahnen erhielt damit bereits mehr Sendezeit als der gesamte Globale Süden.

Kriege, humanitäre Krisen, Flucht: Kein Thema

Die Dominanz von innenpolitischen Themen wurde in nennenswerter Weise einzig durch den Ukraine-Krieg und seine Auswirkungen aufgebrochen. 147 Minuten (12,5 Prozent der Gesamtsendezeit) beschäftigten sich mit diesem Thema. Wobei es auch hier vor allem um die Auswirkungen des Gaslieferstopps auf die Energiepreise und die deutsche Wirtschaft ging, um die Frage nach weiteren Waffenlieferungen an die Ukraine sowie um die Vergabe des Bürgergeldes an geflüchtete Ukrainer*innen.

Demgegenüber wurden Kriege und Konflikte, die sich im Globalen Süden ereigneten, praktisch vollständig ignoriert. Ob der Bürgerkrieg im Jemen, den die Vereinten Nationen immer noch als eine der „schlimmsten humanitären Krisen weltweit“ bezeichnen, die Bürgerkriege im Sudan, wo über 11 Millionen Menschen auf der Flucht sind oder aktuell in der Demokratischen Republik Kongo: Was in der Welt geschieht, spielt keine Rolle im Kampf um die Stimmen der Wahlberechtigten.

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