Das unter anderem mit August Diehl und Moritz Bleibtreu sehr gut besetzte Drama setzt einerseits ein Denkmal für den Widerstandskämpfer. Andererseits ist es umstritten, weil Dietrich Bonhoeffer im Zusammenhang mit dem Film durch rechtsnationale amerikanische Evangelikale instrumentalisiert wird. Zum US-Start waren die Nachfahren des im KZ hingerichteten deutschen Theologen entsetzt, wie sein Vermächtnis „von rechtsextremen Antidemokraten“ und „religiösen Hetzern verfälscht und missbraucht“ werde. Inhaltlich ist die Aufregung unbegründet. Trotzdem ist der Film nur mit Abstrichen sehenswert.
Die Aufregung war groß. „Pastor. Spion. Attentäter.“ lautete übersetzt der Titelzusatz, als der Film in den USA startete. Das US-amerikanische Plakat zeigt Dietrich Bonhoeffer mit einer Waffe in der Hand. Die Nachfahren des erklärten Pazifisten protestierten energisch. Regelrecht entsetzt waren sie zudem über die Vereinnahmung, die diesem entschiedenen Gegner des Nationalsozialismus, der wenige Wochen vor Kriegsende hingerichtet worden ist, durch evangelikale Christen in Amerika widerfuhr.
Tatsächlich lässt sich der Sinneswandel Bonhoeffers vor dem Hintergrund der politischen Entwicklung durchaus im Sinne Donald Trumps interpretieren: Als der Pastor erkennt, dass Beten allein nicht mehr hilft, schließt er sich dem Widerstand gegen Adolf Hitler an. Im Rahmen einer Reise nach England, wo er um Unterstützung bittet, fällt der Satz „Mein Land wurde von innen eingenommen.“ In den USA galt dies in rechten Kreisen als Chiffre für den sogenannten Deep State, gegen den Trump und Konsorten seit jeher wettern: Die Geschicke des Landes werden angeblich von einem „Staat im Staate“ gelenkt, der nicht zu kontrollieren sei.
Hochaktueller Stoff
Aus hiesiger Sicht ist das alles Blödsinn. „Bonhoeffer“ ist die geradezu öffentlich-rechtlich anmutende Würdigung eines Mannes, der die protestantische Kirche in Deutschland zu neuem Leben erwecken wollte, nachdem er 1930 als Gaststudent in New York erlebt hatte, mit wie viel Inbrunst die Schwarzen dort ihren Glauben feiern. Als ihm ein Freund mit einer äußerst schmerzhaften Lektion klarmacht, wie groß das Ausmaß an Diskriminierung ist, unter der die „Farbigen“ in Amerika leiden, stellt er erleichtert fest: „Was für ein Glück, dass wir so was in Deutschland nicht haben.“ Selbst als die Nationalsozialisten nach der Macht greifen und sein Vater ihm berichtet, die Menschen würden immer zorniger, was sie zu einer leichten Beute für die Rechten mache, glaubt er noch: „Mit Wut und Gerüchten erringt man keinen Sieg.“
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Spätestens jetzt zeigt sich die Aktualität dieses Stoffs. Geschichte mag sich nicht wiederholen, aber die Parallelen zum Aufstieg der AfD sind unverkennbar. Der amerikanische Autor und Regisseur Todd Komarnicki bleibt jedoch zunächst der theologischen Ausrichtung des Stoffs treu und konzentriert sich auf die unrühmliche Rolle des evangelischen Klerus‘ – Reichsbischof Ludwig Müller preist Hitler auf der Kanzel gar im Stil einer Sportpalast-Rede als „wahren Erlöser“.
Auch Bonhoeffers väterlicher Freund Martin Niemöller, zunächst ein Anhänger des „Führerstaats“, nivelliert die düsteren Ahnungen des jungen Theologen. Als er seinen Irrtum erkennt, ist es zu spät. Seine letzte Predigt, in die Komarnicki mit künstlerischer Freiheit sinngemäß das berühmte Gedicht einflicht – „Als sie mich holten, gab es niemanden mehr, der protestieren konnte“ – , ist auch dank August Diehl die mit Abstand bewegendste Szene dieses gut zweistündigen Films, der sich stellenweise allerdings zieht.
Auf der Schwelle zum Kitsch
Dass „Bonhoeffer“ zudem sehr brav wirkt, liegt auch an der etwas hölzernen Verkörperung der Titelfigur durch Jonas Dassler. Moritz Bleibtreu zum Beispiel ist als Bonhoeffer senior in seinen wenigen Szenen deutlich präsenter. Die Konzeption des Films ist zudem längst nicht so originell, wie die Verantwortlichen glauben. Den Rahmen der Handlung bilden der Transport zum Konzentrationslager Buchenwald und dann der Aufenthalt im KZ. Bonhoeffer erinnert sich an die Ereignisse, die sein Leben prägten: der Tod des älteren Bruders im Ersten Weltkrieg, die Zeit in New York, das Engagement für eine Reform des Protestantismus‘, sein mutiger Kanzelappell, die Kirche dürfe sich nur auf das Wort Gottes berufen und nicht auf das Wort des „Führers“.
Gegen Ende nähert sich die auch mit deutschem Geld entstandene belgisch-irische Koproduktion bedenklich dem Religionskitsch, als der Theologe seinen Mithäftlingen ein letztes Abendmahl reicht. Pünktlich zum Tod am Galgen reißt gar der Himmel auf: Gottes Auge ruht mit Wohlgefallen auf dem Märtyrer.
In einer Stellungnahme anlässlich des Kinostarts in den USA haben sich die deutschen Mitwirkenden von der politischen Instrumentalisierung und der Vermarktung des Films in Amerika distanziert. Der Stuttgarter Verleih Kinostar macht deutlich, dass Bonhoeffers Geschichte vor allem „als kraftvolles Beispiel für den Widerstand gegen Tyrannei und die Verteidigung humanitärer Werte“ diene: Gerade mit Blick auf das „Wiederaufleben nationalistischer und autoritärer Tendenzen“ sei das Leben des Theologen „Mahnung und Inspiration“.
„Bonhoeffer“. Irland/Belgien 2024. Buch und Regie: Todd Komarnicki. Kinostart: 13. März 2025