Journalist in Lebensgefahr

Aktion für Sergei Dolgov, Ukraine

Am 18. Juni gegen Mittag kamen sechs bewaffnete und maskierte Männer in die Redaktionsräume des Blattes „Khochu v SSSR” (Ich möchte in der UdSSR sein) in der südost-ukrainischen Stadt Mariupol. Sie nahmen alle technischen Geräte mit, zwängten den Redakteur Sergei Dolgov gewaltsam in ein Auto und fuhren davon. Seitdem gibt es keine Spur mehr von Dolgov.

Die Zeitungsmitarbeiter riefen die Polizei, und auch die Frau des Verschleppten erstattete mehrfach Anzeige, konnte aber nichts über den Aufenthalt ihres Mannes in Erfahrung bringen. Eine eingeleitete polizeiliche Untersuchung blieb ohne Ergebnis. In einem Interview behauptete ein lokaler Führer des ukrainischen Geheimdienstes SBU drei Tage später, Dolgov sei festgenommen worden und befinde sich in der Stadt Saporischschja. Die Leitung des SBU bestreitet aber bis heute, etwas über das Schicksal des Journalisten zu wissen. Im Juli gab es Medienberichte, die sich auf pro-russische Separatistenführer beriefen, nach denen Dolgov von ukrainischen Militärs gefoltert und getötet worden sei. In der von Propaganda geprägten Situation im ukrainischen Bürgerkrieg ließ sich das nicht bestätigen. Augenzeugen berichteten vielmehr, Dolgov lebe und sei weiterhin inhaftiert.

Im November meldete sich erneut ein Zeuge anonym bei der Frau des Entführten. Er berichtete, der am Herzen erkrankte Dolgov werde noch immer in Saporischschja gefangen gehalten und sei gesundheitlich stark angeschlagen. Er verliere immer wieder das Bewusstsein und sei sehr schwach. Amnesty International kann auch für diese Information eines angeblichen Mitgefangenen bisher keine Bestätigung bekommen.

Das Blatt „Khochu v SSSR” steht den Separatisten im Osten der Ukraine nah. Die Regierung in Kiew hat den Zugang zu solchen Medien eingeschränkt, und der ukrainische Geheimdienst versucht, die Arbeit der pro-russischen Zeitungen zu behindern.

Was können Sie tun?

Schreiben Sie an den ukrainischen Innenminister und fordern Sie ihn auf, den Aufenthaltsort des Journalisten Sergei Dolgov bekanntzugeben und die benötigte medizinische Behandlung Dolgovs sicherzustellen. Verlangen Sie auch seine Freilassung, sollte er nicht wegen einer erkennbaren Straftat angeklagt werden. Schreiben Sie in Ukrainisch, Englisch oder auf Deutsch an:

Arsen Avakov
Akademika Bogomoltsa St. 10
01024 Kyiv (Kiew)
UKRAINE

Fax: 00 380 – 44 253 97 96
E-Mail: mvsinfo@mvsinfo.gov.ua

Senden Sie eine Kopie Ihres Schreibens an:

BOTSCHAFT DER UKRAINE
Herrn Vasyl Khymynets, Geschäftsträger a.i.
Albrechtstraße 26
10117 Berlin

Fax: (030) 2888 7163
E-Mail: emb_de@mfa.gov.ua oder ukremb@ukrainische-botschaft.de

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Nicaraguas bedrohte Medien

Die Diktatur des nicaraguanischen Präsidentenpaars Daniel Ortega und Rocio Murillo hat in den letzten Jahren immer mehr Journalist*innen ins Exil getrieben. Unter erschwerten Bedingungen berichten Menschen wie Lucía Pineda vom Nachrichtenkanal "100% Noticias" oder Wendy Quintero nun aus dem Ausland. Für diese Arbeit nehmen sie stellvertretend für viele andere am 26. November 2024 den Menschenrechtspreis der Friedrich-Ebert-Stiftung entgegen.
mehr »

Österreich: Gefahr für die Pressefreiheit

In Österreich ist die extrem rechte FPÖ bei den Nationalratswahlen stärkste Kraft geworden. Noch ist keine zukünftige Koalition etabliert. Luis Paulitsch erklärt im Interview, welche Entwicklungen in der österreichischen Medienlandschaft zu erwarten sind, sollten die FPÖ und ihr Spitzenkandidat Herbert Kickl an der Regierung beteiligt werden. Paulitsch ist Jurist, Zeithistoriker und Medienethiker. Von 2019 bis 2024 war er Referent des Österreichischen Presserats, dem Selbstkontrollorgan der österreichischen Printmedien;  seit 2024 bei der Datum Stiftung für Journalismus und Demokratie.
mehr »

Trump: Angriff auf kritische Medien

Donald Trump hat schon im Wahlkampf angekündigt, US-Medien, von denen er sich kritisiert und angegriffen sieht, auszuschalten, sollte er gewählt werden. Von welchen Möglichkeiten er dabei unter anderem Gebrauch machen kann, hat die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) in einem Beitrag aufgeführt. Es zeigt sich: Trumps Drohungen sind alles andere als unrealistisch. Und sein Vorbild für diese sitzt in Europa.
mehr »

Fakten for Future

Menschen jeden Alters machen sich Sorgen um die Zukunft unseres Planeten. Carla Reemtsma ist Klimaschutzaktivistin und Mitorganisatorin des Schulstreiks Fridays for Future („Klimastreik“) in Deutschland. Als Sprecherin vertritt sie die Bewegung auch in der medialen Öffentlichkeit. Wir sprachen mit ihr über Kommunikationsstrategien, Aktivismus und guten Journalismus.
mehr »