Die Macht der Supermonopole

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Im hohen Tempo verändert sich die Medienlandschaft. Dafür sorgen inzwischen Algorithmen und KI. Technologische Neuerungen wirken noch stärker auf die Produktion und Verbreitung von Medienangeboten und journalistischen Inhalten. Big-Tech-Plattformen werden immer mehr zu Gatekeepern. Die derzeitige Medienregulierung stoße zunehmend an ihre Grenzen, sagt Medienrechtler Wolfgang Schulz. Wie kann die Politik vor allem Meinungsvielfalt, Public-Value-Inhalte und Zugangsoffenheit auch künftig sichern?

Es ist ein komplexes Regulierungsgeflecht, das diese Ziele bislang garantieren soll. Da ist zum einen die Ebene der Europäischen Union. Ihre Regelwerke basieren auf der EU-Binnenmarktkompetenz. Sie beeinflussen die Gesetzgebung der Mitgliedstaaten, die weitere Ebene. Medienregulierung sei weiterhin eine mitgliedstaatliche Aufgabe, hebt Tobias Schmid hervor. Er ist Direktor der Landesanstalt für Medien NRW und Europabeauftragter der Landesmedienanstalten, deren Aufgabe es unter anderem ist, kommerzielle Programme und Online-Angebote zu beaufsichtigen.

Medienregulierung ist Ländersache

In Deutschland sind für die Medienregulierung die Bundesländer zuständig. Sie legen die Regeln für öffentlich-rechtliche wie kommerzielle Anbieter fest, etwa im Medienstaatsvertrag. Aktuell arbeiten die Bundesländer an einem weiteren Regelungspaket für den Digitalbereich. Darin, dass EU-Recht Vorrang vor nationalem hat, könnten indes „erhebliche Herausforderungen für die Länder entstehen“, sagt Wolfgang Schulz, Vorstandsvorsitzender des Leibniz-Instituts für Medienforschung Hans-Bredow-Institut (HBI).

In Brüssel wurden in den vergangenen Jahren, mit Beteiligung und Zustimmung der Mitgliedstaaten, mehrere Medienregulierungspakete verabschiedet, etwa der Digital Services Act (DSA) oder der European Media Freedom Act (EMFA). Als nächstes steht die Überarbeitung der AVMD-Richtlinie an, die den Rechtsrahmen für audiovisuelle Mediendienste festlegt.

Für Holger Paesler, Honorarprofessor für Medienmanagement an der Hochschule Macromedia in Stuttgart, setzt die klassische Medienregulierung in Deutschland regelmäßig an der Eigentümerstruktur an, entweder durch die kartellrechtliche Fusionskontrolle oder die medienrechtlichen Vielfaltsvorgaben. Es werde geprüft, ob Verlag A den Verlag B kaufen oder Verlag A im Verbreitungsbereich seiner Zeitung einen Radiosender betreiben könne. Das sei aber „vollkommen aus der Zeit gefallen“, sagt der Rechtsanwalt, der auch Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Privater Rundfunk und des Verbands Südwestdeutscher Zeitungsverleger ist.

Die Medienregulierung sei angesichts der „Realitäten in der digitalen Welt naiv und nicht zielführend“, kritisiert Paesler. Es müsse um Konzerne wie Alphabet, Meta oder Apple gehen, die Monopolunternehmen seien. Über sie laufe mehr als die Hälfte der gesamten digitalen Kommunikation und Werbeerlöse. Sie seien auch bei KI führend, so dass sich ihre Monopole in den nächsten Jahren noch verstärken würden. Hinzu komme, dass soziale Netzwerke rechtlich keine Medien wie Presseverlage oder Rundfunkanbieter seien – und das, obwohl auf den Social-Media-Plattformen „Content gegen Reichweite und Werbegelder ausgehandelt werden und damit sämtliche Bestandteile des Medienbegriffs erfasst sind“. Sie müssten als Medien reguliert werden.

Polarisierung durch Plattformen

Für Paesler stellen sich zudem mit Blick auf den Informations- und Meinungsbildungsprozess zentrale Fragen: Was passiert, wenn die traditionellen Medien und alle, die sonst noch kommunizieren wollen, Reichweite „nur noch über diese Supermonopole erreichen, aber niemand weiß, nach welchem Algorithmus der Empfänger die Botschaft ausgespielt bekommt?“ Verschwinden durch KI-Zusammenfassungen die Urheber der Inhalte? Die aktuelle Regulierung sei auf solche Herausforderungen nicht vorbereitet, sagt Paesler.

Ähnlich sieht es Bettina Hesse, die bei der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) für Medienpolitik verantwortlich ist: Die Geschäftsmodelle von klassischem, analogem Journalismus stünden unter Druck. Im digitalen Raum hätten redaktionelle Medien derzeit kaum eine Chance. Die Nutzer*innen hielten sich hauptsächlich bei den monopolistischen Plattformen auf, die ihre marktbeherrschende Stellung finanziell ausnutzten. Wenn sie wie Medien agierten, müssten sie auch wie Medien reguliert werden, was etwa die Haftung für bereitgestellte Inhalte betreffe.

Hinzu komme, dass diese Plattformen die gesellschaftliche Polarisierung vorantrieben, sagt Hesse: „Unter den Bedingungen der digitalen Monopole ist die derzeitige Medienregulierung chancenlos.“ Sie sieht eine „demokratieschädigende digitale Machtkonzentration“, die aufgehalten werden müsse. Die Politik müsse „jetzt Regelungen schaffen, die die fundamentalen Veränderungen durch Big Tech und KI adäquat adressieren“. Es sei „höchste Zeit für einen großen Wurf“.

Vaunet, der Verband der Privatsender, fordert ebenso die Marktmacht der Big-Tech-Konzerne aufzubrechen. Bestehende Regelungen seien konsequent anzuwenden. Auch sei der Medienstaatsvertrag zu ändern: „KI-fest“ sei die dort bereits bestehende Regulierung von Medienintermediären zu machen, worunter Meta & Co. fallen. Für Vaunet ist es absehbar, dass zukünftig KI-generierte Nachrichtenübersichten wie Googles AI Overview und KI-Suchmaschinen in hohem Maße vielfaltsrelevant seien. Darauf verweist auch Paesler: „Wenn Googles eigener Roboterkommentator journalistische Quellen ausliest, wird daraus eine prägnante Presseschau.“ Die Originalquellen würden die Nutzer nicht mehr ansteuern – die Finanzierung von unabhängigem Journalismus durch Verlage wäre dann am Ende.

Wirtschaftliche Grundlage für journalistische Inhalte sichern

Für Medienwächter Schmid braucht es gerade neue Ansätze, um die wirtschaftliche Grundlage für journalistische Inhalte zu sichern und ein echtes „Level Playing Field“ zu ermöglichen. KI wirke als ein Beschleuniger für schon bestehende Phänomene, auch die Verbreitung von Desinformation. Nötig seien also „dynamische, technologieoffene Regulierungsansätze“, um flexibel auf den sich stetig wandelnden Markt zu reagieren, so Schmid. Eine ähnliche Auffassung hat Medienrechtler Schulz: Es gebe eine konsistentere Regulierung, wenn „man sich jenseits von einzelnen Gesetzen auf Grundlinien einigen könnte“.

Mit Blick auf Public-Value-Inhalte von öffentlich-rechtlichen und kommerziellen Medienanbietern macht Bettina Hesse einen konkreten Vorschlag: Es könne rechtlich vorgeschrieben werden, dass Smartphones einen Button haben, über den man direkt zu Public-Value-Inhalten gelange. Bei Fernbedienungen für Smart-TVs oder voreingestellten Fernsehsendern werde dies bereits reguliert. Für Holger Paesler wäre ein Ansatz, Social-Media-Anbieter dazu zu verpflichten, eine bestimmte Quote an Qualitätsinhalten zu verbreiten – zur Sicherung der Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt.

Auch Tobias Schmid sagt: Es könne nicht sein, dass Plattformen, die für viele Menschen der zentrale Zugang zu Information seien, „keinerlei Verpflichtung haben, gesellschaftlich relevante Inhalte sichtbar zu machen“. Auffindbarkeit sei „nicht nur ein technisches, sondern ein demokratisches Thema“. Die bestehende Regulierung hierzu im Medienstaatsvertrag sei weiterzuentwickeln. Diese Auffassung vertritt auch Vaunet: Die heutigen Regelungen müssten künftig ebenso für Medienintermediäre wie Google & Co. gelten.

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