Seit Mai bietet die VG WORT Unternehmen und Behörden eine KI-Lizenz an. Oliver Eberhardt, freier Fachjournalist und Sprecher der Berufsgruppe 2 (u.a. Journalist*innen) bei der VG WORT, erklärt im Gespräch mit M, was das konkret für Medienschaffende bedeuten kann und wie unterschiedlich solche Verträge gehandhabt werden können.
Herr Eberhard, an Sie als meinen Berufsgruppensprecher bei der VG WORT: Seit Mai bietet die VG WORT Unternehmen und Behörden eine KI-Lizenz an. Bekomme ich deswegen bald mehr Geld, als bei der jährliches Ausschüttung der VG WORT?
Vielleicht vorab kurz zur Historie der KI-Lizenz: Seit 2023 gibt es bei der VG WORT die AG KI. Neben dem Vorstand und der Verwaltung sind darin auch jeweils zwei Vertreter*innen aller sechs Berufsgruppen und deren juristische Berater*innen vertreten. Auslöser für die Schaffung der Arbeitsgruppe war, dass sich aus der zunehmenden Verbreitung von KI-Anwendungen auch Fragen an die VG WORT ergeben.
So auch die Frage ob und falls ja, wie die Nutzung von urheberrechtlich geschützten Werken für das KI-Training monetarisiert werden kann. Einzelne Urheber*innen können das kaum allein tun. Deshalb bietet es sich an, dies im Kontext einer Verwertungsgesellschaft zu tun.
Testballon, um den Bedarf zu prüfen
Die KI-Lizenzen für Unternehmen und Behörden sind vor allem ein Testballon: Der Rahmen ist eng begrenzt, nämlich auf die interne Nutzung innerhalb von Institutionen. Die rechtliche Lage ist unsicher und das Angebot ist, über den Erwerb einer solchen Lizenz Rechtssicherheit zu erlangen. Deshalb sollte man an als Wahrnehmungsberechtigte*r zunächst einmal noch nicht mit Reichtümern rechnen, dazu sind der Rahmen und die Werke, die für eine solche Lizenz in Frage kommen, zu begrenzt. Man schaut jetzt erst einmal, ob der Bedarf da ist und denkt natürlich gleichzeitig darüber nach, wie es weitergehen soll.
Welche KI-Nutzung räume ich als Journalist*in über die KI-Lizenz der VG Wort ein? Wer erwirbt diese Lizenz?
Die Änderung am Wahrnehmungsvertrag betrifft nur die interne KI-Nutzung der Werke bei Behörden und Unternehmen. Der Umfang dieser Lizenz ist also sehr begrenzt.
Könnte auch der KI-Konzern Open AI solch eine Lizenz erwerben?
Theoretisch ja. Allerdings nicht, um mit den so lizenzierten Inhalten die KI für Kundenanfragen bei ChatGPT zu trainieren, sondern nur für die interne Nutzung innerhalb des Unternehmens.
Wie trennen Sie das firmeninterne KI-Training vom KI-Training für Produkte, wie ChatGPT?
Unter firmenintern versteht man das KI-Training für Aufgaben, die nur von Mitarbeiter*innen und mit dem Unternehmen eng verbundenen Personen, etwa Freelancer*innen, innerhalb des Unternehmens oder der Behörde ausgeführt werden.
Ein Beispiel: Ein Krankenhaus darf seine KI mit lizenzierten wissenschaftlichen Werken füttern, damit ein Chirurg seine Operationen besser ausführen kann. Aber diese KI darf nicht öffentlich zugänglich gemacht werden. In dem Moment gilt die Lizenz nicht mehr.
Inzwischen schließen große Verlage selbst Lizenzverträge mit großen KI-Konzernen. Die Verlage bekommen Geld für Inhalte, die die KI-Firmen dann zum KI-Training oder für KI-Produkte nutzen dürfen. Konterkariert das nicht Ihre Bemühungen?
Das ist natürlich ein großes „Leidensthema“. Ich beobachte das aus Sicht der Journalist*innen, aber gewissermaßen auch aus aktivistischer Sicht. Ich selbst bin ja auch bei den Freischreibern und beim DJV aktiv. Wir sehen niedrige Honorare und wir sehen, dass Auftraggeber*innen immer umfangreichere Rechte einfordern, Beiträge möglichst umfassend nutzen wollen – beispielsweise indem sie Einzelvereinbarungen mit den KI-Unternehmen abschließen. Die Forderung nach einer Beteiligung an solchen Einnahmen ist übrigens keine Gier, sondern Notwendigkeit: Die Honorare sind vielfach einfach zu niedrig, um den freien Journalismus, wie wir ihn kennen, auch in Zukunft zu erhalten.
Wie stellen sich diese Verlagsverträge dar?
Es ist extrem schwer zu überschauen, wer mit wem was für einen Deal abgeschlossen hat. Davon liest man meist nur im Nachhinein, etwa bei kress.de. Man weiß auch nicht, wie und wo genau die KI für die Produktion journalistischen Inhalten eingesetzt wird. Anekdotisch hört man von Redaktionen, die damit inzwischen ganze Texte schreiben. Im Impressum des Online-Magazins Telepolis, einer Publikation des Heise-Verlags, habe ich zum Beispiel neulich durch Zufall ganz unten den Hinweis gefunden, dass man eine Lizenz für das kommerzielle Text and Data Mining erwerben kann.
Wie stellt sich Ihnen als Fachjournalist die Rechteeinräumung für KI dar?
Aus Sicht der Urheber*innen kommt das Thema KI in den meisten Rahmenverträgen der Presse-Verlage überhaupt nicht vor. Da stelle ich mir dann natürlich die Frage, ob der Verlag überhaupt die Rechte für die KI-Nutzung meiner Texte von mir erworben hat. Und je mehr Nutzungsrechte der Verlag für sich beansprucht, desto weniger kann ich ein Thema selbst mehrfachverwerten und desto unwahrscheinlicher wird es, dass mit komplexen Recherchen ein auskömmliches Einkommen erwirtschaftet werden kann. Wie viele andere Fachjournalist*innen auch biete ich ja sehr spezielle Themen an. Wenn ich eine bestimmte Geschichte oder eine spezielle Recherche veröffentlicht habe und die KI stellt die als KI-Overview auf Google, dann wird eine weitere Verwertung nahezu unmöglich.
Was wissen Sie konkret über Autorenverträge und die KI-Rechte, die Autor*innen inzwischen den Verlagen einräumen müssen?
Aus den Kolleg*innenkreisen höre ich, dass einige Verlagshäuser inzwischen versuchen, ihre Rahmenverträge anzupassen. Der wohl hochprofiligste Fall ist derzeit der Verlag der Süddeutschen Zeitung, der von den freien Journalist*innen verlangt, dass sie eine neue Honorarregelung akzeptieren, mit der sie dem Verlag die Rechte für KI-Training und KI-Anwendung einräumen.
Der Verlag will zudem seine Nutzungsrechte an journalistischen Werken auch an Dritte weitergeben dürfen – natürlich ohne zusätzliche Bezahlung. Deshalb klagt derzeit der DJV dagegen. Denn die Befürchtung ist ganz klar da: Wer sich allein dagegen wehrt, ist raus. Leider sorgt das Renommee solcher Medien dafür, dass ihnen freie Journalist*innen auch weiterhin Beiträge liefern.
Klare Rechtslage nötig
Allerdings brauchen wir auch dringend eine Reform der urheberrechtlichen Rahmenbedingungen: Die Gesetzgeber*innen müssen eine klare Rechtslage in Bezug auf das Training von KI mit urheberrechtlich geschützten Werken schaffen. Sie müssen auch vorgeben, dass Journalist*innen an allen Einnahmen aus ihren Beiträgen zu beteiligen sind.
Wie reagieren die Kolleg*innen auf diese Verlagsforderungen? Sind da z.B. jüngere Kolleg*innen unbefangener? Haben Sie dazu anekdotische Evidenz?
Vor allem haben wir hier immer noch ein Informationsproblem. Das Thema KI haben viele Kolleg*innen noch gar nicht auf dem Schirm. Zunächst trieb es vor allem die Belletristiker* innen um. Uns Journalist*innen haben vor allem News-Aggregatoren wie Google News interessiert. Die haben ja „nach der reinen Lehre“ durch das Presseverleger-Leistungsschutzrecht Vergütungen zu zahlen, an denen wir Urheber*innen dann zu einem Drittel über die VG Wort beteiligt werden.
In den vergangenen Monaten tauchten dann die ersten KI-Zusammenfassungen auf Google und anderen Plattformen auf. Dadurch ist das Thema dann auch für uns dringend geworden. Denn dadurch wird bereits etwas mehr als drei Jahre nach dem Start das Leistungsschutzrecht in Frage gestellt. Richtig los ging es aber bereits, als den Leuten vor einem Jahr der geänderte Wahrnehmungsvertrag der VG Wort in die Inbox flatterte. Da war dann das Interesse geweckt. Die Kolleg*innen haben sich gefragt: „Was kann und soll eigentlich alles mit meinen Texten passieren?“
KI-Nutzungsfreigabe ist keine Altersfrage
Die Reaktionen waren völlig unterschiedlich. Ich selbst habe letztes Jahr, als die Änderung am Wahrnehmungsvertrag kommuniziert war, über die VG WORT locker 200 Anfragen bekommen. Dabei waren die Reaktionen, auch beim Berufsverband Freischreiber, komplett divers. Einige lehnen die KI-Nutzung komplett ab, vor allem die Reportageschreiber*innen und die Sachbuch-Autor*innen. Andere sagen: „Ja, super gerne. Wenn da extra Geld bei rumkommt, dann herzlich gern.“ Und nein – das ist keine Altersfrage. Es gibt auch viele Jüngere, die nicht möchten, dass ihre Texte fürs KI-Training genutzt werden.

