Mit dem Coup um ProSiebenSat.1 wollen KKR und Permira dem Marktführer RTL-Group Paroli bieten
Nach dem Verkauf von ProSiebenSat.1 an die Finanzinvestoren KKR und Permira soll Deutschlands profitabelste Privatsendergruppe jetzt Teil eines paneuropäischen TV-Netzwerks werden. Dem Vernehmen nach verfolgen die Investoren ein längerfristiges Konzept – anders als der bisherige Besitzer Haim Saban. Ihm und seinen Ko-Gesellschaftern gelang mit dem Deal innerhalb von drei Jahren eine Verdreifachung ihres Einsatzes.
Mit der Übernahme von ProSiebenSat.1 durch KKR und Permira weiten zwei der größten Player der Finanzinvestorenbranche ihren Einfluss in Deutschland beträchtlich aus. KKR – Kohlberg Kravis Roberts – wurde vor drei Jahren gegründet und hat seitdem nach Branchenberichten rund 226 Milliarden Dollar in rund 140 Transaktionen investiert. Dem Unternehmen wird vorgeworfen, durch einige umstrittene Geschäfte entscheidend zum schlechten Ruf der Beteiligungsbranche beigetragen zu haben. Der schlechte Ruf geht vor allem auf das Jahr 1989 zurück, als KKR den US-Nahrungsmittelgiganten Nabisco übernahm, rücksichtslos zerschlug und die Einzelteile kurz darauf wieder mit Gewinn abstieß. In Deutschland machte KKR durch den Kauf der DaimlerChrysler-Tochter MTU von sich reden.
Die seit 1985 bestehende Permira verfügt über einen besseren „Leumund“: Sie ist darauf spezialisiert, Firmen günstig zu erwerben und sie schnellstmöglich für den Börsengang aufzuhübschen. Wichtigster Coup auf dem deutschen Markt war – neben dem Erwerb des Mobilfunkanbieters Debitel – die Übernahme des Pay-TV-Senders Premiere aus der Konkursmasse von Leo Kirch. 2005, nur zwei Jahre nach dem Kauf, brachte man Premiere erfolgreich an die Börse. Mittlerweile ist die Aktie des Pay-TV-Unternehmens – vor allem wegen des Verlustes der Bundesliga-TV-Rechte nur noch die Hälfte wert. Permira dürfte das nicht kümmern: Das Unternehmen war geschickterweise schon vorher ausgestiegen. Ein Umstand, der den neuen Eignern von ProSiebenSat.1 jetzt möglicherweise Ärger mit dem Bundeskartellamt erspart.
Standort Unterföhring bleibt
KKR und Permira halten jeweils 50 Prozent an der Lavena Holding, die 50,5 Prozent der ProSiebenSat.1 Media AG erworben haben. Beide sind bereits seit 2005 an dem europaweit tätigen TV-Konzern SBS mit Sitz in Luxemburg beteiligt. Geplant ist nunmehr, sämtliche TV-Aktivitäten zusammen zu führen. Strategisches Ziel ist die Errichtung eines europäischen Medienkonzerns, der in der Lage ist, dem bisherigen Marktführer RTL Group – Jahresumsatz: fünf Milliarden Euro – Paroli zu bieten. Die Fusion von ProSiebenSat.1 und SBS wird einen Konzern mit drei Milliarden Euro Umsatz und 5.000 Beschäftigten schaffen. Es entstünde ein TV-Gigant, der Branchengrößen wie Rupert Murdochs BSkyB und Berlusconis Mediaset auf Augenhöhe begegnen könnte.
Sitz des fusionierten Unternehmens soll Unterföhring / München bleiben, die bisherige Zentrale von ProSiebenSat.1. Dessen Vorstandschef Guillaume de Posch wird auch die Geschicke des erweiterten Unternehmens lenken. Was auf die Beschäftigen zukommt, bleibt abzuwarten. Personalkürzungen größeren Stils seien vorerst nicht geplant, heißt es aus dem Umkreis der Käufer. Eine Beruhigungspille vor dem systematischen Durchforsten des Konzerns nach weiteren Sparpotentialen? Hubertus Steinacher, Betriebsratsvorsitzender der ProSiebenSat.1 Media Ag in München, winkt ab. „Viel einzusparen gibt es bei uns nicht mehr“, sagt er, „der vorherige Investor hat schon so viel abgespeckt, dass weitere Kürzungen sich auf die Programmqualität niederschlagen würden“. Damit würden sich die neuen Besitzer letztlich „selbst ins Knie schießen“. Zudem machten die Personalkosten gerade mal neun bis elf Prozent der Gesamtkosten aus. Jetzt gelte es zunächst einmal abzuwarten, bis die Fusion „rechtlich unter Dach und Fach“ sei. Dem Vernehmen nach wollten die Investoren bei der Verschmelzung von ProSiebenSat.1 mit SBS „Gas geben“. Macht ihm das kurzfristige Renditeinteresse keine Sorgen? Steinacher kann der Perspektive des Unternehmens vor dem Hintergrund einer paneuropäischen Fusion durchaus einen gewissen Reiz abgewinnen. Angesichts der bei Finanzinvestoren üblichen „Fünf-Jahres-Sprünge“ könne es schließlich auch zu „weiteren Zukäufen“ kommen. Eingedenk der jüngeren Geschichte von ProSiebenSat.1 nach der Kirch-Pleite begreift er die aktuelle Entwicklung geradezu als „Sonntagsspaziergang“.
Der stellvertretende ver.di-Vorsitzende Frank Werneke appelliert an die neuen Eigentümer, „sich zur Bedeutung des Rundfunks als Kulturgut und Träger publizistischer Vielfalt zu bekennen“. Wenn ProSiebenSat.1 wirtschaftlich erfolgreich arbeite, sei dies „in erster Linie Verdienst der dort mit großem Engagement tätigen Medienschaffenden“. Daher, so Werneke, könnten die Beschäftigten von ihrem künftigen Arbeitgeber „zu Recht soziale Verantwortung und den Erhalt der vorhandenen Arbeitsplätze erwarten“.
Aufkommende Zweifel
Der bisherige Besitzer Haim Saban hatte nach der Kirch-Pleite ProSiebenSat.1 fit gemacht und Effizienz wie Gewinn des Senders ohne größeren Arbeitsplatzabbau beträchtlich gesteigert. In der Branche wird jedoch bezweifelt, ob die neuen Investoren mit denselben Methoden ähnlich erfolgreich abschneiden können. Der TV-Werbemarkt stagniert, die Konkurrenz der Sender wächst. Immer mehr Marktteilnehmer setzen auf Zusatzgeschäfte wie Teleshopping, Handy-TV und Spartenkanäle, um rückläufige Gewinne zu kompensieren. Ein Problem für den projektierten pan-europäischen TV-Konzern: Die TV-Gewohnheiten und Werbemärkte in den einzelnen Ländern sind alles andere als homogen, Synergien länderübergreifend nur schwer zu erzielen. Anderseits lassen sich teure Senderechte für hochwertige Spielfilme, Serien und Shows häufig als preisgünstige Paketlösung für mehrere Länder erwerben. Das gilt auch für die begehrten Sportrechte.
Ob die Programme der TV-Familie ProSiebenSat.1 von der Kooperation mit dem neuen Partner SBS profitieren können? Einige Formate von SBS-Sendern dürften nach Lage der Dinge in Bälde auch auf deutschen TV-Bildschirmen laufen. Meldungen über SBS-Programmblüten in Schweden oder den Niederlanden lassen durchaus Zweifel aufkommen, ob da eine kulturelle Bereicherung ins Haus steht. Im schwedischen SBS-Ableger Kanal 5 etwa versuchte eine „Seherin“ in der Sendung „Gespür für Mord“ alte Kriminalfälle aufzuklären, indem sie Mordopfer befragte. Und in den Niederlanden läuft derzeit eine erregte Debatte über das Projekt einer sehr speziellen TV-„Dating-Show“. Die Empörung richtet sich gegen die Absicht von SBS 6, unter dem Titel „Liebe auf den zweiten Blick“ durch Krankheit oder Unfall sichtbar entstellte Menschen nach einem Lebenspartner suchen zu lassen. Behindertenverbände verurteilten die Show als geschmacklos.
Ein Trost: Bei den Neueigentümern von ProSiebenSat.1 handelt es sich immerhin um Investoren mit Erfahrungen im Mediengeschäft. Das gleichfalls als Wettbewerber angetretene Konsortium Apax / Goldman Sachs hätte die Sendergruppe möglicherweise zerschlagen. Welche Strategie die ursprünglich als aussichtsreichste Bewerberin gehandelte türkische Dogan-Gruppe wohl eingeschlagen hätte? Mit dem Nein zu Dogan wurde auch Springer, der sich erst kurz zuvor mit 25 Prozent bei den Türken eingekauft hatte, auf seinen 12prozentigen Minderheitsanteil bei ProSiebenSat.1 zurückverwiesen.
Auch nicht verkehrt: Silvio „Su Emittenza“ Berlusconi bleibt dem deutschen Medienmarkt einstweilen erspart.