Urheberrechtlicher Schutz digitaler Werke in Berlin diskutiert
Wie lässt sich das Urheberrecht an digitalen Werken am Besten schützen und durchsetzen? Sind technische Schutzvorrichtungen ein taugliches Mittel gegen das unkontrollierte Kopieren? Was wird aus den Pauschalabgaben? Diese Fragen standen im Mittelpunkt der II. Digital Rights Management-Konferenz, die Ende Januar in Berlin statt fand.
Veranstaltet wurde die Konferenz unter anderem vom Forschungsverbund Datensicherheit NRW, dem Fachbereich Mathematik der Universität Dortmund, dem Wissenschaftsministerium NRW, dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Rund 200 Wissenschaftler, Politiker, Datenschützer, Vertreter der Content-Industrie, der Verwertungsgesellschaften und von Unternehmen diskutierten darüber, wie digitale Güter künftig kommerziell verwertet, geschützt und vergütet werden sollen. Denn bei der Online-Distribution von Filmen, Texten und Musik kollidieren die Interessen der Urheber, der Medienwirtschaft und der Verbraucher.
Rechtspolitischer Hintergrund ist die EU-Richtlinie zum Urheberrecht, die bis Ende 2002 in deutsches Recht umgesetzt werden muss. Sie ebnet individualisierten Vergütungsmodellen für die Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke den Weg. Bei diesen Systemen bezahlen die Verbraucher direkt bei den Rechtsinhabern bzw. Contentprovidern. Die Medienwirtschaft begrüßt die geplante Einführung solcher Systeme, die durch Kopiersperren nur eine beschränkte Nutzung des Contents zulassen. Die „digitale Plombe“ verträgt sich aber nicht mit dem deutschen Recht, das Kopien für private Zwecke zulässt. Und sie stellt wegen ihrer nutzungsabhängigen Vergütung die Existenzberechtigung der Entschädigung von Urhebern durch Pauschalabgaben in Frage.
Die Probleme im Schnitt- und Spannungsfeld von Technik und Recht, Wirtschaft, Politik und Wissenschaft umriss Dr. Ina Maria Pernice (DIHK) mit den Worten: „Es wäre paradox, wenn die Privatsphäre, die Informationsfreiheit und die Wissenschaftsfreiheit unter den neuen Medien leiden würden.“ Geistiges Eigentum verdiene den gleichen Schutz wie physisches Eigentum: „Diebstahl per Mausklick ist nicht besser als Diebstahl per Einbruch“ . Aber auch die Verbraucherinteressen seien zu wahren: „Geistiges Eigentum muss geschützt sein, es muss aber auch zu attraktiven Konditionen erhältlich sein“ . Andernfalls werde es einen „Wettlauf zwischen Contentprovidern und Raubkopisten“ geben.
Detaillierte Nutzerprofile
Jörg Reinbothe (EU-Kommission), stellte klar: Individuelle Abrechnungssysteme können erst und nur dann eingeführt werden, wenn technische Kopierschutzvorrichtungen „voll funktionieren und vom Markt und den Anwendern akzeptiert werden.“ Hersteller dieser Systeme wie Adobe, IBM, Intel, Intertrust oder Microsoft und auch der BITKOM (Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien) halten ihre Methoden für „ausgereift“. Dr.-Ing. Hannes Federrath, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Systemarchitektur an der TU Dresden, bestritt das vehement: Alle Systeme böten nur geringen Schutz. Sie sind von „ernsthaften Angreifern“ leicht zu hacken – insbesondere für die von der Industrie favorisierten (weil billigen) Softwarelösungen.
Über die Abrechnungssysteme ließen sich „detaillierte Nutzerprofile“ speichern, gab der brandenburgische Datenschutzbeauftragte Dr. Alexander Dix zu bedenken. „Wir dürfen nicht politisch den gläsernen Bürger bekämpfen und gleichzeitig den gläsernen Konsumenten ermöglichen“ warnte Pernice. Dix plädierte für Lösungen, „die ohne personenbezogene Daten auskommen“ , d.h. Pauschalgebühren zur Entschädigung der Urheber und Verwerter. Durch eine Geräteabgabe für „Kopiermaschinen“, wie sie die Verwertungsgesellschaften fordern, fühlen sich die Computerhersteller existenziell bedroht: Eine Pauschale von 59 Mark pro PC summiere sich bei 800.000 im Jahr 2001 in Deutschland verkauften Rechnern zu fast 24 Millionen, rechnete Karola Bode, Leiterin der Abteilung Verbraucherprodukte bei Compaq, vor. „Wenn wir diese Summe tatsächlich bezahlen müssten, wären wir nicht mehr wettbewerbsfähig“.
„Wir haben bereits für fünf Jahre auf Vergütungen von PCs nach § 54a des Urheberrechtgesetzes verzichtet“ konterte VG Wort-Vorstand Prof. Dr. Ferdinand Melichar. Die Industrie hätte „ausreichend Zeit gehabt, ihre Geschäftsmodelle entsprechend anzupassen.“ Einen Verzicht auf pauschale Vergütungsabgaben schloss er aus. Ein Nebeneinander pauschaler und individueller Abrechnungsformen von urheberrechtlich geschütztem Content sei allerdings denkbar.
Doppeltes Spiel?
Prof. Dr. Thomas Hoeren (Universität Münster) sah das Recht auf Privatkopien als Ausfluss des Rechts auf Informationsfreiheit an. Der Content-Industrie gehe es bei individuellen Abrechnungssystemen nicht um den Schutz des Urheberrechts, sondern um das „Recht auf Zugang“ und die Schaffung und Durchsetzung eines „virtuellen Hausrechts.“ Speziell der Musikindustrie warf Hoeren ein doppeltes Spiel vor: Sie kassiere einerseits für Leermedien Vergütungspauschalen, wolle aber Privatkopien durch Sperrsysteme verhindern. Sony Music etwa „schütze“ selbst CDs mit Werken aus dem 18. /19. Jahrhundert. Und die Library of Congress versehe Wochenschauen aus der Nazizeit mit Sperren, die nur eine einmalige Nutzung zuließen.