Paragraph gefährdet Pressefreiheit

Foto: 123rf

Die Staatsanwaltschaft Berlin hat gegen den Journalisten und Chefredakteur von FragDenStaat, Arne Semsrott, Anklage erhoben. Sie wirft ihm vor, drei Dokumente aus einem laufenden Ermittlungsverfahren im Netz veröffentlicht zu haben. Damit soll Semsrott gegen den §353d Nr. 3 Strafgesetzbuch verstoßen haben. Der verbietet die wortgetreue Veröffentlichung von Passagen amtlicher Dokumente aus laufenden Ermittlungsverfahren. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) und Strafverteidiger Lukas Theune unterstützen Semsrott und FragDenStaat in dem Strafverfahren.

Kernpunkt ist aus Sicht der Verteidigung, dass die Strafnorm verfassungswidrig ist und gegen die Pressefreiheit verstößt, heißt es in der GFF-Pressemitteilung. Semsrott hatte im vergangenen August bewusst drei Gerichtsbeschlüsse des Amtsgerichts München teilgeschwärzt im Rahmen eines Artikels auf der Website von FragDenStaat veröffentlicht. In den Verfahren ging es um Durchsuchungen bei der Aktivisten der „Letzten Generation“ sowie di Überwachung eines Pressetelefons der Gruppe. 

Semsrott schrieb in dem Beitrag, dass man Dokumente aus laufenden Gerichtsverfahren hierzulande eigentlich nicht veröffentlichen dürfe. Sein Ziel sei es jedoch zu klären, ob §353d Nr. 3 StGB in seiner geltenden Form gegen Verfassungsrecht verstoße. Mit der Provokation wolle er perspektivisch den Bundesgerichtshof (BGH) und das Bundesverfassungsgericht beschäftigen. Es ginge nicht an, dass die Pressefreiheit durch das Veröffentlichungsverbot beeinträchtigt werde.  

Zweifel offenbar auch beim BGH

Die GFF verweist darauf, dass selbst der BGH die Verfassungsmäßigkeit der Norm konkret in Zweifel gezogen habe. Die GFF hat zusammen mit weiteren Organisationen kürzlich beim Bundesministerium der Justiz (BMJ) eine Stellungnahme zum Reformbedarf im Strafgesetzbuch eingereicht, in der die Abschaffung der Strafnorm gefordert wird. 

Auch die dju in ver.di hatte gefordert, den Strafrechtsparagraphen abzuschaffen und gemeinsam mit anderen Organisationen im Januar eine Stellungnahme eingereicht. 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Quartalsbericht zur Branche liegt vor

Einen detaillierten Blick auf das Geschehen in der Medienbranche wirft der jetzt wieder vorliegende Quartalsbericht. Er speist sich aus den Auswertung von Internetseiten, Zeitungen, Fachzeitschriften, Informationsdiensten, Verbands- und Unternehmenspublikationen. Ein Merkmal des ersten Monate dieses Jahres: Viele Übernahmen und eine Werbekonjunktur. 
mehr »

Buchtipp: Sprache des Kapitalismus

Über gendersensible Sprache läuft schon seit Jahren eine hochemotionale Debatte. In Bayerns Schulen, Hochschulen und Behörden gilt seit dem 1. April sogar ein Genderverbot. Über Begrifflichkeiten wie „steigende Preise“ oder Finanzkrisen, die wie ein „Tsunami“ über uns kommen, wird dagegen weniger gestritten. Sie beherrschen längst unser Denken und Sprechen, sind in unseren Alltag eingedrungen. Wer in diesem Wirtschaftssystem sozialisiert wurde, nutzt sie automatisch, ohne weiter darüber nachzudenken.
mehr »

Von Erbsensuppe und neuen Geschichten

„Vielfalt schützen, Freiheit sichern – 40 Jahre duale Medienordnung im föderalen Deutschland“. Dies war das Thema des Symposiums, das am 23.  April in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften stattfand. Ausrichter war die Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM).  Teilnehmer waren Verantwortliche aus Medienpolitik und -wissenschaft, Rundfunkregulierung und Medienunternehmen.
mehr »

Preis für behinderte Medienschaffende

Zum zweiten Mal schreibt in diesem Jahr die gewerkschaftsnahe Otto Brenner Stiftung zwei Preise und Stipendien für Journalist*innen mit Behinderung aus. Damit soll „ein klares Signal für die Förderung von Diversität als unverzichtbaren Wert in unserer demokratischen Gesellschaft“ gesetzt werden, sagt Jupp Legrand, Geschäftsführer der Stiftung. 
mehr »