Halbzeit bei der UEFA Frauen-EM

Fussball, Spielfeld , Rasen

Foto: 123rf

UEFA-Women’s Euro 2025 heißt das Turnier nach dem Willen des Europäischen Fußballverbands. Bei den Männern wird auf die geschlechtsspezifische Eingrenzung verzichtet. Möglichweise ein Relikt aus den Zeiten, als das Kicken selbstverständlich eine maskuline Sportart war, vermeintlich ungeeignet für die „zarte Weiblichkeit“. 

Die Ticketverkäufe können sich sehen lassen. Die Bestmarke von England – 2022 kamen knapp 580.000 Fans zu den 31 Spielen – war schon zwei Wochen vor Turnierbeginn erreicht und dürfte weit übertroffen werden. Und das, obwohl die Arenen von Basel, Bern, Zürich und weiteren fünf Spielstätten nicht annähernd über die Platzkapazitäten verfügen wie das Old Trafford oder Wembley, in dem vor drei Jahren an die 87.000 Zuschauer*innen das Finale zwischen England und Deutschland verfolgten.

Auch die TV-Quoten waren bislang mehr als ordentlich: Bereits das Auftaktspiel des deutschen Frauenteams gegen Polen stieß auf das Interesse von gut acht Millionen Fans. 7,7 Millionen beim verlorenen letzten Gruppenspiel gegen Schweden bescherten dem ZDF an einem Samstagabend die Top-Quote von knapp 38 Prozent.

Der Hinweis auf wesentlich höhere Zuschauer-Quoten, die meist beim Männerfußball erreicht werden, überzeugt diesmal nicht so recht. Denn die neu konzipierte und zeitgleich in den USA ausgetragene FIFA-Klub-WM schmierte gegen das Turnier der Frauen komplett ab – trotz extrem attraktiver Gegner der beiden beteiligten deutschen Klubs. Lediglich 2,5 Millionen Fans wollten Bayern München sang- und klanglos gegen Paris St. Germain ausscheiden sehen, gerade mal 1,6 Millionen verfolgten das andere Viertelfinale, in dem Borussia Dortmund gegen Real Madrid klar den Kürzeren zog.

Frauen EM schlägt Klub WM

Selbst für das vom Privatsender Sat.1 am Sonntag (13.7.) übertragene Finale der Klub-WM zwischen Chelsea und PSG interessierten sich gerade mal 1,7 Millionen Fans – nur halb so viele wie für die parallel im Ersten laufende Begegnung der Frauen-Teams von Frankreich und den Niederlanden. Ein klares Votum des Publikums gegen die offenkundige Ignoranz von FIFA-Präsident Giovanni Infantino, der ohne Rücksicht auf die EM der Frauen sein hauptsächlich von Profitinteresse bestimmtes Event programmiert hatte.

Die Emanzipation des weiblichen Fußballsports ist kaum aufzuhalten und nimmt sprunghaft zu. Selbst bei der FIFA. Noch vor wenigen Jahren bedeutete eine Schwangerschaft für Frauen den Karriereknick und Einkommensverluste, da sie von ihren Vereinen und Sponsoren häufig kaltgestellt wurden. 2020 führte die FIFA einen Kündigungsschutz während der Schwangerschaft und Elternzeit ein. Außerdem gibt es seitdem einen Anspruch auf 14 Wochen bezahlte Freistellung. Das Verdienst für diese überfällige Reform gebührt Tennis-Ikone Serena Williams und einiger sportlicher Mitstreiterinnen, die diese Reform mit der Profitennisvereinigung der Frauen durchsetzten. Sie lieferte die Blaupause für die ansonsten nicht sonderlich reformfreudige FIFA.

Pay Gap auch im Fußball

Andererseits ist trotz mancher Fortschritte die finanzielle Kluft zwischen Männern und Frauen nach wie vor enorm. Zwar hat die UEFA das Preisgeld für die laufende EM deutlich erhöht: 41 Millionen Euro bedeuten einen Anstieg von 156 Prozent im Vergleich zur EM 2022. Doch die 331 Millionen Euro, die für die männlichen Kicker bei der EM 2024 ausgeschüttet wurden, belegen den nach wie vor existierenden gravierenden Gender Gap.

Ablesen lässt sich dies auch an den maximal erzielbaren Mannschaftsprämien. Winkt dem siegreichen Frauenteam in der Schweiz ein Betrag von 5,1 Millionen Euro, so ergoss sich auf die spanische Furia Roja 2024 ein Geldregen von gut 28 Millionen. Ähnlich verhält es sich mit den individuellen Prämien pro Spieler. Während männliche Nationalspieler des DFB im Erfolgsfall mit 400.000 Euro rechnen konnten, liegt die DFB-Prämie für die Frauen bei 120.000 Euro.

Ein beachtlicher Fortschritt gegenüber der EM 1989, als die DFB-Frauen zum Gewinn des Titels vom DFB allen Ernstes ein Kaffee-Service spendiert spendiert bekamen. Allerdings, so merkt die Fitnesszeitschrift Women’s Health an, gibt es noch reichlich Luft nach oben. „In einigen Ländern, etwa in den Niederlanden oder Schweden, erhalten Nationalspielerinnen längst dieselben Prämien wie ihre männlichen Kollegen – unabhängig vom UEFA-Preisgeld.“

Die zunehmende Attraktivität des Fußballs der Frauen lässt sich auch an dem wachsenden Interesse von Sponsoren ablesen. Zu den 21 Sponsorpartnern des Turniers zählen große Marken wie Amazon, AXA, Booking.com, Lidl, PepsiCo, Unilever und Visa. Das verletzungsbedingte frühe Ausscheiden der deutschen Kapitänin Giulia Gwinn hat bizarrerweise zur Folge, dass sie unter dem Motto „Wenn’s drauf ankommt“ noch bis zum Finaltag vor jeder Partie als Testimonial eines Deo-Spray-Spots über die Bildschirme flimmern wird.

Militär im Mittelfeld

Gemischte Reaktionen erzielte der Werbefilm, mit dem die Bundeswehr während der EM um weiblichen Nachwuchs wirbt. Protagonistin ist die junge Nationalspielerin Cora Zicai vom VfL Wolfsburg. Sie schwärmt von einwandfreier Technik, dem besonderen Zusammenhalt und der verbesserten Verteidigung des Teams. Aber irgendwas fehle, schwant ihr. „Ist doch klar, Cora“, wird sie von einer in der Kabinentür lehnenden Soldatin aufgeklärt; „unser Kader ist zu klein“. Die Übertragung sportlicher Bilder in den militärischen Bereich zum Zwecke der Rekrutierung von Personal für die Pistorius-Truppe stößt speziell in sozialen Netzwerken auf Kritik. Mit dem Spot „Komm in die Mannschaft“, so die taz, „hat die Militarisierung des Alltags auch den Fußball der Frauen erreicht“.

Die gute Nachricht zuerst: Der Frauenfußball entwickelt sich prächtig. Technisch versierte, kombinationsstarke Spanierinnen und Französinnen, kämpferische. dynamische Engländerinnen und Schwedinnen – das allgemeine Spielniveau hat sich in jüngerer Zeit weiter verbessert.

Die schlechte Nachricht: An den deutschen Damen sind diese Fortschritte weitgehend vorbeigegangen. Nach einem mühsamen Sieg gegen den krassen Außenseiter Polen und einem glücklichen Erfolg gegen biedere Däninnen folgte die Ernüchterung gegen eine schwedische Mannschaft, die rein spieltechnisch auch nicht eben furchterregend auftrat. Ein paar schnelle Konter reichten aus, um den deutschen Frauen den Schneid abzukaufen und dem selbsternannten Titelkandidatinnen die Grenzen aufzuzeigen.

Kantersiege gegen drittklassige Gegnerinnen in der Qualifikation und einigen Vorbereitungsspielen habe das Team nicht weitergebracht und Illusionen über das aktuelle Leistungsvermögen erzeugt. Dazu trugen auch einige Kommentator*nnen bei, die mit unkritisch-patriotischen Sprüchen die deutschen Frauen zu Mitfavoritinnen hochjazzen.

Vize-Europameisterinnen schwächeln

Eine unterirdisch schwache Passquote, mangelnde Schnelligkeit, ein naives Abwehrverhalten, gepaart mit Kamikaze-Kapriolen einer Torfrau, die trotz ihrer Erfahrung eins ums andere Mal mit sinnlosen Dribblings im eigenen Strafraum ihre Vorderleute verunsicherte – von dem  2022 so starken Auftritt der amtierenden Vize-Europameisterinnen war kaum etwas übrig geblieben.

Bisherige Führungsspielerinnen wie Alexandra Popp, Svenja Huth oder Marina Hegering sind nicht mehr dabei. Einige Leistungsträgerinnen wie Klara Bühl, Jule Brand und Lea Schüller reichen nicht aus, um nach der Verletzung von Giulia Gwinn das deutlich verjüngte Team auf die Siegerstraße zu bringen. Alles andere als ein Ausscheiden im Viertelfinale (am 19.7.) gegen die im Turnierverlauf immer stärker aufspielenden Französinnen wäre eine Überraschung.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

ÖRR und AfD: Normalisierung statt Strategie

Die aktuelle Debatte um das ARD-Sommerinterview mit der AfD-Vorsitzenden Alice Weidel zeigt deutlich: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat keine klare Idee, wie er mit der, laut Verfassungsschutz, gesichert rechtsextremistischen Partei umgehen soll. Sender-Verantwortliche regen sich über „Störer“ auf, anstatt zu hinterfragen, ob es eine gute Idee ist, der AfD immer wieder eine Plattform zu bieten. Eine konkrete Nachfrage bei ARD und ZDF offenbart: Es gibt keine Strategie, die nicht der Normalisierung der AfD Vorschub leistet.
mehr »

„Von Wertschätzung meilenweit entfernt“

Der Juli ist Urlaubszeit, aber auch Verhandlungszeit. Nach zehn zähen Verhandlungsrunden mit den Zeitungsverlegern und mehrfachen Warnstreiks, hat die dju in ver.di endlich einen Abschluss für Tausende von Journalisten in ganz Deutschland erreichen können. Einer der beim Tarifvertrag mitverhandelte, ist Peter Freitag, Co-Vorsitzender der dju in ver.di und Redakteur für Kölner Stadt-Anzeiger und Kölnische Rundschau.
mehr »

Ver.di macht Druck bei TikTok

In der Auseinandersetzung um die Kündigungen der Content-Moderator*innen versucht TikTok nach Einschätzung von ver.di Fakten zu schaffen und zieht nun vor Gericht. Der Arbeitgeber forciert ein gerichtliches Verfahren gegenüber dem Betriebsrat, das nach Einschätzung von ver.di dazu dient, möglichst schnell Kündigungen aussprechen zu können. Bisher hat TikTok den Beschäftigten und dem Betriebsrat Angebote vorgelegt, die diese als unzureichend bewerten.
mehr »

NIUS: Eine Bühne für rechte Hetze

Der ehemalige „Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt inszeniert sich seit zwei Jahren auf der Krawall-Plattform „Nius“ als Kämpfer gegen alles vermeintlich oder tatsächlich Linke, Woke, gegen „verlogene Eliten“ und als Gegenpol gegen den verhassten Berliner Hauptstadt-Journalismus.
mehr »