Filmtipp: Mädchen können kein Fußball spielen

Der sehenswerte Dokumentarfilm von Grimme-Preisträger Torsten Körner („Schwarze Adler“) ist eine Hommage an die Pionierinnen des deutschen Frauenfußballs. Körner hat bereits ein ausgezeichnetes Buch über das Thema geschrieben („Wir waren Heldinnen“). Der Film erzählt die Geschichte mit Hilfe von Zeitzeuginnen und vielen zeitgenössischen TV- und Wochenschau-Ausschnitten von den Anfängen in den 50ern bis zur siegreichen Heim-EM 1989.

Foto: ARD

Der Titel ist selbstverständlich pure Provokation: Dass Mädchen und Frauen sehr wohl kicken können, haben sie hinlänglich bewiesen. Kein anderes Fußball-Team, weder bei den Herren noch bei den Damen, hat derart oft die Europameisterschaft gewonnen. Der erste Turniersieg 1989 bei der Heim-EM ist gleichzeitig Höhepunkt wie auch Abschluss des Dokumentarfilms von Torsten Körner, der für „Schwarze Adler“, die bittere Bilanz der Diskriminierungen afrodeutscher Kickerinnen und Kicker, 2022 den Grimme-Preis bekommen hat. Den Frauen erging es zu Beginn kaum besser: Die Häme, mit denen sie viele Jahre lang vor allem in TV-Berichten überschüttet wurden, ist nach wie vor empörend.

Körner, nicht nur ein mehrfach ausgezeichneter Filmemacher, sondern auch ein vorzüglicher Sachbuchautor, hat die Pionierinnen des Frauenfußballs bereits ausführlich und sehr lesenswert schriftlich gewürdigt („Wir waren Heldinnen“, Kiepenheuer & Witsch). Natürlich gibt es viele Schnittmengen, schließlich kommen hier wie dort dieselben Zeitzeuginnen zu Wort. Die beschriebenen Rahmenbedingungen sind ohnehin die gleichen. Trotzdem lohnen sich Lektüre und Film gleichermaßen, weil sie sich gegenseitig ergänzen: Während das Buch eine Menge Lokalkolorit zu bieten hat, weil im „Ruhrpott“ auch das Herz des westdeutschen Frauenfußballs schlug, sorgen die bewegten Bilder und viele private Fotos für die passenden Illustrierungen der Erzählungen.

Was die Frauen über ihre Erfahrungen berichten, sollte den Männern, sofern sie noch leben, die Schamesröte ins Gesicht treiben; in einem der Ausschnitte anlässlich eines frühen inoffiziellen Länderspiels ist vom „Ausverkauf holder Weiblichkeit“ die Rede. Aus heutiger Sicht nur schwer zu ertragen ist auch ein „Sportstudio“-Kommentar von Wim Thoelke, der die weiblichen Darbietungen auf dem Fußballplatz konsequent ins Lächerliche zieht. Viele Presseberichte waren kaum besser. Schimpf und Schande gelten allerdings nicht zuletzt dem Deutschen Fußballbund: Die Funktionäre, samt und sonders mit den Rollenbildern des „Dritten Reichs“ sozialisiert, haben den Vereinen 1955 verboten, Frauenfußball zu organisieren; Clubs, die sich dem Verdikt widersetzten, mussten mit einem Ausschluss vom Spielbetrieb rechnen. Also gründeten die Frauen kurzerhand ihre eigenen Teams oder schlossen sich Vereinen aus anderen Sportarten an. Hier konnte sich der DFB nicht einmischen.

Allen Widrigkeiten zum Trotz setzte sich sogar beim Verband irgendwann die Erkenntnis durch, dass auch die Damen ganz ordentlich kicken können. Zunächst wollte man die Frauen jedoch nur bei schönem Wetter auf den Platz lassen; ein Sportmediziner empfahl einen „Brustpanzer“. Als ein Treffer von Bärbel Wohlleben (TuS Wörrstadt) 1974 im Finale um die deutsche Meisterschaft zum „Tor des Monats“ September gekürt wurde, war das eine Sensation: Sie war die erste Frau, der diese Ehre widerfuhr. Wie sehr es den Fernsehberichten vor vierzig Jahren an journalistischer Sorgfalt mangelte, dokumentiert Körner genüsslich mit diversen Ausschnitten, in denen Anne Trabant-Haarbach, seit 2022 in der „Hall of Fame“ des deutschen Fußballs, zwischen 1977 und 1983 Serienmeisterin mit der SSG 09 Bergisch Gladbach sowie außerdem Spielführerin und Co-Trainerin der ersten westdeutschen Nationalmannschaft, jedes Mal einen falschen Namen erhält.

Der Film ist ohnehin überraschend amüsant. Körner hat auf einen Kommentar verzichtet, das Wort haben die Zeitzeuginnen, von denen viele mit einem sympathischen Mutterwitz ausgestattet sind. Entsprechend launig sind ihre Bemerkungen über das Kaffeeservice, mit dem der DFB den EM-Titel 1989 würdigte. Natürlich gibt es auch Momente der Rührung, wenn die Beteiligten über das erste offizielle Länderspiel sprechen (1982, 5:1 gegen die Schweiz) und sich daran erinnern, dass sie vor lauter Ergriffenheit nicht in der Lage waren, die Nationalhymne mitzusingen.
In der DDR war Frauenfußball dank der offiziellen Gleichberechtigung zwar nie verboten, aber der Staat förderte nur, was auch Medaillen versprach. Eine Nationalmannschaft gab es erst 1990, prompt bestritt sie bloß ein einziges Spiel (0:3 gegen die Tschechoslowakei). Wie im Buch erzählt Körner ohnehin beiläufig auch die Geschichte der beiden deutschen Staaten bis zur Wiedervereinigung. Vor allem jedoch geht es um Emanzipation, auch wenn die „Heldinnen“ das so nicht sagen. „Wir waren hartgesotten“, erinnert sich Hannelore Ratzeburg, die frühere DFB-Vizepräsidentin für Frauen- und Mädchenfußball, an ihre aktive Zeit in den westdeutschen Siebzigern: Sexismus war Normalität.


Mädchen können kein Fußball spielen“, D 2025. Buch und Regie: Torsten Körner. ARD, 4. Juli, 23.15 Uhr (ARD-Mediathek: ab 3. Juli)

 

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