Verbände: Paragraph 353d Nr. 3 muss weg

leuchtendes Paragrafzeichen

Viele Einschüchterungsklagen (SLAPPs) werden nicht als solche erkennbar sein, fürchtet die dju in ver.di. Foto: 123rf

Die Organisation „FragDenStaat“ hatte 2023 Dokumente aus drei laufenden Gerichtsverfahren – unter anderem zu den Razzien bei der „Letzten Generation“ und „Radio Dreyeckland“ – veröffentlicht. Daraufhin nahm die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen den Chefredakteur von „FragDenStaat“ auf. Grundlage ist § 353d Nr. 3 StGB, gemäß dem Dokumente aus laufenden Gerichtsverfahren nicht im Wortlaut publiziert werden dürfen. Die dju in ver.di fordert, den Strafrechtsparagraphen § 353d Nr. 3 abzuschaffen und hat hierzu gemeinsam mit anderen Organisationen eine Stellungnahme eingereicht.

„Die Norm kriminalisiert wahrheitsgemäße Berichterstattung“, begründet dju-Vorsitzende Tina Groll den Schritt in einer Pressemitteilung vom 11. Januar. „Unter Androhung von Freiheitsstrafe werden wörtliche Veröffentlichungen aus Prozessen verboten, während sinngemäße Wiedergaben erlaubt sind. Der informierten, sachlichen Debatte ist diese aktuelle Regelung nicht dienlich, genauso wenig wie dem Schutz der Prozessbeteiligten. Das haben auch zahlreiche Gerichte über Jahre hinweg festgestellt, bis hin zum Europäischen Menschenrechtsgerichtshof. Die journalistische Sorgfaltspflicht gebietet bereits, über Veröffentlichungen im Einzelfall nach den Regeln bspw. des Pressekodex zu entscheiden. Diese Regelung aus dem Strafgesetz macht Teile von Akten aus öffentlich verhandelten Gerichtsprozessen zu vermeintlichen Geheimdokumenten.“

Journalist*innen brauchen Rechtssicherheit

In der gemeinsamen Stellungnahme kritisieren die Organisationen daneben den unklaren Anwendungsbereich der Strafnorm. Was „amtliche Dokumente“ sind, ist ebenso umstritten wie die Fragen, wann ein Verfahren abgeschlossen ist oder eine Veröffentlichung in „wesentlichen Teilen“ erfolgt. Tina Groll dazu:

„Journalist*innen brauchen Rechtssicherheit, um die Öffentlichkeit zuverlässig zu informieren. Schwammige Paragraphen, die fürs Zitieren ein Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bringen können, schrecken vor Berichterstattung ab.“

Dabei sei gerade bei den in Rede stehenden Verfahren das öffentliche Interesse hoch und die Gesellschaft auf seriöse Medienberichterstattung angewiesen. Die Organisationen fordern daher, den § 353d Nr. 3 StGB abzuschaffen oder eine Ausnahme für Journalist*innen einzuführen.


Update 18.10.2024: Arne Semsrott von „Frag den Staat“ stand vor Gericht, weil er Dokumente aus einem laufenden Ermittlungsverfahren veröffentlicht hatte. Die Richter boten eine Einstellung des Verfahrens an – er lehnte ab. Statt dessen urteilte das Berliner Landgericht und sprach ihn schuldig. „Frag den Staat“ kündigte eine Revision an.

„Das Urteil zeigt: Paragraph 353d Nr. 3 Strafgesetzbuch ist veraltet und gehört abgeschafft. Es darf nicht sein, dass faktenbasierter Journalismus kriminalisiert wird. Das Strafgesetzbuch wird so zu einer Gefahr für die Pressefreiheit. Gerade in Zeiten zunehmender Desinformation müsste korrekte Berichterstattung gestärkt werden. Wenn die Bundesregierung nicht handelt, machen wir weiter – und zwar bis zum Verfassungsgericht“, kommentiert Semsrott.

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