Weniger Geld, mehr Sicherheit

Österreichs Journalisten einigen sich mit Verlegern auf neuen Kollektivvertrag

Ein heißer Herbst hat im letzten Jahr den Durchbruch gebracht. Am Ende einer Verhandlung, die manchmal nicht unähnlich einer Fahrt mit der Hochschaubahn im Wiener Prater verlaufen ist und mehr als vier Jahre gedauert hat, steht nun ein neuer Kollektivvertrag (KV) für Österreichs Journalistinnen und Journalisten an Tages- und Wochenzeitungen und bei „digitalen redaktionellen Diensten“. Der KV lässt sich auf einen kurzen Satz komprimieren: Es gibt weniger Geld, aber mehr Sicherheit. Und: Es ist der Journalistengewerkschaft in der GPA-djp gelungen, den Geltungsbereich zu erweitern.

Bewegung in die Verhandlungen haben letztlich die Demonstrationen der Journalistinnen und Journalisten im Herbst in ganz Österreich gebracht Foto: GPA-djp
Bewegung in die
Verhandlungen haben letztlich
die Demonstrationen der
Journalistinnen und Journalisten
im Herbst in ganz Österreich
gebracht
Foto: GPA-djp

Dem Inkrafttreten des neuen Kollektivvertrags Anfang Juli steht nun nichts mehr im Wege, nachdem die Journalisten in einer Urabstimmung, die vor wenigen Tagen zu Ende gegangen ist, zu mehr als 90 Prozent grünes Licht gegeben haben. Die Zeitungsherausgeber haben den neuen Vertrag Ende Mai ebenfalls abgesegnet. Die Verlage arbeiten nun bereits an den Umstellungen der Gehaltsverrechnungen ab Juli.
Die Eckdaten der Vereinbarung: Die Gehaltskurve wurde abgeflacht, auch die Einstieggehälter werden künftig spürbar niedriger sein als bisher. Allerdings sind die gut ausgestatteten sozialen Bestimmungen dieses KV, die über das in Österreich geltende Sozialsystem hinausgehen, erhalten geblieben und in einigen Punkten sogar erweitert worden – so gibt es nun etwa eine sehr flexibel gestaltbare Regelung für Sabbaticals.
VÖZ und Gewerkschaft einigten sich auf einen „gemeinsamen Redakteursbegriff“. Erfasst sind zudem „technisch-redaktionelle Dienste“ (TRD), worunter Berufe wie Layouter, Grafiker, Bildbearbeiter oder Cutter zu verstehen sind, soweit sie im redaktionellen Bereich arbeiten. Zudem sollen „Umgehungsverträge“ vermieden werden, indem ständige bzw. pauschalierte „Freie“ angestellt werden müssen.
Einer der Kernpunkte eines jeden Kollektivvertrags ist freilich das Geld und hier werden Österreichs Journalisten mit weniger auskommen müssen: Wenn man den Tarif für Redakteurinnen und Redakteure im ersten Berufsjahr, der bisher gegolten hat, mit jenem ab Juli vergleicht, so klafft eine Lücke von 19 Prozent (bezogen auf das Jahreseinkommen). Außerdem mussten sie bei den Quinquennien – Erhöhungen alle fünf Jahre zusätzlich zu den auszuverhandelnden jährlichen Tariferhöhungen – leicht nachgeben. Und schließlich wird das so genannte „15. Gehalt“ in einigen Jahren der Geschichte angehören.
Dazu muss ein bisschen ausgeholt werden: Österreichweit sind „Urlaubs-„ bzw. „Weihnachtsgeld“ in der Höhe eines Monatsbezugs üblich, also 14 Gehälter im Jahr. Vor mehr als 30 Jahren gab es in Österreich eine zweistellige Inflation, die damals die Herausgeber nicht in vollem Umfang mit der Tariferhöhung abdecken wollten. Sie haben dagegen angeboten, Urlaubs- und Weihnachtsgeld um jeweils 50 Prozent zu erhöhen, also ein 15. Gehalt. Jahrzehnte später haben die Verleger diesen Deal aufgekündigt und mit dem Abbruch der Verhandlungen gedroht: „Keine Einigung ohne Abschmelzen des 15.“ Ab der Tarifrunde 2014 wird die Hälfte der jeweils ausgehandelten Lohnerhöhung von diesem 50-Prozent-Zuschlag abgezogen, bis dieser abgeschmolzen ist.

Mehr Tarifbindung

Wer diese Rechnung anstellt, muss allerdings der Vollständigkeit halber dazu sagen, dass das erste Berufsjahr als Zeitungsredakteurin oder -redakteur bisher nicht mit dem Tag begonnen hat, an dem sie oder er erstmals in einer Redaktion zu arbeiten begann. Es konnte fünf Jahre dauern, bis jemand als Redakteur eingestuft wurde, nachdem er oder sie sich ein halbes Jahrzehnt als „Aspirant“ verdient gemacht hatte. In der Praxis hat es oft länger gedauert, weil es dafür gewisse Hintertürchen gab. Die wurden jetzt zugemacht.
Außerdem haben sich die Herausgeber zu einer so genannten „Rucksackregelung“ verpflichtet. Sie bindet die Unternehmen, die im Journalisten-KV verankerten Rechte Mitarbeitern auch dann zu geben, wenn eine Redaktion in eine neue Firma ausgelagert wird. Auch wer aus dem Zeitungsherausgeberverband austritt, wird den KV nicht los: Mitarbeitern müssen Geldeinbußen für vier Jahre gezahlt werden. Auslagerungen, die aufgrund des österreichischen Gewerbe- und Arbeitsrechts möglich sind, werden deutlich unattraktiver.
Aus Arbeitnehmersicht steht auf der Erfolgsseite, dass Fehlentwicklungen der vergangenen 15 Jahre teilweise repariert werden können: Die Verleger werden nun zur Jahresmitte in den Zeitungsherausgeberverband (und damit in den Geltungsbereich des Kollektivvertrags) mit Firmen eintreten, die in den vergangenen 15 Jahren eigens gegründet worden waren, um den Journalisten-KV zu umgehen. Damit kommen zu den knapp 1.300 Journalisten, die derzeit Verträge aufgrund dieses KV haben, 200 dazu (überwiegend Leute in Online-Redaktionen). Und weitere 100 Journalisten, die bisher ohne Anstellungsvertrag tagtäglich in den Redaktionen tätig gewesen sind, werden angestellt. Branchenweit, so hört man, haben Betriebsräte ein geschärftes Auge auf potenzielle Hintertürchen. Insgesamt also: weniger Geld, mehr Sicherheit.

 

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