10 Jahre Journalisten-Weiterbildung – ab Wintersemester 97/98 mit Studiengebühren
Wenn ein Studiengang sein zehnjähriges Bestehen feiert, dann ist das eigentlich nichts besonderes. In diesem Fall aber doch. Denn erstens handelt es sich um ein Weiterbildungsstudium, also keine Erstausbildung und zweitens leistet sich diesen „Luxus“ eine Hochschule, die finanziell am Stock geht.
Die Journalisten-Weiterbildung (JWB) der Freien Universität Berlin feierte am 4. Juli mit einem Symposium ihr Jubiläum unter der Überschrift „Blick zurück und Blick nach vorn“. Zu diesem Geburtstag waren alle erschienen: diejenigen, die diese einzigartige universitäre Weiterbildung auf den Weg gebracht und über Jahre mit Leben erfüllt haben, jede Menge Weiterbildungs-Sympathisanten aus anderen journalistischen Schulungs-Angeboten, und natürlich diejenigen, die in den Genuß gekommen sind, ihr journalistisches Handwerkszeug mit wissenschaftlicher Präzision zu schärfen und jetzt nach mindestens 3jähriger Schufterei den akademischen Titel „Lic. rer. publ.“ tragen. Wir erfahren beim Blick zurück, daß es davon weltweit erst 117 gibt – vornehmlich im deutschsprachigen Raum.
Und daß dies auch in Zukunft so bleiben soll, verspricht in der Feierstunde der Vizepräsident der Freien Universität, Prof. Dr. Werner Väth. Er rückt mit einem besonderen Geburtstagsgeschenk heraus: einem Versprechen, das bei dem wissenschaftlichen Leiter der JWB, Stephan Ruß-Mohl und anderen Beteiligten für sichtliche Erleichterung sorgt. Auf die extrem knappe Personalsituation bezogen, meint er: „Ich kann versprechen, daß da kein Desaster eintritt.“ Warum gerade dieser Studiengang, der als exotisches Kleinod in der Berliner und wohl auch deutschen Uni-Landschaft immer wieder vom Untergang bedroht war, für die Uni-Leitung wichtig erscheint, formuliert ihr Repräsentant deutlich: „Die Hochschulen brauchen Sie, die Journalisten.“ Dies beziehe er nicht nur auf die Veröffentlichung wissenschaftlicher Arbeit, sondern auch auf den Einfluß auf die Politik. Und der letztgenannte Punkt scheint im Augenblick wohl von besonders großer Bedeutung zu sein. Wer nämlich über die Hochschulpolitik in Berlin berichtet, befindet sich in dem sprachlichen Dilemma, ständig auf der Suche nach Synonymen für „Kahlschlag“, „Sparzwang“ und „totsparen“ zu sein, um endlose Wiederholungen zu umgehen. Im Fall FU heißt das kurz: eine Halbierung aller Ressourcen.
Ganz ungeschoren kommt die JWB allerdings nicht davon. Im Wintersemester 1997/98 werden von jedem 500 DM Studiengebühren pro Semester erhoben. Das sei angesichts der Kosten „nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, meint der wissenschaftliche Leiter der JWB, Stephan Ruß-Mohl. Andere fürchten mit der Einführung der Gebühren den Beginn einer Kostenspirale, ein Luxus-Studium, das sich nur noch fest angestellte oder gut verdienende Journalisten leisten können. (Gegen die Gebührenbescheide werden mit Unterstützung der IG Medien Rechtsmittel eingelegt.) Dennoch wollten die Betroffenen nicht tatenlos zusehen, wie es mit dem einzigartigen Weiterbildungsangebot unaufhaltsam bergab geht. Sie gründeten im Frühjahr am Rande eines Seminars zur empirischen Forschung einen Förderverein und tauften ihn auf einen großen Berliner Hochschul-Publizisten. Die „Fritz-Eberhard-Gesellschaft zur Förderung der Journalisten-Weiterbildung e.V.“ soll dringend benötigte Gelder einwerben. „Wir hoffen, daß außer Journalisten vor allem auch die Nutznießer der Weiterbildung, die Verlage und Rundfunkanstalten ihre Unterstützung zusagen“, meint ein Gründungsmitglied. Zum 10jährigen Bestehen konnte erstmals auch der Fritz-Eberhard-Preis vergeben werden. Der Preis in Höhe von 500 DM lockt jedes Jahr für die Absolventin/den Absolventen mit der besten Abschlußarbeit. Diesmal teilen sich Antje Seilkopf (33) von der „Mitteldeutschen Zeitung“ und Peter Stöferle (32) von der „Augsburger Allgemeinen“ den Preis. Unter der Überschrift „Zwangsarbeit hat eine Adresse“ hat Stöferle anhand von Karteikarten des Einwohnermeldeamts Neu-Ulmer Zwangsarbeitslager im Dritten Reich recherchiert. Er dokumentiert 80 solcher Lager, 6-8 waren bis dato bekannt. Antje Seilkopf widerlegte anhand ihrer Untersuchung „Gewalt auf dem Schulhof“ in der Stadt Sangerhausen (mit 24,4 % höchste Arbeitslosenquote des Landes) bestehende Vorurteile. Die Statistik zum Studiengang liest sich – verglichen mit anderen Fernstudienangeboten – wie eine Erfolgsbilanz: die Absolventenquote liegt bei 43%, 45 % brechen ab, 12 % unterbrechen ihr Studium. Und noch eines zeigt eine Umfrage unter den Studierenden: je länger der Abschluß zurückliegt, desto mehr Absolventen kommen zu dem Schluß: „Die Schufterei hat sich gelohnt.“