Eva-Maria Matzerath beim SWR als Gesamtpersonalratschefin wiedergewählt
Es stört sie nicht, wenn man sie salopp als „Kampfkugel“ bezeichnet oder freundlich „Mutter Eva“ nennt. Beides beschreibe wesentliche Seiten ihres Charakters, meint Eva-Maria Matzerath, Gesamtpersonalratsvorsitzende des Südwestrundfunks. Eine Funktion, in der sie sowohl ihre kämpferischen Qualitäten – „Ich bleibe auch im Sturm gerade stehen, dann erst recht. Man kann mich schlecht einschüchtern.“ – als auch das Mütterliche, das Sich-Kümmern – „Kinder habe ich nicht, aber adoptiere gern meine Leute.“ – gut miteinander verbinden kann.
Diese Mischung von Sturm und Wärme wird honoriert. Gerade wurde Eva Matzerath mit beachtlicher Mehrheit in ihrer Funktion wiedergewählt. Die große Akzeptanz, sagt sie selbst, sei „im wahrsten Sinne des Wortes erarbeitet“, in jahrelanger Kleinarbeit, in zig Konfliktfällen, bei zahllosen Lösungsbemühungen. Sie versuche dabei immer fair zu blieben: „Ich stelle mich einem schreienden Intendanten öffentlich in den Weg. Ich unterstütze ihn auch, wenn er meiner Überzeugung nach etwas politisch Richtiges sagt oder tut.“ Populismus sei ihre Sache nicht, Verlässlichkeit und Vertrauen schon eher.
Pflöcke eingeschlagen
Die findet sie auch im Gesamtpersonalrat, dem sie seit der Fusion zum SWR 1998 angehört und nun in der dritten Wahlperiode vorsteht. Am Anfang sei die Zusammenarbeit nicht so einfach gewesen – „eine Fusion ist ja immer zuerst psychischer Stress“. Die drei großen Standorte Stuttgart, Mainz und Baden-Baden hatten ihre Geschichte und besitzen bis heute Spezifik und unterschiedliches Profil. Dafür zu sorgen, dass alle Beschäftigten zu ihrem Recht kommen, dass sie „zumindest die gleichen Bedingungen haben“, war wichtig, aber aufreibend. Mittlerweile sind Pflöcke eingeschlagen, hat sich auch der elfköpfige Gesamtpersonalrat so gut zusammengerauft, dass Eva Matzerath lachend von einem „Konsensgremium“ spricht: „Wir machen keine Kampfabstimmungen, wir diskutieren die Sache solange durch, bis alle damit leben können.“ Und zu debattieren gab es einiges in den vergangenen Jahren. So beim fusionsbedingten Arbeitsplatzabbau. Von ursprünglich 4400 Stellen im „Endausbau“ auf 3650 zu gelangen, ohne im TV-Bereich betriebsbedingte Kündigungen zuzulassen, war ein hartes Stück Arbeit auch für die Personalräte. Betroffen waren vorrangig Technik und Produktion sowie Verwaltung. „Im Ergebnis machen wir mit weniger Personal eher mehr Programm, es gab spürbare Arbeitsverdichtung. Doch es ging einigermaßen gerecht und sozialverträglich zu.“ Das gelte auch für den Stellenabbau bei den freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Seit 2002 sind laut Rahmenvereinbarung etwa 100 solche Stellen weggefallen, bei gleichbleibendem Arbeitsvolumen. Zum Glück habe man mit dem neuen Hauptabteilungsleiter Personal einen konstruktiven Partner. Das Konzept, Feste und Freie in Einheit zu betrachten, sei mit ihm umzusetzen. So konnte die Personalplanung intensiviert werden, was einschließe, nicht im Programm tätige Freie nach Möglichkeit fest einzustellen. Sinnvolle Abwägung stand auch beim SWR-Projekt EFA im Mittelpunkt, in dem es um Eigenproduktion, Fremdvergabe und Ausgliederung ging: „Ausgliederung konnten wir weitgehend verhindern, Fremdvergabe nicht. Aber wir haben um jede Produktion heftig gekämpft. Im Verhältnis macht der SWR heute noch sehr viel selbst“, meint Eva Matzerath. Am „Selbstverständnis“ der zusammenwachsenden Sendeanstalt mit zehn Studios, acht Regional- und elf Korrespondentenbüros in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz werde weiter gearbeitet. „Wir haben immer darauf gedrungen, die Unternehmensphilosophie neu zu bestimmen“, meint die GPR-Chefin. Man sei auf dem Weg, gegenwärtig werde ein „Leitbild“ erarbeitet. Auch im Hinblick auf den neuen Intendanten, der im Frühjahr 2007 als Nachfolger von Peter Voß ins Haus komme, sei das nicht unwichtig. Eva Matzerath wird mit dem „Neuen“ zu tun bekommen.
Lebendiges Kompendium
Sie sieht dem gelassen entgegen. Die „Kugel“ ruht auch in sich. Mit ihrem bisherigen Lebensweg ist sie im Reinen, obwohl er nicht ohne Brüche lief. Dass sie mal Archäologin, „eine Frau Schliemann“, werden wollte, liegt lange zurück, hat ihr aber – eher aus Versehen – ein Examen in moderner Orientalistik, Kenntnisse in drei Fremdsprachen und ein lebenslanges Hobby eingebracht, weil sie in diesem Beruf nie eine Stelle bekam. Übers Jobben in einer Buchhandlung und beim Großhandelsriesen Metro, wo sie Anfang der 80er Jahre schon als Betriebsratsvorsitzende aktiv war, hat sie seinerzeit die Chance ergriffen, die sich mit einem Volontariat beim Süddeutschen Rundfunk bot. Der „übliche Weg“ führte sie von der freien zur festangestellten Redakteurin und Moderatorin bei Radio Stuttgart, deren Altstimme, so Insider, damals von mindestens zwei Päckchen Zigaretten pro Tag genährt wurde. Ihr Entwöhnungsprogramm sieht sie inzwischen bei täglich „nicht mehr als zehn“ Selbstgedrehten.
Ende der 90er Jahre zur freigestellten Personalrätin geworden zu sein, bereut sie „überhaupt nicht“. Sie habe die „neue Herausforderung“ gesucht und „richtig viel gelernt“ seither, „das Gesamtgefüge des Senders“ ergründet. Als „lebendiges Kompendium“ des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wolle sie ihr Wissen und ihre Erfahrung gern weitergeben, in der Bundestarifkommission, im heimischen Landesfachbereichsvorstand und als Vorsitzende des ver.di-Betriebsverbandes SWR. Da sie alle ihre Notizbücher aufgehoben hat, kann sie sich gut vorstellen, künftig daraus manches für ihre Personalratsnachfolger „aufzuarbeiten“. Dass sie sich noch immer sehr für die arabische Welt interessiert und viel reisen möchte, gehört ebenfalls ins Kapitel Zukunft. Zunächst mache sie beim SWR „aber noch ein bisschen weiter, vier Jahre mindestens“.