Der wiederbelebte Streit um die Medienbeteiligungen der SPD
„Wir müssen aufpassen, dass es regional hierzulande nicht so etwas wie ‚Berlusconi von links‘ gibt.“ Wenn Günter Nooke, medienpolitischer Sprecher der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion, auf den Medienbesitz der SPD zu sprechen kommt, gerät er leicht in Rage. Kürzlich bekam der Berliner mal wieder neuen Stoff für geharnischte Proteste.
Als die SPD-Medienholding Deutsche Druck und Verlagsgesellschaft DDVG Ende Januar den Verlag der „Frankenpost“ übernahm, ahnten die Parteimanager, dass es wieder Ärger mit der CDU / CSU geben würde. Schließlich geißeln die Konservativen seit Jahr und Tag den vermeintlich pressefreiheitsgefährdenden Einfluss der Sozis in den Medien. Daher beeilte sich die SPD, ausdrücklich auf den provisorischen Charakter dieser Übernahme hinzuweisen. Es gehe nicht darum, die „Frankenpost“ auf Dauer zu behalten. Vielmehr habe man dem Süddeutschen Verlag aus einer kartellrechtlichen Bredouille helfen wollen (s. Artikel S. 16). Genutzt hat es wenig. Den Konservativen dient der Vorgang als willkommener Anlass, die Rolle der SPD- Medienbeteiligungen auf die politische Tagesordnung zu setzen.
Die SPD als erfolgreiche Verlegerin sorgt bei den politischen Gegnern regelmäßig für Zeter und Mordio. Vor allem in Wahlkampfzeiten. Dabei hatte die SPD mit ihren parteieigenen Medien in der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte nicht immer eine glückliche Hand. Blätter wie das „Hamburger Abendecho“, die „Kieler Morgenzeitung“ oder den Berliner „Telegraf“ wirtschaftete sie in den sechziger und siebziger Jahren in den Ruin. Als 1981 nach langjähriger Chaoswirtschaft das Boulevardblatt „Hamburger Morgenpost“ in einer Nacht-und-Nebel-Aktion verhökert wurde, stand wenig später in einem Branchenblatt ein bezeichnendes Stellengesuch: „Morgenpost-Redakteur, 35 Jahre, keine Niete, sucht nach eindrucksvollen Erfahrungen mit sozialdemokratischen ‚Managern‘ einen echten kapitalistischen Verleger.“
Meinungsfreiheit bezweifelt
Aus dem Niedergang der Parteipresse zog die SPD eine klare Konsequenz: Fortan engagierte sie sich – meist mit Minderheitsbeteiligungen – nur noch bei etablierten Zeitungstiteln. Im Geschäftssjahr 2001 warfen diese Beteiligungen immerhin einen Gewinn von mehr als 18 Millionen Euro ab. Auch im vergangenen Jahr soll es nach Verlagsangaben trotz branchenweiter Rezession noch für einen Überschuss von neun bis zehn Millionen gereicht haben. Etwa die Hälfte der Gewinne führt die DDVG direkt in die Parteikasse ab. Eine so sprudelnde Einnahmequelle ruft erfahrungsgemäß Neider auf den Plan. Allen voran die spendenaffärengebeutelte CDU / CSU. „Ein Netz aus Medien-Beteiligungen spannt sich über die gesamte Republik“, wettert unlängst Sachsens CDU-Sprecher Clemens Löcke im Mitteilungsblatt der sächsischen Union. Insgesamt, so errechnete der CDU-Mann, habe die DDVG „Anteile an 23 Zeitungen und 38 Anzeigenblättern mit einer Gesamtauflage von rund 6 Mio. mit 12 Mio. Lesern. Die SPD ist quasi ein Medienkonzern in der Größenordnung des Springer-Verlages.“
DDVG-Geschäftsführer Jens Berendsen hält derlei Zahlenwerk für „absurd“. Um zu einem realistischen Ergebnis zu kommen, müsse man natürlich die Zeitungsauflagen nach den jeweiligen SPD- Anteilen gewichten. Seriöse Berechnungen, so Berendsen, sähen die DDVG in einem bundesweiten Ranking auf Platz 11 deutscher Zeitungsverlage.
Der Medienforscher Horst Röper errechnete für die Tageszeitungsanteile der DDVG eine gewichtete Gesamtauflage von 435.000 Exemplaren. Berücksichtigt wurden insgesamt 14 Tageszeitungen, an denen die SPD-Holding jeweils mindestens 25 Prozent des Kapitals hält. In der Summe ergab das Anfang 2002 einen bundesweiten Marktanteil von 1,9 Prozent. Zu den wichtigsten Posten zählen Anteile an der „Sächsischen Zeitung“, an der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ oder am „Freien Wort“ im thüringischen Suhl. Bis zur vollständigen Übernahme der „Frankenpost“ besaß die DDVG nur bei einem Blatt die Mehrheit: bei der „Neuen Westfälischen“ in Bielefeld. Dort, so Geschäftsführer Berendsen, sei unter den Gesellschaftern Einstimmigkeit bei Geschäftsentscheidungen festgelegt worden. Immer wieder wird der SPD vorgeworfen, sie übe in ihren Blättern unzulässigen Einfluss auf die Berichterstattung aus. Es sei doch geradezu absurd, findet Günter Nooke, wenn die Sozialdemokraten glauben machen wollen, dass in ihrer Parteipresse Meinungsfreiheit bestehe und die Zeitung nicht auch SPD-Politik mache.
Alarm in Sachsen
Um die redaktionelle Unabhängigkeit der Zeitungen mit SPD-Beteiligung nachzuweisen, beauftragte die DDVG den Leipziger Kommunikationswissenschaftler Michael Haller mit einer Untersuchung. Haller verglich dabei die Berichterstattung über den SPD-Bestechungsskandal in Köln und über die „Stern“-Vorwürfe gegen die CSU im Zusammenhang mit der Parteispendenaffäre. Verglichen wurden die Inhalte von Zeitungen mit SPD-Beteiligung – „Hannoversche Allgemeine Zeitung“, „Sächsische Zeitung“ und „Leipziger Volkszeitung“ – mit der Berichterstattung dreier Regionalzeitungen ohne Parteianteile sowie der „Welt“. Haller kam zu dem Schluss, die Zeitungen mit SPD-Beteiligung hätten keine kritische Berichterstattung über die SPD unterdrückt. Sie würden zum Teil die SPD sogar kritischer behandeln als vergleichbare andere Regionalzeitungen. Auch eine verstärkte Kritik an der CDU / CSU könne nicht festgestellt werden, so Haller. Sein Fazit: „Der unterstellte Einfluss der SPD auf die politische Linie der Blätter erweist sich als Phantasiegebilde.“
Die Konservativen wollen gleichwohl nicht lockerlassen. Per gemeinsamer Bundesratsinitiative der Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen soll es nun dem vermeintlichen SPD-Medienimperium an den Kragen gehen. Als neuerlichen Beleg für die massive regionale Medienmacht der SPD verweist die CDU auf die Situation in Sachsen. Als aber die SPD unlängst die „Frankenpost“ in Hof zu 100 Prozent übernahm, schlug die sächsische CDU Alarm. Denn mit der „Frankenpost“ erwarben die Sozialdemokraten auch den kleinen „Vogtland-Anzeiger“ in Plauen. Für Sachsens CDU-Generalsekretär Hermann Winkler liegt der Fall damit klar: „Die Monopoly-Spieler der SPD gefährden die Pressefreiheit.“
Tatsächlich ist die SPD-Holding Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft DDVG an drei der vier größten Tageszeitungen des Landes beteiligt. Darunter immerhin mit jeweils 40 Prozent an der „Sächsischen Zeitung“ und der „Dresdner Morgenpost“, deren Mehrheit bei Gruner+Jahr liegt. DDVG-Co-Geschäftsführer Gerd Walter mag gleichwohl von einer politischen Einflussnahme auf diese Blätter nichts wissen. Es sei mit Blick auf die sächsische Situation wohl „unvorstellbar, dass dann der Mehrheitsgesellschafter Gruner+Jahr sich von der DDVG sagen ließe, wohin die Reise bei der Sächsischen Zeitung geht“.
Zudem, so Walter, bekenne sich die SPD ausdrücklich zum Grundsatz der inneren Pressefreiheit. Doch die CDU / CSU will jetzt Nägel mit Köpfen machen. Ermutigt durch die Erfolge bei den jüngsten Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen will sie angreifen. Hermann Winkler schwebt dabei eine Art Doppelstrategie vor. Zum einen sollen die Landesmediengesetze der einzelnen Bundesländer auf den Prüfstand gestellt, zum anderen das Parteiengesetz auf Bundesebene abermals reformiert werden.
Mehr Transparenz durch Berliner Pressegesetz
Bereits im vergangenen Frühjahr hatten die Konservativen versucht, bei der damaligen Neufassung des Parteiengesetzes eine Regelung einzubauen, nach der den Parteien die Beteiligung an Medien untersagt ist. Das scheiterte an der rot-grünen Regierungsmehrheit. Die Parteienfinanzierungskommission, die das Gesetzgebungsverfahren begleitete, sahen die erwerbswirtschaftliche Tätigkeit von Parteien grundsätzlich als verfassungskonform an. Mehr noch: „Parteien“, so die Kommission, seien „Träger des Grundrechts der Eigentumsfreiheit, das nicht nur das Eigentum selbst, sondern auch dessen wirtschaftliche Nutzung schützt“. Die SPD sieht somit dem neuerlichen Vorstoß der CDU / CSU gelassen entgegen. Ein Versuch, der SPD ihren Medienbesitz zu verbieten, liefe auf „verfassungswidrige Enteignungen“ hinaus, kommentierte SPD-Schatzmeisterin Inge Wettig-Danielmeier. Bislang seien es nur undemokratische Regime gewesen, die den Sozialdemokraten ihr rechtmäßig erworbenes Eigentum entzogen hätten. Genervt durch die Dauerattacken des politischen Gegners wollen die Sozis jetzt zurückschlagen. Per Einstweiliger Verfügung will die Partei der CSU aus ihrer Sicht unzutreffende Äußerungen über ihren Medienbesitz verbieten lassen. So zum Beispiel die Behauptung des bayerischen Staatsministers Erwin Huber, die DDVG bilde mit einer kontrollierten Zeitungsauflage von zwei Millionen Exemplaren „eine Gefahr für die politische Chancengleichheit und für die freie öffentliche Meinungsbildung“. Eine entsprechende Verfügung des Landegerichts Berlin hatte die SPD bereits Mitte Februar gegen die bayerische Staatsregierung erwirkt.
Vielleicht würde ein wenig mehr Transparenz in den Medien schon zur Entschärfung des Konflikts beitragen. Das Berliner Abgeordnetenhaus ist Ende letzten Jahres mit gutem Beispiel vorangegangen, als es auf Antrag der CDU-Fraktion im Berliner Pressegesetz eine Offenlegungspflicht der Medien verankerte. Demnach müssen Tages- und Wochenzeitungen halbjährlich, Monatstitel jährlich im Impressum Auskunft über die jeweiligen Besitzverhältnisse geben. Nach dem leicht polemischen Motto: Wo SPD drin ist, soll auch SPD drauf stehen.