Verhältnis von Polizisten und Journalisten hat sich entspannt
Behinderungen, Streitereien, Handgreiflichkeiten, Klagen – die Liste der Häßlichkeiten zwischen Polizei und Presse ist lang. Jeder Beamte, jeder Journalist kennt Beispiele, in denen die Zusammenarbeit nicht funktioniert hat.
„Vor Ort hat das Einsatzgeschehen absoluten Vorrang vor den Medien“
In Saarbrücken etwa verhängte die Polizei nach einer Schießerei ein Fotografierverbot, drohte Bildjournalisten mit Festnahme. In Dortmund hörten Journalisten nach einem Hubschrauberabsturz den Polizeifunk ab. Ohne Bestätigung veröffentlichten sie die Namen der Opfer und so wurden irrtümlich auch Menschen totgesagt, die mit dem Unglück gar nichts zu tun hatten. Extremfälle, Entgleisungen, die das Verhältnis zwischen Polizei und Medien belasten.
Doch solche Beispiele sind offenbar Einzelfälle, die oft später im Gespräch beider Seiten geklärt werden können. Als meist „auskunftsfreudig“ erlebt die freie Journalistin Franziska Hundseder (IG Medien und Deutscher Presserat) die Polizisten. „Vernünftige Zusammenarbeit“ sieht Oliver Bendixen, Polizeireporter des Bayerischen Rundfunks. „Offensiver und professioneller“ sei die Pressearbeit in den letzten fünf Jahren geworden, bilanziert der Saarbrücker Fotojournalist Frank Bredel, Autor des Buches „Polizei und Presse“. Probleme gebe es weniger mit den Pressestellen, sondern „hin und wieder“ mit Beamten vor Ort. Ursache der Reibereien seien oft „zwischenmenschliche Probleme“, so Bredel – gerade bei der Lokal- und Regionalberichterstattung ein wichtiger Punkt. Doch über Bemerkungen der Beamten wie „Wenden Sie sich an die Pressestelle“ müssen sich viele Journalisten am Tatort oder Unfallort ärgern, wie eine Diskussion des Internet-Journalistenforums Jo!Net deutlich machte. Oft Zeichen von Unsicherheit und Reaktion der Polizisten auf „wirklichkeitsfremde“ Vorschriften, meint Rüdiger Holecek, Sprecher der Gewerkschaft der Polizei (GdP) und verweist auf rechtliche Hemmnisse und Fallstricke etwa beim Datenschutz und beim Auskunftsrecht.
Zentralisierte Information
Tatsächlich ist die Information der Medien eben nicht nur professionalisiert, sondern auch in den Präsidien und Direktionen zentralisiert worden. Noch vor 15 Jahren habe es so gut wie keine Pressearbeit gegeben, erinnert sich GdP-Sprecher Holecek, damals habe sich darum die Vorzimmerdame des Polizeipräsidenten gekümmert. Heute sei Pressearbeit nicht mehr „lästiges Anhängsel“, sondern „integraler Bestandteil der Polizeiarbeit“. Inzwischen gibt es Pressestellen mit speziell ausgebildeten Beamten – auch wenn Auswahl und Ausbildung noch verbesserungswürdig seien, wie Franziska Hundseder anmerkt. Die Pressebeamten verstehen sich nicht mehr nur als Verwalter der staatlichen Auskunftspflicht, sondern als Informationsmanager und Öffentlichkeitsarbeiter. Sie reagieren nicht mehr nur auf Anfragen, sondern werden auch selbst aktiv und gehen auf Journalisten zu. Gemeinsame Seminare, Redaktionsbesuche oder Hospitanzen von Journalisten bei den Dienststellen sind an der Tagesordnung. An runden Tischen sprechen Polizei und Medien über die Zusammenarbeit – regelmäßig, nicht nur nach unerfreulichen Zwischenfällen. Die Informationen an die Presse fließen inzwischen schneller. Meldungen und Fahndungsfotos sind in manchen Regionen schon per Internet abrufbar. Mit Infoständen, Tagen der offenen Tür oder Plakataktionen gehen die Pressestellen an die breite Öffentlichkeit.
„Pressearbeit lohnt sich: Die Berichterstattung gewinnt an Qualität und die Polizei verbessert ihr Image“
(Hans-Peter Kammerer, Pressesprecher Polizeipräsidium Oberbayern)
Diese Initiativen sind politisch gewünscht. Die Landesregierungen haben erkannt: nur mit einem guten Image der Polizei bei den Medien lassen sich auch Themen außerhalb aktueller Fälle transportieren. Man will Punkte sammeln in der großen Debatte um Innere Sicherheit und Kriminalitätsbekämpfung. Karl-Heinz Dix, Polizeireporter der Münchener Boulevardzeitung tz, sieht darin die Hauptursache für die Presseoffensive der bayerischen Polizei unter dem früheren Innenminister und jetzigen Ministerpräsidenten Stoiber.
„Pressearbeit ist heute ein Fortbildungsinhalt für jeden Polizeiführer.“
Trotzdem gibt es auch in den neuen Strukturen Schwierigkeiten, etwa zwischen Polizeipressestellen und den Beamten vor Ort. Die „interne Kommunikation“ funktioniert oft nicht, bemängelt Frank Thewes, TV-Journalist beim Saarländischen Rundfunk. Ohne Kontakt der Pressestellen zur Basis sei es gerade für das Fernsehen in vielen Fällen schwierig, die Alltagsarbeit der Polizei darzustellen. Und: die Auskunftsfreude der Polizeipressestelle nütze wenig, so Thewes, wenn immer öfter die Justiz das Auskunftsrecht für sich reklamiere und Staatsanwaltschaften die Polizei „ausbremsen“.
Intensivierte Berichterstattung
Die Medien sind in diesem Spannungsfeld keineswegs eine homogene Masse. Mit dem Aufkommen von Privatfunk und Privatfernsehen haben auch viele öffentlich-rechtlichen Sender ihre aktuelle Berichterstattung intensiviert. Folge: am Tatort oder Unfallort treffen sich nicht wie früher zwei oder drei Polizeireporter, sondern manchmal Heerscharen von Journalisten und Fernsehteams. Für die Medien wächst damit der Druck, rasch und möglichst exklusiv an Informationen zu kommen. Die ermittelnden Polizisten vor Ort kommen im Presserummel immer häufiger in „Streßsituationen“, erklärt Rüdiger Holecek von der GdP, die dann auch zu Fehlreaktionen führen könnten. Und weil man häufig mit ortsfremden Reportern und TV-Teams zu tun habe, sei es eben nicht mehr möglich, später Korrekturen oder Zusatzinformationen zu übermitteln. „Was gesagt ist, ist gesagt“ – Polizisten sind mit diesem Druck im Fernsehzeitalter auch gelegentlich überfordert. Und teilweise schlecht ausgebildete Journalisten erkennen durch Übereifer und Konkurrenzkampf manchmal ihre Grenzen nicht. „Ich fühl mich da manchmal als Missionar“, kritisiert Hans-Peter Kammerer, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern, das mangelnde Fachwissen einiger Journalisten. Fazit auf beiden Seiten: Die Zusammenarbeit hat sich verbessert, wenn auch die neue Offenheit der Polizei nicht in jedem Fall zum Tragen kommt. Die Zusammenarbeit ist jetzt aber auch institutionalisiert und ein Stück entpersonalisiert. „Der direkte Kontakt hat sich reduziert“, bedauert BR-Reporter Bendixen. Persönliche Verbindungen würden von der Polizeiführung gezielt beschnitten, so tz-Redakteur Karl-Heinz Dix, um unerwünschte Tips zu verhindern. Der Polizeireporter beim Kegelabend der Kripo ist in den Zeiten moderner Öffentlichkeitsarbeit nur noch nostalgische Erinnerung.