Das Trennungsgebot im Pressekodex
Immer wieder erreichen den Presserat Beschwerden über die Vermischung von redaktionellem Text und Anzeigen (Ziffer 7 des Pressekodex). So befasste sich der Beschwerdeausschuss des Presserats auf seiner vierten Sitzung des Jahres u.a. auch mit zwei Fällen, in denen es um das sogenannte Trennungsgebot ging.
Eine Fachzeitschrift schickte ein Angebot für zwei einseitige Anzeigen in verschiedenen Ausgaben zum Preis von je 1.500, – Euro zzgl. MwSt. an einen Kunden. Das Angebot enthält den Hinweis, dass in der März-Ausgabe eine Reportage von mindestens drei Seiten über das Unternehmen kostenlos geben wird. Der Beschwerdeführer beim Presserat kritisiert die enge Verzahnung von Anzeigenangebot und einer dreiseitigen kostenlosen Reportage. Die Zeitschrift selbst sieht den Fehler auch ein. Man habe den Mitarbeiter der Anzeigenabteilung angewiesen, den Pressekodex künftig zu beachten. Für den Verstoß gegen die Ziffer 7 des Kodex wurde eine Missbilligung ausgesprochen.
Neue Werbeform
Als unbegründet hingegen wurde eine Beschwerde angesehen, in der es ebenfalls um eine vermeintlich Vermischung von Redaktion und Werbung ging. Eine Tageszeitung veröffentlichte auf der Titelseite eine so große Anzeige eines Geschäftes, dass für den redaktionellen Teil nur der Aufmacher blieb. Zusätzlich wurde der Aufmacher mitten im Satz abgebrochen. Die Fortsetzung stand auf der Seite 3 auf der „richtigen“ Titelseite. Ein Leser der Zeitung moniert, dass hier die geforderte klare Trennung zwischen redaktionellem Text und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken aufgehoben. Die Ausgabe sei kaum noch von einem „Sonderwerbeblatt“ zu unterscheiden sei. Die Redaktion hingegen teilt mit, dass das erste Buch der Ausgabe in eine vierseitige Anzeigenstrecke eingepackt worden sei. „Ad-Cover“ sei eine neue Form der Anzeigenstrecke, bei der die beiden ersten Anzeigenseiten vor der Titelseite der Zeitungsausgabe platziert seien. Mit dem redaktionellen Inhalt der Zeitung hätten diese Anzeigenstrecken nicht das Geringste zu tun. Weil es eine auffällige neue Werbeform sei, habe man an prominenter Stelle in der Ausgabe die Leser über diese Werbeform informiert. Der Presserat sah dies als konform zur Ziffer 7 des Kodex an, da für den Leser die Werbung eindeutig als solche erkennbar ist.
Missachtete Opferrechte
Insgesamt behandelte der Beschwerdeausschuss auf seiner Sitzung 26 Beschwerden. Dabei sprach er zwei Rügen, fünf Missbilligungen und sechs Hinweise aus. Elf Beschwerden wurden als unbegründet angesehen. Eine Beschwerde konnte nicht hinreichend aufgeklärt werden. Die zwei Rügen betrafen die BILD-Zeitung.
Sie hatte in einem Artikel vorverurteilend über einen Rentner berichtet, der eine Schlagersängerin an einer Supermarktkasse verprügelt haben soll. Die Sängerin hatte Strafanzeige gegen den Rentner gestellt. Dieser bestritt die Tat und stellte den Vorgang der Zeitung gegenüber völlig anders dar als die Künstlerin. Dennoch wurde der weitgehend identifizierbare Rentner in dem Bericht als „Prügler“ und „Supermarkt-Rowdy“ bezeichnet. Das wertete der Beschwerdeausschuss als Vorverurteilung in einem nicht abgeschlossenen Strafverfahren (Ziffer 13 des Pressekodex).
Eine nicht-öffentliche Rüge* erhielt die BILD-Zeitung, weil sie in der Berichterstattung über das jüngste Busunglück in Ungarn den tödlich verunglückten Busfahrer großformatig in einer Weise abgebildet hatte, dass er zumindest für seine Familie und für Menschen aus dem näheren persönlichen Umfeld erkennbar blieb. Sein Vorname, der erste Buchstabe des Familiennamens und das Alter wurden genannt. Der Beschwerdeausschuss wertete die Veröffentlichung als schwere Verletzung von Ziffer 8 Richtlinie 8.1 des Pressekodex.
Kein öffentliches Interesse
Für eine identifizierbare Darstellung des Busfahrers gab es nach Auffassung des Beschwerdeausschusses kein öffentliches Informationsinteresse, das die schutzwürdigen Belange des Betroffenen und seiner Angehörigen überlagert hätte. Die Verletzung von Persönlichkeitsrechten wurde noch durch die Schlagzeile „Er lenkte den Todesbus“ vertieft. Sie rückt den Toten in der Wahrnehmung von Lesern in die Rolle eines Täters. Dafür gab es jedoch keinen entsprechenden Tatsachenbezug.
* Nicht-öffentliche Rügen spricht der Presserat aus, wenn durch die Veröffentlichung einer öffentlichen Rüge, die das Organ auch abdrucken soll, die Persönlichkeitsrechtsverletzung wiederholt oder vertieft wird.