Diskussion um Auslagerung bei Rundfunkanstalten geht weiter
Der KEF-Bericht 1995 war Ausgangspunkt der anhaltenden Diskussion um die Auslagerung von Teilen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in privatrechtlich organisierte GmbH’s. Vorreiter spielte der Mitteldeutsche Rundfunk, der handstreichartig die Produktionstechnik seines Landesfunkhauses Erfurt anläßlich der Einrichtung des Kinderkanals in eine GmbH überführte.
Ausgerechnet der Westdeutsche Rundfunk zog nach und beauftragte die Unternehmensberatung Kienbaum mit Outsourcing-Untersuchungen in sechs Unternehmensbereichen. Die Beschäftigten und die Personalräte der Sender liefen Sturm gegen die Auslagerungspläne. Jetzt zeichnet sich eine neue Runde in der Outsourcing-Auseinandersetzung ab: In beiden Häusern sind Entscheidungen gefallen bzw. stehen bevor. Die anderen ARD-Anstalten beobachten die Aktivitäten in Köln und Leipzig aufmerksam: Man will wohl abwarten, was der ARD-Vorsitzende und der Chef der größten Anstalt an Ernte einfahren…
MDR: Strategische Investition in die Zukunft…
Beim Mitteldeutschen Rundfunk schien die Outsourcing-Debatte in den letzten Wochen jäh gestoppt: Die Firma Roland Berger habe sich gegen das Outsourcing ausgesprochen, wurde vermeldet. Tatsache ist, daß beim MDR zunächst ein Gutachten für den Bereich „Gebäudemanagement“ vorgelegt wurde, das dem MDR die Unwirtschaftlichkeit der Auslagerung bescheinigt.
Für weitere Bereiche, die Produktionstechnik von Hörfunk und Fernsehen sowie die Landesfunkhäuser tagten interne Untersuchungsteams unter der Leitung der Unternehmensberatung Berger. Anfang April wurden die Empfehlungen bekannt: Mehrheitlich hatten die Teams der zentralen Produktion Hörfunk und Fernsehen bescheinigt: nicht auslagerungsfähig. Lediglich für die Landesfunkhäuser der Drei-Länder-Anstalt gab es ein abweichendes Votum.
…mit Verlusten bis 2025
Das ließ der MDR-Intendant offensichtlich nicht auf sich sitzen: Er beauftragte die Berger-Truppe, einen „vertiefenden Endbericht“ vorzulegen, den die Direktoren Mitte Mai berieten. Dieser Endbericht kommt nun zu einer ganz anderen Bewertung: Danach ist die Auslagerung plötzlich eine „strategische Investition für die Zukunft“, die bis in die Mitte des zweiten Jahrzehnts des nächsten Jahrtausends nur Verluste einbringt. Dann aber – so Berger – werde sich das Blättchen wenden und spätestens 2025 habe sich das ganze Unternehmen amortisiert.
Während sich die Beschäftigten über soviel unternehmerische Weitsicht nur wundern können und sich dennoch in Unterschriftensammlungen gegen die Auslagerung der betroffenen Bereiche ausgesprochen haben, versuchen die Gewerkschaften gegenwärtig, den Intendanten von diesem Ritt ins Ungewisse abzubringen…
WDR: Auslagerung des Gebäudemanagements…
Beim WDR in Köln hatte der Personalrat von Anfang an jede Zusammenarbeit mit den dort tätigen Kienbäumen verweigert und frühzeitig gegen die Auslagerungspläne mobilisiert. 2500 Beschäftigte protestierten gegen die Auslagerung, die zunächst in fünf Bereichen angedacht war. Mittlerweile haben sich die Pläne von Pleitgen auf das sogenannte Gebäudemanagement – die WDR-Abteilungen Elektrotechnik, Haus- und Liegenschaftsverwaltung und Bau – konzentriert. Im Januar hatte er unter dem Protest der Betroffenen seine diesbezügliche Entscheidung bekanntgegeben. Die Maßnahme würde etwa 230 Kolleginnen und Kollegen betreffen (sieh M 10/97).
Der Personalrat und die IG Medien haben daraufhin intensive Gespräche mit den betroffenen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen geführt. Parallel hatte Pleitgen, dem die Proteste der Bauingenieure und Elektrotechniker nicht geheuer sind, ein Berater-Gremium aus Personalrat, Verwaltungsrat und Rundfunkrat zusammengerufen.
…mit ungewissen Kostenvorteilen
Darin wurden die Auslagerungspläne kontrovers diskutiert. Es stellte sich heraus, daß der Kostenvorteil von etwa 10 Millionen jährlich, den die Unternehmensberatung Kienbaum für eine GmbH-Lösung errechnete, auf recht eigenwilligen Annahmen beruhen. So heißt es in einer der vielen Präsentationen: „Die Erfahrungen von Unternehmen, die ihr Gebäudemanagement in eine eigenständige Gesellschaft überführt haben oder als Anbieter von Gebäudedienstleistungen den kompletten Gebäudeservice von Unternehmen übernommen haben (Lufthansa, Westdeutsche Immobilienbank, IBM/Zander), weisen auf Einsparungspotentiale von 15 bis 30% der Ist-Kosten hin.“
Kienbaum räumt dann ein, daß dies auf eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt, die gar keine Gebäude betreuen sondern Programm machen soll, nicht in gleichem Maßstab zuträfe. Doch: „Kienbaum hält es aber für realistisch, in einer WDR Gebäudemanagement GmbH die Hälfte der in der Branche erreichten unteren Kostensenkungsquote von 15% – also 7,5% – zu realisieren.“
„Reine Glaubenssache“
Der WDR-Personalrat bezeichnete die Wirtschaftlichkeitsbehauptungen folgerichtig als „reine Glaubenssache“. Kienbaum habe weder detaillierte Einsparungsmöglichkeiten aufgezeigt noch eine repräsentative Umfrage in der Branche zugrunde gelegt. Kienbaum beweise vielmehr die Kostensenkung bei Ausgründung aus sich selbst heraus. Der Personalrat schrieb an Pleitgen: „Die Zugrundelegung der erfolgreichen Ausgründungen für die Wirtschaftlichkeitsberechnungen ist ein klassischer Zirkelschluß, den der WDR bereits teuer bezahlt hat und – bei Umsetzung – möglicherweise noch teurer bezahlen wird.“
Unterlaufen der Tarifbindung
Auf einer Personalversammlung am 8. Mai 1998 sprachen sich der Personalrat und zahlreiche Beschäftigte erneut gegen die Auslagerung des Gebäudemanagements aus. Freilich stellten die Gewerkschaftsvertreter heraus, daß die eigentliche Zielsetzung der Auslagerungsaktivitäten die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten sind: Es gehe dem WDR nicht um tatsächliche Einsparungen. Vielmehr sollten einerseits Planstellen versteckt und andererseits die Tarifbindung unterlaufen werden. Der BR-Vorsitzen- de der WDR-Werbetochter WWF GmbH berichtete über die Gründung einer Enkeltochter, die keinerlei Tarifbindung, die 40-Stundenwoche, Mehrarbeit ohne Bezahlung und Urlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz zum Standard macht.
Dies ließ die vollmundigen Versicherungen von Pleitgen, alle betroffenen Beschäftigten behielten auf Dauer ihre Arbeitsbedingungen und er wolle sogar noch neue Arbeitsplätze schaffen, in einem anderen Licht erscheinen.
Die Personalversammlung beim WDR verabschiedete mit wenigen Gegenstimmen und Enthaltungen die folgende Resolution: „Die Personalversammlung am 8. Mai 1998 bestärkt den Personalrat in der Ablehnung der Auslagerungspläne der WDR-Geschäftsleitung. Für den Fall, daß die Geschäftsleitung an diesen Plänen festhält, fordert die Personalversammlung den Personalrat und die Gewerkschaften auf, gemeinsam mit den Beschäftigten dafür zu sorgen, daß dies nicht auf Kosten der Mitarbeiter geschieht.
Das bedeutet:
- Erhalt der einheitlichen Arbeits- und Tarifbedingungen wie beim WDR
- Übergang vom WDR in eine Tochtergesellschaft ausschließlich auf freiwilliger Grundlage.“
Der Personalrat stellte fest, daß man den WDR zwar nicht an der GmbH-Gründung und der Übertragung der Aufgaben hindern könne (das LPVG Nordrhein-Westfalen sieht in diesem Falle eine Letztentscheidung des Intendanten vor) – der WDR könne aber auch die Beschäftigten nicht „in die GmbH zwingen“. Er müsse sie schon für die privatrechtliche Betriebsorganisation gewinnen. Dies erfordere jedoch eine tatsächliche Sicherung der Arbeitsbedingungen, die nur durch entsprechende Tarifverträge zu erreichen sei.