Redaktionsleiter bei Madsack kürzt Freien per E-Mail die Honorare
Die Bezeichnung „Freier Journalist“ klingt nach Unabhängigkeit, Zwanglosigkeit und Selbstständigkeit. So frei sind die „Freien“ aber oft gar nicht, vor allem, wenn sie in hohem Maße von einem Auftraggeber abhängig sind. Jüngstes Beispiel dafür ist ein Vorgang bei der Verlagsgesellschaft Madsack in Hannover. Per E-Mail-Rundschreiben versuchte ein aufstrebender Redaktionsleiter die ohnehin schon geringen Honorare der Freien Mitarbeiter noch weiter zu kürzen.
Ausgangspunkt des Geschehens ist die Umstellung der sechs Landkreisbeilagen der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ und der „Neuen Presse“ zu so genannten „Heimatzeitungen“. Die bisher unabhängig voneinander arbeitenden Redaktionen im Landkreis wurden dabei einer zentralen Redaktionsleitung unterstellt. Frei nach dem Motto „Neue Besen kehren gut“, verfügte der neu eingesetzte Redaktionsleiter Christoph Grote in einer E-Mail an die einzelnen Redaktionen im Landkreis, dass die Freien Mitarbeiter der „Heimatzeitungen“ in Zukunft nicht mehr als 100 e am Tag verdienen dürften.
Fotos ohne Honorar
Und nicht nur das. Beim regelmäßig tagenden ver.di-„Medienstammtisch“ berichteten mehrere Betroffene aus den Landkreis-Redaktionen weitere Einzelheiten: Neben der pauschalen Deckelung auf 100 e pro Person und Tag sollte die mehrfache Veröffentlichung von Fotos in Zukunft nicht mehr honoriert werden. Meldungen von weniger als 15 Zeilen sollten gar nicht mehr vergütet, und für Kulturtermine keine Pauschalen mehr gezahlt werden. Allerdings stellte sich im Laufe der Veranstaltung heraus, dass in jeder der Redaktionen in Landkreis „Freie“ die Aufgaben von fest Angestellten erledigen. Eine betroffene Person berichtete sogar, die Künstlersozialkasse habe ihr die Aufnahme mit der Begründung verweigert, dass sie offensichtlich scheinselbstständig beschäftigt sei.
Das Klima innerhalb der Belegschaft werde immer schlechter, so die Aussagen von anderen Kollegen. Tatsächlich fühlen sich viele der etwa 100 freien Mitarbeiter der „Heimatzeitungen“ in ihrer Existenz bedroht, immerhin haben manche vorher bis zu 170 e am Tag verdient. Drohungen von Seiten der Redaktionsleitung „Wem das nicht passe, der könne ja gehen“, erschweren dabei ein solidarisches Vorgehen gegen die Honorar-Kürzungen. Organisierungsversuche der Betroffenen stoßen zwar auf Resonanz, jedoch leider nicht in dem erhofften Ausmaß. Bei der überwiegenden Mehrzahl scheint die Angst vor dem Job-Verlust größer zu sein, als der Mut, gemeinsam berechtigte Interessen zu verteidigen.
Die Chefs wissen von nichts
Der Betriebsrat hat auf die angedrohten Honorarkürzungen reagiert und den Vorgang innerhalb des Betriebes öffentlich gemacht. Er verwies unter anderem auf die Unrechtmäßigkeit des Vorgehens. So seien Dienstanweisungen per E-Mail bei Madsack laut Betriebsvereinbarung ausdrücklich ausgeschlossen, außerdem könne man auch mündlich geschlossene Verträge nicht einfach fristlos kündigen. Dem Betriebsrat stehe es nur zu, die Einhaltung der Rechtsgrundlagen zu überwachen und drüber zu informieren. Wehren gegen die Verstöße könnten sich aber nur die Betroffenen selbst. Immerhin nutzte der Betriebsrat die ihm laut neuem Betriebsverfassungsgesetz zustehenden Rechte, um bei der Personalabteilung jetzt auch alle Informationen über Freie und Leiharbeiter einzufordern.
In der Personalabteilung von Madsack will man auf Anfrage angeblich keine Kenntnis von den Vorgängen haben. Es handele sich dabei um eine „Luftblase“, es wären dort keine Klagen über angedrohte Honorarkürzungen bekannt geworden. Auch der für Personalfragen zuständige Mann in der Geschäftsführung, Rüdiger Garbs, will nichts davon wissen. Ihm sei kein solcher Fall bekannt, es habe ihn bisher kein Redaktionsleiter wegen zukünftiger Honorarkürzungen angesprochen. Eine Aussage, die zumindest eine erstaunliche Unkenntnis der Madsack-Geschäftsführung von den Vorgängen im eigenen Betrieb offenbart.
In den oberen Etagen als Kostendrücker profilieren
Nach Auskunft von betroffenen Freien sind die angedrohten Kürzungen in der Breite bisher noch nicht durchgesetzt worden. Dem Vorsitzenden des Betriebsrates, Bernd Kirchhof, sind jedoch konkrete Einzelfälle bekannt geworden, in denen die bisher vereinbarte Tagespauschale verringert wurde, allerdings im Zusammenhang mit veränderten Arbeitsanforderungen. Also tatsächlich nur eine „Luftblase“? Dem für den Medienbereich in Hannover zuständigen ver.di-Sekretär, Friedrich Siekmeier, sind jedenfalls Vermutungen zu Ohren gekommen, dass der neue Redaktionsleiter mit seiner Mail-Aktion eigenmächtig vorgeprescht ist, um sich gegenüber den oberen Etagen als Kostendrücker zu profilieren.
Die vielleicht eigenmächtig gestartete „Luftblase“ eines frischen Redaktionsleiters ließe sich jedoch auch als „Testballon“ missbrauchen, inwieweit die freien Mitarbeiter Honorarkürzungen hinnehmen würden ohne zu murren oder sich gar zu wehren. Das hätte die Verlagsgesellschaft Madsack mit einem satten Gewinn von 40 Millionen e im vergangenen Geschäftsjahr trotz der aktuellen Medienkrise nun wirklich nicht nötig.