Angriffe auf Bürgerrechte und Pressefreiheit

Eine Abmahnung der dju Hamburg für 29 Monate Senatspolitik

„Kaum eine Hamburger Regierung hat in so kurzer Zeit so nachhaltig politisches Porzellan zerschlagen“, so das Urteil einer Streitschrift der dju Hamburg über den Senat der vergangenen zweieinhalb Jahre aus CDU, Schill-Partei und FDP.

Während sich die meisten Menschen der Stadt noch gut an die skandalösen und peinlichen Auftritte des Ex-Innensenators Ronald Schill erinnern dürften, droht in Vergessenheit zu geraten, dass das durch Neuwahlen vorzeitig beendete politische Intermezzo nicht nur schlecht gespieltes Kaspertheater war, sondern einen radikalen Wertewechsel der politischen Kultur eingeleitet hat. Die notorische Vergesslichkeit der Wähler ist das eine Problem. Das andere: Betroffen von der Senatspolitik waren und sind ganz unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen, die meist von den Angriffen auf die Rechte der jeweils anderen nicht immer viel mitbekommen haben. So mag für Viele die gefühlte Rechtsentwicklung hinter der realen zurück geblieben sein.

Das Verdienst der kurz vor der Neuwahl am 29. Februar herausgegebenen dju-Schrift ist es, die einzelnen Puzzleteile zusammengesetzt zu haben und so die ganze Tragweite des konservativen Roll-back ins Blickfeld zu rücken. Die Bedeutung der „Abmahnung“ reicht jedoch über den Wahltag hinaus, denn eine Reihe der aufgezeigten Entwicklungen liegen über Parteigrenzen hinweg im herrschenden politischen Trend, bei dem Hamburg zur Zeit offenbar eine Vorreiterrolle übernommen hat.

Zensur für Offenen Kanal

Inhaltlich konzentriert sich die 28-seitige Broschüre auf die Bereiche Bürgerrechte und Pressefreiheit. Beispiel neues Mediengesetz: Es wird daran erinnert, dass der Senat die Novellierung des Mediengesetzes beschlossen hat mit dem Ergebnis: Die für die Ausgestaltung des Privatfunks zuständige Hamburger Anstalt für Neue Medien (HAM) wird entmachtet. Der Offene Kanal wird der HAM entzogen und der neuen Elite-Uni Hamburger Media School unterstellt. Seitdem werde der offene Kanal zensiert und Druck auf das Freie Senderkombinat (FSK) ausgeübt, wird in der Broschüre belegt. Dem Kommerzfunk dagegen wurden mit dem Wegfall des Mindestwortanteils weitere Zugeständnisse gemacht.

Filz in Schwarz

Beispiel schwarzer Filz: Der schlimmste Vorwurf, der der Jahrzehnte lang regierenden SPD von rechts gemacht wurde, hieß Filz. Ausgerechnet auf diesem Gebiet bewies die rechtskonservative Hamburger Regierung schon nach zweieinhalb Jahren eine Meisterschaft, die selbst eingefleischte Sozis vor Neid erblassen lassen muss. Mit Zitaten und Fakten blättert die dju-Publikation die engen Beziehungen zwischen Senat und Springer-Verlag auf: So den Fall der Kultursenatorin und ehemaligen „Bild“-Redakteurin Dana Horáková, die Springers „Hamburger Abendblatt“ 148.000 Euro im Jahr für die dort monatlich erscheinende Beilage Kinder-Kultur-Zeitung zuschanzte und damit die Tageszeitung zu einer Art halbamtlichem Verlautbarungsorgan machte.

Lauschen weiterhin erlaubt

Erinnert wird in der Broschüre an den großen Lauschangriff, der ursprünglich vorsah, auch Berufsgeheimnisträger wie Journalisten, Ärzte, Anwälte und Seelsorger ohne konkreten Verdacht durch den Verfassungsschutz abzuhören, der aber nach massiven Protesten „nur“ auf die nicht zu dieser Gruppe zählenden Menschen beschränkt wurde. Als einen „einschneidenden Eingriff in die Pressefreiheit“ bezeichnet die dju Hamburg die Praxis der Justizbehörde, Interviewwünsche mit Gefängnisinsassen kategorisch abzulehnen. Der komplette Horrorkatalog ist in der Schrift nachzulesen.

 


„29 Monate Angriffe auf Bürgerrechte und die Pressefreiheit in Hamburg“
Herausgeber: dju Hamburg in Kooperation mit ver.di LBZ Nord, Besenbinderhof 60, 20097 Hamburg, Tel.: (040) 28 58 – 515

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Österreich: Gefahr für die Pressefreiheit

In Österreich ist die extrem rechte FPÖ bei den Nationalratswahlen stärkste Kraft geworden. Noch ist keine zukünftige Koalition etabliert. Luis Paulitsch erklärt im Interview, welche Entwicklungen in der österreichischen Medienlandschaft zu erwarten sind, sollten die FPÖ und ihr Spitzenkandidat Herbert Kickl an der Regierung beteiligt werden. Paulitsch ist Jurist, Zeithistoriker und Medienethiker. Von 2019 bis 2024 war er Referent des Österreichischen Presserats, dem Selbstkontrollorgan der österreichischen Printmedien;  seit 2024 bei der Datum Stiftung für Journalismus und Demokratie.
mehr »

KI beinflusst Vielfalt in den Medien

Künstliche Intelligenz kann journalistische Texte in verschiedene Sprachen übersetzen und damit viel mehr Nutzer*innen ansprechen. Gleichzeitig kann sie aber auch Stereotype, die in diesen Texten enthalten sind, verfestigen. Gefahren und Chancen von KI-Anwendungen im Journalismus standen im Fokus der diesjährigen NxMedienkonferenz der Neuen deutschen Medienmacher*innen (NdM), die sich für mehr Vielfalt in den Medien einsetzen.
mehr »

ARD & ZDF legen Verfassungsbeschwerde ein

Nachdem die Ministerpräsident*innen auf ihrer Jahreskonferenz Ende Oktober keinen Beschluss zur Anpassung des Rundfunkbeitrags ab 2025 fassten, haben heute ARD und ZDF Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingelegt. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di begrüßt die Initiative.
mehr »

AfD als Social Media Partei überschätzt

Eng vernetzt mit dem extrem- und neurechten Vorfeld und gezielt provozierend mit rassistischem Content: Die Landtagswahlkämpfe der AfD in Sachsen, Thüringen und Brandenburg waren von einer hohen Mobilisierung geprägt, auch über die sozialen Medien. Eine aktuelle Studie der Otto Brenner Stiftung (OBS) in Frankfurt am Main zeigt nun aber: die Auftritte der AfD auf Social Media sind weit weniger professionell als zuletzt häufig kolportiert und es gibt deutliche regionale Unterschiede.
mehr »