Interessenverquickung und Unabhängigkeit im Ausschlussverfahren
In der ZDF-Sendung „Die Anstalt” nahmen die Kabarettisten Max Uthoff und Claus von Wagner am 29. April die Einbindung mehrerer namhafter Spitzenjournalisten in die zahlreichen hiesigen US-amerikanischen Lobby-Netzwerke unter die Lupe. Als da wären: Zum Beispiel Josef Joffe und Jochen Bittner, Herausgeber bzw. Außenpolitikredakteur der Zeit. Oder auch Stefan Kornelius, Außenpolitik-Ressortleiter der Süddeutschen Zeitung sowie weitere Spitzenkräfte von FAZ und Welt. In satirischer Form stellte die Sendung die Frage, inwieweit die Journalisten angesichts dieser Interessenverquickung überhaupt noch in der Lage seien, unabhängig zu berichten.
Speziell die Performance von Joffe und Bittner wurde einer kritischen Würdigung unterzogen. Joffe wegen seiner ungewöhnlich umfangreichen Vernetzung. Bittner wegen seiner Mitarbeit an einem Kooperationsprojekt der Stiftung Wissenschaft und Politik sowie des German Marshall Fund, das „Elemente einer außenpolitischen Strategie für Deutschland” erarbeitete. Bundespräsident Gauck fand Gefallen an den politischen Empfehlungen dieses Projekts: Auf der letzten Münchner Sicherheitskonferenz machte er sich stark für die Übernahme von „mehr außenpolitischer Verantwortung”, sprich: mehr Auslandseinsätze. Bittner fand lobende Worte für diese aggressive Neuausrichtung deutscher Außenpolitik, „vergaß” aber zunächst, seine Mitarbeit an dem Strategiepapier offenzulegen.
Die Offenlegung solcher Zusammenhänge vor einem Millionenpublikum war den Betroffenen so unangenehm, dass sie die Kabarettisten verklagten. Nanu? Journalisten eines liberalen Blatts, die mit juristischen Mitteln kabarettistische Beiträge zu unterdrücken suchen? Darauf muss man erst mal kommen. Per Einstweiliger Verfügung erreichten sie kurzfristig, dass das ZDF den entsprechenden Clip aus „Die Anstalt” im Netz entfernen musste. Ende November wies das Hamburger Landgericht die Klage jedoch ab. Trotz kleiner Unkorrektheiten in dem Beitrag, so das Gericht, müssten die Zeit-Journalisten die erhellende Satire erdulden. Joffe wurde unter anderem zum Verhängnis, dass er anderswo mit seinen transatlantischen Verbindungen prahlt: Im eigenen Blatt ließ er sich schon mal als „einer der renommiertesten Amerikakenner Deutschlands” feiern, der „mit vielen politischen Institutionen eng verdrahtet” sei, „unter anderem mit dem Aspen Institute und der Atlantikbrücke”.
Die beiden Kabarettisten Wagner und von Uthoff sind indes nicht die einzigen Akteure, die den Zorn der NATO-Versteher auf sich zogen. Auch der Medienwissenschaftler Uwe Krüger bekam zu spüren, was es bedeuten kann, sich mit denen anzulegen, die ein Interesse daran haben, einer misstrauisch gewordenen Öffentlichkeit ihr lobbyistisches Wirken hinter den Kulissen zu verheimlichen. Und den Zusammenhang, der zwischen intensiver transatlantischer Kontaktpflege und ihrem journalistischem Output besteht. Denn genau das ist das Thema von Krügers Dissertation „Meinungsmacht – Der Einfluss von Eliten und Leitmedien auf Alpha-Journalisten” (Interview in M 5/14). Das Werk sei „keine gute Wissenschaft”, klagte Joffe. Krügers Arbeit sei „voller Fehler und wissenschaftlich zweifelhaft”, ging auch SZ-Redakteur Stefan Kornelius in den Angriffsmodus über. Da passte es gut, dass ein Kommunikationswissenschaftler sich dazu hergab, dieser Fundamentalkritik akademische Weihen zu verpassen. Im Magazin Medium warf Christoph Neuberger, Medienforscher an der Uni München, Krügers Studie „schwere wissenschaftliche Mängel” vor. Krüger nehme nicht die Rolle des unvoreingenommenen Wissenschaftlers ein, sondern wolle selbst „Meinung machen”. Starker Tobak. Wer die Studie aufmerksam liest, kann allerdings nichts dergleichen entdecken. Zwei Beispiele: Die Nähe von Journalisten zu transatlantischen Lobbyorganisationen, so behauptet Neuberger, setze Krüger „umstandslos mit ‚Vereinnahmung’ gleich, wobei es für ihn nur eine Richtung geben kann: Eliten beeinflussen Journalisten, Journalisten wiederum das Publikum”. Das wäre in der Tat eine krude These, die bei Krüger allerdings nirgends auftaucht. Daher ist auch die Schlussfolgerung Neubergers ein Schlag ins Leere: „Es wäre weltfremd und schädlich, wenn Journalisten jeglichen Kontakt zu politischen Akteuren vermeiden würden”.
Der Trick, einen Popanz aufzubauen, um ihn anschließend genussvoll zu zertrümmern, ist nicht neu. Tatsächlich fordert Krüger speziell von leitenden Journalisten, keine Aufgaben in Beiräten und Kuratorien von Think Tanks und Lobbyorganisationen zu übernehmen – Tätigkeiten, die die Unabhängigkeit ihrer Berichterstattung beeinträchtigen könnten. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, die auch im Pressekodex des Presserates verankert werden sollte.
Natürlich muss jeder Wissenschaftler seine Arbeitsergebnisse der Kritik aussetzen. Aber dieser Versuch einer kaum fundierten wissenschaftlichen Hinrichtung Krügers weckt einige Zweifel an der Lauterkeit von Neubergers Motiven. Krügers Dissertation sei zum „Dreh- und Angelpunkt” des Streits um die enge Vernetzung von Journalisten mit den politischen Eliten geworden, bekennt er immerhin. Eifersucht auf die öffentliche Wirksamkeit der wissenschaftlichen Arbeit von Kollegen, dies ganz nebenbei, ist im akademischen Milieu keine Seltenheit. Interessanter erscheinen in diesem Zusammenhang allerdings ein paar andere Querverbindungen zwischen den beteiligten Akteuren. Medium – Magazin für Journalisten, in dem Neubergers Verriss erschien, wurde 1989 gegründet. Erster Chefredakteur war: Stefan Kornelius, heute Außenpolitik-Ressortleiter der Süddeutschen Zeitung. Unter der Regie seiner Nachfolgerin Annette Milz wurde er noch 2009 von Medium zum „Journalist des Jahres” gekürt – man kennt und schätzt sich. Professor Neuberger wiederum sitzt im Stiftungsbeirat der Studienstiftung der SZ. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Und ein weiterer eindrucksvoller Beleg dafür, dass die Transparenz von Netzwerken einiges zum Verständnis von Meinungsbildungsprozessen in dieser Gesellschaft beitragen kann.