Berichterstattung über die Europäische Union – ein Presseseminar in Brüssel
Die Europapolitik ist für sich allein genommen schon für manchen schwierig genug: Im Nachrichtenwert zwar wichtig, aber unerotisch. Über die Aktivitäten der Europäischen Institutionen (Parlament, Rat, Kommission, Gerichtshof, Rechnungshof usw.) wird täglich berichtet, und doch klagen viele, darunter auch Journalistinnen und Journalisten, die nicht in Brüssel akkreditiert sind, dass sie schier undurchschaubar seien.
Das zu ändern, hat sich die Presse- und Informationsabteilung der Europäischen Kommission auf die Fahnen geschrieben. Zu einer Serie von kostenlosen Informationsreisen sind von April bis Juli 2004 Journalistinnen und Journalisten eingeladen, die mehr wissen wollen über die zwar gemeinsam erarbeitete, aber noch immer nicht verabschiedete Europäische Verfassung: Veränderungen gibt es zum Beispiel durch den neu eingeführten Posten des EU-Außenministers mit eigenem Initiativrecht und die Abschaffung des Vetorechts für einzelne Mitgliedsländer im Sektor Justiz und Inneres. „Immerhin,“ gibt Kommissionssprecher Stefaan de Rynck zu bedenken, „konnte sich der Europäische Rat im Dezember 2003 in Brüssel zwar nicht über die Verfassung einigen, aber 99,5 Prozent der Paragrafen sind allgemein akzeptiert.“ Doch natürlich sind es gerade die Streitfragen, die besonders interessieren.
Das dreitägige Seminar „Covering the EU-Constitution“ findet in Brüssel statt und besteht aus Vorträgen, Gesprächen und Informationsbesuchen. Arbeitssprachen sind Englisch oder Französisch. Das Europäische Journalismus-Zentrum in Maastricht (EJC) hat die Pressereise organisiert. Programmdirektorin Bettina Peters arbeitet hierbei mit dem Europa-Parlament und der Europäischen Kommission zusammen: „Wir lassen bewusst Lücken im Zeitplan, damit Journalistinnen und Journalisten in den freien Stunden selber recherchieren können.“ Und sich möglicherweise Themen für die zukünftige Berichterstattung überlegen. Hilfreich ist dabei der Besuch im Medienzentrum „Europe by Satellite“ der EU-Kommission: für Berichte aus Straßburg oder Brüssel können die Produktionsmittel vor Ort kostenlos genutzt werden, das Fernsehstudio für das Interview mit einer EU-Kommissarin oder den eigenen Kommentar genauso wie Audiomitschnitte und Sendeanlagen: Anruf genügt.
Schwerpunkte der einzelnen Seminare sind Themen wie „Aussenpolitik“, „EU-Verfassung für Kinder“ oder „Justiz und Freiheiten“, mit dem die Serie Ende März begann. Die Seminarleitung liegt bei erfahrenen Korrespondentinnen und Korrespondenten: Maria Laura Franciosi und Simon Taylor sind „alte Hasen“ und wissen, welche Brüsseler Quellen besonders erfolgversprechend sind, und wo die Nieten sitzen. Beide unterstützen die Teilnehmenden bei ihren individuellen Projekten. Am meisten nützte die Reise denjenigen, die sich einen Eindruck von den Arbeitsbedingungen in Brüssel verschaffen wollten, und denen, die bereits vor der Reise konkrete Themen im Kopf hatten.
Von Verbrechensbekämpfung bis zum Biermuseum
Rasmus Kagge schreibt daheim in Estland über Verbrechen. Folglich interessierte ihn die Zusammenarbeit der Europäer bei der Kriminalitätsbekämpfung. Sein Landsmann, der Wirtschaftsredakteur Tonis Arnover, profitierte von der Reise, um über die Lobbyarbeit von Firmenverbänden in Brüssel zu recherchieren. Seine Erkenntnisse sollten einfließen in einen Artikel, der den Handelsbeziehungen estnischer Firmen nützlich sein könnte. Irina Papancheva von der bulgarischen Presse verlängerte ihren Aufenthalt, um über den Frühjahrsgipfel der EU zu berichten. Barbara Millucci von der italienischen Nachrichtenagentur ANSA knüpfte Kontakte in Brüssel, die ihr zuhause in Italien nützlich sein können. Der langjährige Berliner Korrespondent der ungarischen Nachrichtenagentur MTI, Lazlo Dorogman, krönte seine Europa-Recherche am Ende des Seminars mit einem ganz besonderen Programmpunkt: Er besuchte das Brüsseler Biermuseum.