Justitia statt Jury

Kölner Publizist Werner Rügemer klagte Preisgeld ein

Auf den ersten Blick mutet die Sache irrwitzig an: Der Verband Kommunaler Unternehmen e.V. (VKU) mit Sitz in Köln, der zweijährlich Journalistenpreise auslobt, sprach letztes Jahr den „1. Preis in der Kategorie Hörfunk“ dem Publizisten Werner Rügemer, ebenfalls Köln, zu. Rügemers vom Deutschlandfunk gesendetes Feature übers so genannte Cross Border Leasing (CBL) klärt darüber auf, inwiefern die CBL-Kredit-Praktik für Kommunen eine Schuldenfalle ist.

Jedoch: Wenige Tage vor der Verleihung am 1. Oktober 2003 teilte der VKU-Jury-Vorsitzende, der WDR-Redakteur und Diplom-Ingenieur Hagen Beinhauer, dem bisherigen Favoriten formlos am Telefon mit, er könne den Preis nicht kriegen (M 11 / 2003). Grund: Rügemer habe sich, weil er einen Brief von attac! an die Kölner Stadtwerke gegen CBL unterschrieb, „mit der Sache gemein gemacht“ und sei, als Vorstandsmitglied der Aufklärer-Organisation Business Crime Control, „Interessenvertreter“. Ein irrwitziger oder schon bösartiger Vorwurf?

Da ist keine Jury, sondern Justitia gefragt: Rügemer, der mit dem Preisgeld von 3.000 Euro gerechnet hatte und zudem ob Beinhauers Anwürfen seinen guten Ruf gefährdet sah, zog mit Unterstützung von ver.di vors Kölner Amtsgericht. Dort machte der gegnerische Anwalt Thomas Schulte-Beckhausen, ein Angebot: Geld gegen Schweigen. Rügemer lehnte empört ab: „Hier soll die Wahrheit verschwiegen werden.“ Das Gericht gab ihm Recht: Der VKU, so das Urteil (AZ 143 C 132/04) zahlt dem Geprellten das Preisgeld sowie fünf Prozent Zinsen, und zwar unabhängig davon, ob der Kommunalen-Verband noch in Berufung geht.

Der VKU spart denn auch schon mal bei den nächsten Preisgeldern, die sich auf 2.500 Euro verringern. Als Hintergrund fürs Preis-Hickhack wird nicht das offizielle Argument der Befangenheit vermutet. Vielmehr gehen Rügemer und sein Anwalt Peter Simon davon aus, dass VKU-Vertreter persönlich gegen Rügemer intervenierten. So wurde Beinhauer offenbar nach der Preis-Anerkennung alarmiert, in der Art, Rügemer schade den CBL-Verfechtern im VKU. Denn deren Kommunen kassieren beim Ver- und Rückmieten städtischer Einrichtungen – also beim CBL – Handgelder von US-Investoren. Ein solcher Vertragsabschließer ist nun ausgerechnet der VKU-Präsident Gerhard Mitter, zugleich Oberbürgermeister von Mannheim. Auch Christian Preuß, Pressesprecher der Kölner Stadtwerke und Jury-Mitglied, hätte Grund gehabt, die Verleihung zu hintertreiben: Nach dem attac!-Brief wurde ein geplantes Leasing abgesagt.

Weil bei Gericht von personellen Verquickungen nicht die Rede war, handelt es sich womöglich wirklich um ein „formal-juristisches Urteil“, wie VKU-Pressesprecher Wolfgang Prangenberg moniert. Mit dem Urteil in erster Instanz ist dieser heiße Kampf um einen Preis sowieso noch nicht beendet. Denn während der VKU überlegt, in Berufung zu gehen, plant Rügemer die zweite Klage auf Schadenersatz wegen Rufschädigung sowie die Herausgabe der Preis-Urkunde. Prangenbergs Argument gilt indes auch für Rügemer als tiefer Grund zu weiterem Zwist: „Wenn man sich einen Preis erstreiten muss, statt ihn ehrenhaft verliehen zu bekommen, ist das nicht schön.“

 

 

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