Die Bertelsmann-Stiftung und ihr Einfluss auf die Politik
In Polen, Tschechien und Ungarn haben westeuropäische Medienkonzerne rund 80 Prozent der Presse aufgekauft. Mit der EU-Osterweiterung richtet sich der Blick nun auf zwei große neue Nachbarn: die Ukraine und Weißrussland. Die Bertelsmann-Stiftung legte kürzlich ein Strategiepapier vor, das unter dem Titel „In Richtung einer kohärenten EU-Strategie für Weißrussland“ einen Regimewechsel in Lukaschenkos Weißrussland anstrebt.
Erarbeitet wurde das Weißrussland-Papier auf einem Workshop im litauischen Vilnius Anfang Februar, der in Kooperation mit dem litauischen Außenministerium vorbereitet wurde. An ihm nahmen neben Vertretern der weißrussischen Opposition auch Vertreter der EU-Kommission und des EU-Rates als Beobachter teil. Anlass war der erfolgreiche Umsturz in der Ukraine durch die orangefarbene Opposition. Nun hält es die Bertelsmann-Stiftung für eine „offensichtliche Notwendigkeit“, eine „ehrgeizige, schnelle, gut-koordinierte und effektive Strategie“ zu entwickeln, deren Maßnahmen einen „unmittelbaren und direkten Einfluss“ auf die kommenden Präsidentschaftswahlen in Weißrussland haben sollen, die im nächsten Jahr stattfinden werden – und dem diktatorisch herrschenden Alexander Lukaschenko eine dritte Amtszeit bescheren sollen. Im zweiseitigen Anhang listet das Bertelsmann- Papier konkrete Handlungsvorschläge auf, die an den kürzlich erfolgreich durchgeführten Umsturz in Kiew erinnern.
In den deutschen Medien wurde das ehrgeizige Papier bislang weitgehend ignoriert, sein Einfluss auf die deutsche und europäische Außenpolitik lässt sich nur schwer abschätzen. Gleichwohl schaffte es die Stiftung, das Papier auf die Tagesordnung des EU-Ministerrats zu bringen. Dieser Vorgang ist nicht so außergewöhnlich, wie es zunächst scheinen mag: Seit 1993 hat die Bertelsmann-Stiftung zahlreiche Strategiepapiere zur EU-Außenpolitik erarbeitet, auch wirkte sie an der Europäischen Verfassung aktiv mit. Zum Thema EU-Osterweiterung hat sie einige Dokumente verfasst und Tagungen veranstaltet. Verantwortlich ist die „Bertelsmann Forschungsgruppe Politik“ beim Centrum für angewandte Politikforschung (CAP) an der Universität München, das überwiegend von der Bertelsmann-Stiftung finanziert und von Professor Werner Weidenfeld, dem Vorstandsmitglied der Stiftung, geleitet wird.
Kontakte auf höchster Ebene
Weidenfeld ist ein in der Politikberatung sehr aktiver Wissenschaftler. Unter anderem wirkte er intensiv an der Gestaltung der Europäischen Verfassung mit. Er war unter Helmut Kohl der Koordinator der deutsch-amerikanischen Beziehungen. Für die Bertelsmann-Stiftung organisiert er große Treffen und schafft so für den Konzern eine Menge wohlgesinnter Kontakte auf den höchsten politischen Ebenen. Das Bertelsmann-Forum beispielsweise bringt Konzernrepräsentanten wie den Vorstandsvorsitzenden Gunter Thielen und den Vorstand Ewald Walgenbach mit den wichtigsten Politikern Europas und Osteuropas im Weltsaal des Auswärtigen Amts zusammen. Bertelsmann-Kritiker Hersch Fischler sieht in derart platzierten Veranstaltungen „eine Machtdemonstration, die zeigen soll, welchen Einfluss Bertelsmann in der deutschen Regierung hat.“
Die Bertelsmann-Stiftung ist heute der größte und einflussreichste Think Tank Deutschlands. Reinhard Mohn gründete sie 1977, seit 1993 ist sie Mehrheitseigentümer der Bertelsmann AG. Mohn übertrug steuersparend 68,8 Prozent der Kapitalanteile seines Unternehmens auf die Stiftung, heute sind es immerhin noch 57,6 Prozent. Die Stiftung legt selbst ihre Themen und Projekte fest und setzt sie selbst um. Seit ihrer Gründung hat sie 428 Millionen Euro ausgegeben.
Insgesamt will der Bertelsmann-Konzern in den nächsten Jahren rund zwei Milliarden Euro in die Erschließung neuer Märkte in Osteuropa und Asien investieren. Zweifellos sind politische Beziehungen für Medienkonzerne wie Bertelsmann wichtig. Als der Konzern in den drei baltischen Staaten mit Druckereien, Fernsehen und Buchclub Fuß fassen will, wird die lettische Präsidentin Vike-Freiberga auf eine Bertelsmann-Veranstaltung eingeladen.
In der Kommunikation nach außen trennen die Bertelsmänner gerne strikt nach Stiftung und nach Konzern. Wie die Aktivitäten der gemeinnützigen Bertelsmann-Stiftung mit den Interessen der Bertelsmann AG jedoch geschickt zusammenspielen, zeigte sich im Fall China recht deutlich: Zunächst konnte Bertelsmann 1995 in Shanghai zusammen mit einem chinesischen Staatsunternehmen eine gemeinsame Firma gründen, die seit 1997 den ersten Buchclub in Shanghai mit rund 1,5 Mitgliedern betreibt.
Seit 1998 bereitete in Peking die Bertelsmann Cina Holding GmbH die Erweiterung des Mediengeschäfts vor. Sie gewann jedoch erst 2002 an Fahrt, als die Bertelsmann-Stiftung das Projekt „internationales Kulturforum 2004“ vorbereitete, das zum offiziellen Bestandteil des Kulturaustauschprogramms 2003 – 2005 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik China wurde. Unter anderem verständigten sich Liz Mohn und der chinesische Kulturminister Sun Jiazheng darauf, Entscheidungsträger zu einem chinesisch-europäischen Kulturdialog im Mai 2004 in Peking einzuladen.
Engagement in China
Unterstützt wurden diese Bemühungen durch eine Studie des Instituts für Auslandsbeziehungen (IFA) in Stuttgart, die von der Bertelsmann-Stiftung mitfinanziert wurde. Sie beklagte, dass die deutsch-chinesischen Kulturbeziehungen defizitär seien. Nach einem Workshop im Auswärtigen Amt fordert der IFA-Direktor in einer Pressemitteilung die deutschen Konzerne auf, ihre Infrastruktur in den chinesischen Provinzhauptstädten für kulturelle Zwecke besser zu nutzen – und erwähnt lobend als einziges Unternehmen Bertelsmann. Als Ende 2003 Bundeskanzler Gerhard Schröder zu Besuch in China war, gab die Bertelsmann DirectGroup bekannt, dass sie sich zu 40 Prozent an einer Buchhandelskette mit chinaweiter Lizenz beteiligen werde. Daraufhin expandierte diese in zahlreichen chinesischen Städten. Im Mai 2004 wurde außerdem ein Engagement der RTL Group beim Staatssender China Central Television beschlossen.
Erfolgreicher als Bertelsmann agierte bislang kein anderer europäischer Medienkonzern in China. Ohne die kulturelle Unterstützung der Stiftung wäre dem Konzern auch kaum ein solcher Erfolg beschieden gewesen. Die Aktivitäten in Osteuropa werden sich ebenfalls auszahlen – Oppositionspolitiker, die heute unterstützt werden, werden sich morgen kaum undankbar zeigen.