Traditionell eigenwillig

DOK Leipzig: Sonderprogramm zur US-Wahl und Retrospektive „Meschrabprom“

Beim Internationalen Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm DOK versammeln sich vom 29. Oktober bis 4. November Filmemacher aus aller Welt. Rund 2.850 Filme aus 77 Ländern – etwas weniger als im Rekordjahr 2011 – wurden eingereicht, davon etwa 2.200 Dokumentar- und 650 Animationsfilme.

Insgesamt zeigt DOK Leipzig in seiner 55. Ausgabe 200 Dokumentar- und 150 kurze Animationsfilme. Beim Publikum wie bei den Filmemachern steht DOK Leipzig für ein eigenwilliges, politisch streitbares Filmprogramm auf höchstem künstlerischem Niveau.
Logo Dok LeipzigIn den letzten Jahren hat sich das älteste Dokfestival der Welt auch zu einem der wichtigen europäischen Branchentreffpunkte entwickelt. Permanent werden Trainings- und Fortbildungsangebote ausgebaut und man widmet sich verstärkt neuen und interaktiven Medien. Dank seines DOK Marktes, des Internationalen Koproduktionstreffens, zahlreicher Podiumsdiskussionen und vieler weiterer Angebote hat sich die Zahl der internationalen Fachbesucher seit 2004 auf über 1.400 verdoppelt. Die Begeisterung für das Festival wächst auch bei den Besuchern kontinuierlich: Im vergangenen Jahr wurde mit 37.000 Zuschauern erneut ein Rekord erreicht.

Preisregen in fünf Wettbewerbssektionen

Aus den Einsendungen wurden rund 75 Filme ausgewählt, die in fünf Wettbewerbssektionen um die Goldenen Tauben sowie zahlreiche weitere Preise konkurrieren. Der mit 2.500 Euro dotierte ver.di-Preis wird wieder an einen der Filme im Internationalen Wettbewerb für lange Dokumentarfilme vergeben. Zur ver.di-Jury gehören neben dem Regisseur Jürgen Kautz die Kulturmanagerin Sophia Littkopf, die Kamerafrau Anna Intemann, die Journalistinnen Ulrike Werner und Gundula Lasch, die Fotografin Karin Wieckhorst sowie der Journalistik-Student Martin Lippert.
Den Hauptpreis, die mit 10.000 Euro dotierte Goldene Taube, stiftet erneut die Telepool GmbH. Zum neuen Hauptsponsor der DOK ist die Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (EU-OSHA) aufgestiegen. Die Agentur mit Sitz in Bilbao stiftet bereits seit 2009 den mit 8.000 Euro dotierten „Healthy Workplaces Film Award“ für den besten Dokumentarfilm zum Thema Arbeit. Außerdem präsentiert EU-OSHA während der Festivalwoche die Ergebnisse eines Fotowettbewerbs. Filmemacher sollen ermutigt werden, sich kritisch mit der heutigen Arbeitswelt auseinanderzusetzen, um dieses Thema europaweit in den Fokus zu rücken. Das gelang Preisträgerin von 2011, der deutschen Filmemacherin Carmen Losmann, mit ihrem Film „Work Hard Play Hard“ in besonderer Weise: Sie hatte die deutsche Managerwelt mit eiskalten Bildern in Szene gesetzt und hinterfragt.

Sonderprogramme mit filmischen Highlights

Neben den Wettbewerben und dem internationalen Programm gibt es traditionell zahlreiche Sonderprogramme und Hommagen. Die diesjährige Retrospektive befasst sich mit dem deutsch-russischen Filmstudio ‚Meschrabpom’, dessen Filme in den 1920er und 30er Jahren die gesamte europäische Filmavantgarde inspirierten. Gezeigt werden Dokumentar- und Animationsfilme aus der so genannten „roten Traumfabrik“, die zwischen 1922 und 1936 entstanden sind, unter anderem von legendären Regisseuren wie Boris Barnet oder Wsewolod Pudowkin.
Der traditionelle Länderschwerpunkt widmet sich dem jungen Dokumentarkino im spanischsprachigen Lateinamerika.Präsentiert werden herausragende Werke einer neuen Generation von Filmemachern. Im Zentrum ihrer Filme steht nicht nur die Aufarbeitung der Schatten der Diktaturen – sie setzen sich auch mit der Lebenswirklichkeit in ihren Ländern auf künstlerisch aufregende Weise auseinander. In den 1960er und 70er Jahren beschäftigten sich auch die Dokumentarfilmregisseure der DEFA intensiv mit Lateinamerika. Es entstanden zahlreiche Filme über die Revolutionen und deren Scheitern, die auch die Hoffnungen der DDR-Bürger auf einen wirklichen, menschlichen Sozialismus widerspiegeln. Zwölf Dokumentarfilme präsentiert DOK Leipzig in dem Sonderprogramm „Erinnere dich mit Liebe und Hass – Die DEFA und Lateinamerika“.
Kurz vor der Präsidentschaftswahl in den USA würdigt das Festival mit seinem Sonderprogramm zum Thema Demokratie den US-amerikanischen Sendeplatz „POV“ (Point of View), der 2012 sein 25-jähriges Bestehen feiert. Hier geht es nicht um Objektivität, sondern um Standpunkte, ungewöhnliche und nicht selten unbequeme Sichtweisen, um Themen, die vielen Amerikanern weh tun. Im Programm werden Schattenseiten des Engagements der Weltmacht beleuchtet, Geheimnisse gelüftet.
Für die Freunde des Animationsfilms bietet DOK Leipzig eine Entdeckungsreise in ein Jahrhundert polnischer Puppenanimation: Der polnischstämmige Regisseur Wladyslaw Starewicz schuf vor genau 100 Jahren mit „Die schöne Lukanida“ den ersten Puppenanimationsfilm weltweit, der im Kino gezeigt wurde. Die Retrospektive ehrt den Erfinder der Stop-Motion-Technik und verdeutlicht Starewiczs Einfluss auf nachfolgende Generationen polnischer Puppenanimateure.
Hommagen sind im 55. DOK-Jahrgang dem 1965 nach Schweden emigrierten Regisseur Peter Nestler, der US-amerikanischen Pionierin des feministischen Kinos und Queer Cinema Barbara Hammer sowie dem visionären Ideengeber und mutigen Produzenten Boris von Borresholm gewidmet.

 

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