Über das merkwürdige Gebaren zweier Pressestellen
Dem Kölner Publizisten Martin Stankowski ist der Kragen geplatzt. Er will nicht klüngeln, sondern auf normalem Wege zu seinem Recht kommen. Und hält sich für „prominent genug, um Rabatz zu machen“.
Mit diesen Worten begründete er Mitte Mai (- vergeblich, wie sich inzwischen herausstellte -) eine einstweilige Anordnung, die er über seinen Rechtsanwalt gegen den Leiter des Kölner Presseamtes, Henning von Borstell, beantragt hat. Unzählige Male habe er versucht, so Stankowski, in den Presseverteiler der Stadt Köln aufgenommen zu werden. Immer wieder hatte er sich bei Borstell beschwert, wenn er erst aus der Lokalpresse von für ihn relevanten Ereignissen im nachhinein erfuhr. Ohne Erfolg. Das Presseamt nahm den seit 20 Jahren journalistisch in Köln tätigen Martin Stankowski nicht in seinen Verteiler auf. „Um unsere Kosten im Griff zu halten“, wie Borstell Stankowski gegenüber schriftlich begründete.
Selbst eine Intervention der Kölner Kulturdezernentin, Marie Hüllenkremer, die dem Presseamt schriftlich klargemacht hatte, wieviel Wert sie darauf lege, „daß Herr Stankowski alle Presseeinladungen und -informationen, die das Kulturleben Kölns betreffen, erhält“, blieb erfolglos. Der bekannte Publizist, 1996 „für seine verdienstvollen Publikationen über die Stadt Köln“ mit dem Köln-Literaturpreis ausgezeichnet, wird bis heute über keinen der offiziellen städtischen Termine informiert. Eine Begründung hierfür war von der städtischen Pressestelle am Freitag nicht zu bekommen. „Da sage ich im Augenblick gar nichts zu. Das Ding hängt am Gericht“, so der stellvertretende Pressestellen-Leiter Manfred Burkhard.
In einer Stellungnahme an das Verwaltungsgericht begründete Burkhard die Haltung seiner Pressestelle am 11. Juni allerdings unter anderem damit, daß Martin Stankowski doch über Internet den vollen und schnellstmöglichen Zugriff auf alle Pressemitteilungen der Stadt Köln hätte. Und außerdem als freier Mitarbeiter des WDR, als der er sich der Stadt gegenüber ausgegeben hätte, deshalb nicht in den Verteiler aufgenommen worden sei, weil von dort aus darum gebeten wurde, Einladungen nur noch zentral an die Landesstudios zu schicken.
„Ich habe nie für ein Landesstudio gearbeitet“, wundert sich Martin Stankowski, der sich die Haltung des Kölner Presseamtes nur aus einer Mischung von „Unfähigkeit, Hilflosigkeit, Desinteresse und Ignoranz“ erklären kann. Vielleicht liegt es aber auch daran, so mutmaßt er, daß Borstell „mich einfach ablehnt, weil ich bei den Grünen bin“. Möglicherweise aber auch, weil Stankowski weit über Köln hinaus für seine einfallsreichen und außerhalb der Routinestrecken liegenden Stadtführungen bekannt wurde. Weshalb das Bundespresseamt ihn und nicht das städtische Verkehrsamt damit beauftragte, während der Kölner Politgipfeltage in diesem Monat ausländische Journalisten durch Köln zu führen und mit Tips und Informationen zu versorgen.
Sammelwut in Dortmund
Bei der Dortmunder Polizei bediente man sich eines anderen Mittels, um unliebsame Journalisten zumindest als solche innerhalb der Pressestelle kenntlich zu machen. Aufgeflogen war die dortige Praxis dadurch, daß der Leiter der Dortmunder Polizeipressestelle, Karl Beele, sich ihrer in einem Leitfaden für die Pressearbeit der Polizei brüstete und die Dortmunder Gepflogenheiten zur Nachahmung empfahl.
Ohne daß dies den Polizeireportern bekannt war, wurden über ihre Anfragen bei der Pressestelle auf einem sogenannten „Formblatt Medienanfrage“ Notizen gemacht und fünf Jahre lang aufbewahrt. Dabei wurden nicht nur Datum, Uhrzeit und Inhalt der Anfrage festgehalten, sondern auch Anmerkungen gemacht wie die: „Drohte … polizeikritisch zu senden“.
Für den Landesvorsitzenden der Fachgruppe Journalismus in der IG Medien, Peter Schröder-Metz, etwas, das „da auf keinen Fall hingehört“. Er sieht die Gefahr, daß anhand solcher Notizen die Polizei mißliebige Pressevertreter von den ihr Genehmen aussortiere. Schröder-Metz könnte sich vorstellen, daß in der Praxis dann die „guten“ Journalisten vordringlich bedient werden, die schlechten warten müssen. Kollegen würden polizeiintern „stigmatisiert“.
Der für Rundfunkanstalten aus Gelsenkirchen arbeitende Polizeireporter Dieter Widera hat inzwischen Einblick in die über ihn erstellen Medienbogen erlangt und festgestellt, daß dort „in Verbindung mit Atomtransporten nach Ahaus stand, es sei mit polizeikritischer Berichterstattung zu rechnen“. Widera hat inzwischen Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Dortmunder Polizeipräsidenten und Polizeipressesprecher Beele gestellt. Das nordrhein-westfälische Innenministerium hat Widera auf dessen Anfrage hin inzwischen mitgeteilt, daß es sich bei der Vorgehensweise der Dortmunder Polizeisprecher um „eine einzigartige Praxis handelt“, die – das hätten telefonische Stichproben ergeben – sonst nirgends ausgeübt würde.
Das Formblatt selbst, auf dem die kritische Haltung der Presseanrufer festgehalten wurde, sei zwar nicht zu beanstanden, so das NRW-Innenministerium. Dennoch werde die Dortmunder Pressestelle in Zukunft derartige Notizen spätestens nach einem Monat vernichten, verfügte der dortige Behördenleiter. Ausgenommen hiervon seien allerdings, so Pressesprecher Karl Beele, Journalistenanfragen bei Kapitalverbrechen, Geiselnahmen oder Großdemonstrationen. Beele begründete gegenüber der FR die Praxis seiner Pressestelle damit, daß seine Kollegen im Schichtdienst arbeiteten und sich gegenseitig über Journalistenanfragen auf diesem Wege informierten. Laut gültigem Aktenerlaß müßten die aus den Medienblättern angefertigten Sonderakten nunmal fünf Jahre lang aufbewahrt werden. „Und so machen wir das seit 14 Jahren“, so Beele.
In seinem Polizeileitfaden hatte Beele das schriftliche Erfassen von Medienanfragen mit „Gründen des Controllings“ erklärt. Bei über 10000 dokumentierten Anfragen in den vergangenen 14 Jahren zahle sich eine solche Niederschrift vor allem dann aus, „wenn der Journalist von seinem Recht der freien Würdigung einer gegebenen Antwort bei seiner Veröffentlichung allzu großzügig Gebrauch gemacht hat“.