Fußball-EM: Krawall-Bilder ausgeblendet

Keine Bilder von Hooligan-Krawallen oder Flitzern erwünscht: Bei der Fußball-EM will die UEFA den TV-Zuschauern eine heile Welt vorgaukeln. ARD und ZDF protestieren – mit gebremstem Schaum.
Spät, sehr spät reagieren ARD und ZDF auf die ganz offensichtliche Zensur der Bildberichterstattung der UEFA bei der hierzulande von zig Millionen verfolgten Fußball-Europa-Meisterschaft, Verzeihung: der „UEFA-Euro 2016“. So lautet die offizielle Bezeichnung des Spektakels, und so soll das populäre Event von den Sportreportern auch präsentiert werden – dazu hat der mächtige Europäische Fußballverband die Sender verdonnert.

Für die UEFA ist die EM großer Zahltag – da will man nichts dem Zufall überlassen. Egal, ob beim Ticketverkauf oder bei den Sponsorenrechten. Schon gar nicht bei der Hoheit über die Bilder, die aus den Stadien in die Wohnzimmer oder auf die Handy-Displays der Fußballfans geschickt werden. Aber die Fußballwelt ist keine heile Welt – das wissen wir nicht erst seit den Pariser Terror-Anschlägen vom November letzten Jahres. Zur politischen Gewalt gesellt sich bei Großereignissen dieser Kategorie auch der Terror organisierter Hooligans. Der Terror unerfreulicher Zeitgenossen, die – oft stramm rechts orientiert – das sportliche Ereignis missbrauchen, um im Schutze der Masse ihr Mütchen zu kühlen.

Wer sich auf die UEFA-Bilder verließ, bekam von den Prügeleien im Stadion von Marseille nach der Partie England gegen Russland nichts mit. Allenfalls die Kommentare der Feldreporter füllten die vom Veranstalter bewusst in Kauf genommene visuelle Informationslücke. Man wolle eben keine Gewalt im Fernsehen zeigen, begründet die UEFA ihre Zensur. Von wegen Nachahmungseffekt und so. Wenn jetzt ARD und ZDF mit dem Einsatz eigener Kameras dagegen halten wollen, ist das ausdrücklich zu begrüßen. Alles andere wäre ein Kotau vor der eigenwilligen, hauptsächlich an ungehindertem Kommerz orientierten Medienstrategie der UEFA.

Von einen „konstruktiven Dialog über das notwendige Bildangebot“ mit den Verbandsfunktionären, wie ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz leicht verschwiemelt fabuliert, dürfte wenig zu erwarten sein. Schön wäre auch, wenn die eigenen Kameras von ARD und ZDF den Fokus künftig nicht einseitig auf die Übergriffe der anderen richten würden. Üble Randalierer gibt es nicht nur unter Engländern und Russen. Vor dem Gruppenspiel der deutschen Mannschaft gegen Polen war jedenfalls zu hören, dass hiesige Neonazis sich im Anmarsch auf St. Denis befänden. Bei deutschen Kommentatoren war übrigens eine gewisse Sympathie für den angedrohten Ausschluss des russischen Teams herauszuhören – für den Fall, dass die Gewaltexzesse russische Hooligans sich wiederholten. Abgesehen davon, dass die Hauptverantwortung für die Sicherheit normalerweise beim Veranstalter liegt: Vor ziemlich genau 18 Jahren prügelten deutsche Hooligans bei der WM in Frankreich den französischen Polizisten Daniel Nivel ins Koma. Seitdem ist Nivel behindert und kann nicht mehr arbeiten. Von einem Ausschluss des deutschen Teams war seinerzeit nicht die Rede.

Weitere aktuelle Beiträge

AfD-Einstufung zwingt Rundfunkgremien zum Handeln

Das zunächst unter Verschluss gehaltene Gutachten des Verfassungsschutzes, welches zur Einstufung der Partei Alternative für Deutschland (AfD) als „gesichert rechtsextremistische Partei“ führte, wurde nunmehr durch Medien veröffentlicht. Innenminister Dobrindt ließ zunächst offen, inwiefern juristische Schritte gegen die Veröffentlichung geplant seien. Christoph Schmitz-Dethlefsen, für Medien zuständiges Mitglied im Bundesvorstand von ver.di, begrüßt, dass nun öffentlich über das Zustandekommen der Einstufung diskutiert werden kann.
mehr »

Vernetzte Frauen im Journalismus

Sich als Frau in einer Branche behaupten müssen, in der Durchsetzungskraft und Selbstbewusstsein entscheidende Faktoren sind: Für Generationen von Journalistinnen eine zusätzliche Belastung im ohnehin schon von Konkurrenz und Wettbewerb geprägten Beruf. Angesichts dieser Herausforderung sind Netzwerke und solidarische Bündnisse von großer Bedeutung. Der Journalistinnenbund (JB) hatte hierbei seit seiner Gründung im Jahr 1987 eine Vorreiterrolle inne. Sein Anliegen: Geschlechtergleichstellung in den Medien erreichen.
mehr »

Aktive Medien gegen Rechts

„Wie weiter?“ – unter dieser Fragestellung wollten am 7. Mai in der rheinland-pfälzischen Landesvertretung in Berlin Medienpolitiker*innen und Journalist*innen über „Visionen für eine demokratische Medienlandschaft“ diskutieren. Den Rahmen bildete das Roman Brodmann Kolloquium zum Oberthema „Rechtsruck in Europa! Ohnmacht der Medien?“ Anstelle von überzeugenden Visionen spiegelte die Debatte eher die Ratlosigkeit der Demokraten angesichts eines erstarkenden Rechtsextremismus.
mehr »

Von Drehtüren und Seitenwechslern

Seit gestern hat Deutschland eine neue Bundesregierung. Das Personalkarussell dreht sich - sowohl in der Politik als auch in der PR. Einige prominente Namen der künftigen Mannschaft von Bundeskanzler Friedrich Merz kommen aus dem Journalismus. Zu den spektakulärsten Seitenwechseln zählen die Personalien Stefan Kornelius und Wolfram Weimer. Kornelius, seit 2000 in leitender Funktion bei der Süddeutschen Zeitung, zuletzt als Ressortleiter Politik, tritt die Nachfolge von Steffen Hebestreit (SPD) als Regierungssprecher an. Mit Weimer wird gar ein Verleger („Business Punk“) und Publizist („Cicero“) und Ex-Focus-Chefredakteur neuer Staatsminister für Kultur und Medien.
mehr »