Ausgehend von der Ankündigung der französischen Tageszeitung Le Monde im Nachgang des Attentats von Nizza, keine Bilder der Attentäter mehr zu veröffentlichen, um eine Heroisierung der Tat und der Täter zu verhindern, ist in den deutschen und europäischen Feuilletons eine Debatte über das Für und Wider eines Bilderverbots entbrannt. Mir erscheint es verkürzt, eine Debatte um die Abstinenz von Bildern nach Terroranschlägen zu führen, ohne ein größeres Panorama aufzufalten und die Mechanismen und Strukturen des Krisenjournalismus als Ganzes zu betrachten.
Die Bedeutung der Bilder hat ja auch gerade deswegen zugenommen, weil dank der Digitalisierung im Moment der Krise eine Art Echtzeitjournalismus praktiziert wird. Vom Augenzeugen über den Konsumenten bis zum Chefredakteur kommentiert dann jede und jeder in den sozialen Medien das Ereignis und lechzt nach Updates im Minutentakt.
Ein weiterer Aspekt, der bisher zu wenig beleuchtet wurde, ist die Frage, wo und vor allem in welchem Kontext die Bilder veröffentlicht werden. Es macht für die Bedeutung der Bilder einen immanenten Unterschied, ob eine Boulevardzeitung mit dem privaten Selfie eines Terroristen auf einer Titelseite aufmacht, ob eine Qualitätszeitung dieses im Rahmen einer ausführlichen Reportage publiziert oder ob es Teil einer – mehr oder weniger – willkürlich zusammengestellten Bildergalerie in einem Onlinemedium ist. Für die Wirkung und die Rezeption des Bildes ist entscheidend, ob es in gedruckter oder digitaler Form erscheint, wie es gerahmt und kontextualisiert wird. Viel wichtiger als das OB der Veröffentlichung ist also das WIE der Veröffentlichung.
Die grundsätzliche Schwierigkeit am zeitgenössischen Umgang mit Bildern im Journalismus besteht darin, dass ihr Informationswert immer mehr abnimmt und sie immer öfter zu reinen Illustrationszwecken veröffentlicht werden. Dies ist ein hausgemachtes Problem des Journalismus, was jedoch die Debatte nach dem Umgang mit Terrorbildern oder Bildern von Attentätern weiter verschärft, da auch diese nicht davor gefeit sind, ausschließlich der Illustration zu dienen. Die Grenze zwischen einem journalistischen und einem gestalterischen Interesse an Bildern verschwimmt immer mehr.
Im Sinne dieser Überlegungen plädiere ich dafür, anstatt sich ein generelles Bilderverbot aufzuerlegen, ihre Veröffentlichung von Fall zu Fall genau zu prüfen und ausgehend vom Publikationsziel und den Kontextualisierungsmöglichkeiten jedes Mal eine neue Entscheidung zu treffen. Darüber hinaus sollte grundsätzlicher über den Umgang mit Bildern in den Medien nachgedacht und der journalistische Umgang mit Bildern gestärkt werden. Und auch die Medienkonsument_innen sollten nicht außen vorbleiben und sich fragen, warum sie sich die Bebilderung jedweden Artikels und jedweder Information wünschen.
Felix Koltermann