Der Prix Europa ist eine Leistungsshow europäischer Rundfunkanstalten. Seit nunmehr 30 Jahren kommen Vertreter der hauptsächlich öffentlich-rechtlichen Sender europäischer Staaten im Oktober in Berlin im Haus des Rundfunks zusammen, präsentieren ihre Programme aus Hörfunk, Fernsehen und längst auch Online und diskutieren die Herausforderungen einer sich stets verändernden Medienlandschaft. Dabei nimmt der Prix in der Festival-Landschaft eine ganz besondere Stellung ein. Kann doch auch der interessierte Laie an den Jury-Sitzungen teilnehmen.
Doch in erster Linie ist der Prix Europa ein Festival der Macher. „Wir stellen die Programmmacher in den Fokus, damit sie wirklich merken, sie werden tatsächlich gebraucht“, sagt Susanne Hoffmann, die Direktorin des Prix Europa. Als der Prix Europa 1987 aus der Taufe gehoben wurde, war er ein Festival für Radiomacher, wurde dann aber rasch auf alle elektronischen Verbreitungswege ausgedehnt. Zudem können Produzenten auch ohne Sender einreichen. Wie wichtig Radio auch heute noch ist, bestätigen Kees van den Bosch, Chefredakteur des niederländischen Senders VPRO sowie Jury-Vorsitzender der Kategorie Radio Current Affairs, und Huub Jaspers, investigativer Journalist und stellvertretender Chefredakteur von VPRO. „Es gibt ein substantielles Publikum für Audio“, sagt van den Bosch. „Wir sind stark davon überzeugt, dass es funktioniert, eigene Geschichten auszusuchen und gründlich zu recherchieren.“ Und Huub Jaspers ergänzt: „Jeder Mensch hat Präferenzen wie er Informationen aufnimmt. Radio etwa ist emotionaler. Daher wird es immer ein Publikum für Radio – und in der Verlängerung Podcasts geben.“ Und der Erfolg gibt ihnen Recht. Immer wieder reagiert die Politik auf ihre Recherchen, erzählt van den Bosch, und erst kürzlich hat ein Stück über den mysteriösen Selbstmord eines eritreischen Flüchtlings zur Wiederaufnahme der Untersuchungen geführt. Der Beitrag gehörte zu einer wöchentlichen Sendereihe mit einstündigen Stücken.
Auch Dokumentationen sind Teil einer Wissensvermittlung, die mit Verstand und Emotionen gleichermaßen agiert und dadurch über reine Faktenaufzählung hinaus geht. „Dokumentationen vermitteln so viel Wissen über die persönliche Art des Erzählens“, sagt Claudia Schreiner, Hauptredaktionsleiterin Geschichte, Gesellschaft, Natur beim MDR und Jury-Koordinatorin TV Documentary. „Das berührt, man weiß, man hat etwas gelernt und es bewegt etwas in dieser Welt.“ Exemplarisch hebt sie den kürzlich in die Kinos gekommenen Film „Krieg und Spiele“ von Karin Jurschick hervor, in dem es um die Entwicklung des Drohnenkriegs geht und der von ZDF/3sat und dem WDR koproduziert wurde.
Zwischen den Nachrichten und den Dokumentationen bzw. längeren Reportagen steht Current Affairs. Ein anglo-amerikanischer Begriff, der im Grunde eine etwas tiefere Beschäftigung mit dem täglichen Geschehen beschreibt, dessen Halbwertszeit jedoch nur einige Tage beträgt. „Bei Current Affairs-Programmen gibt es die größten Unterschiede, je nach kultureller Ausprägung der verschiedenen Länder“, erzählt Inger Sunde, Redakteurin bei ‚Brennpunkt‘, einem Magazin des norwegischen Fernsehens NRK, und Jury-Koordinatorin von TV Current Affairs. Das größte Problem hier, so Sunde, ist jedoch die Finanzierung, „denn investigativer Journalismus kostet Geld“.
Dreh- und Angelpunkt des Mediengeschehens ist mittlerweile Online. Nicht weil es die anderen Distributionswege ersetzt, sondern weil es sie zusammen führt und gleichzeitig etwas eigenes anbietet – wie Webdocumentaries. Kåre V. Poulsen, Jury-Vorsitzender der Kategorie Online und Executive Producer beim dänischen Fernsehen DR, warnt davor, das Web lediglich als Distributionsplattform zu sehen: „Man darf nicht einfach Zeitungsartikel ins Netz stellen“, sagt er. „Der Unterschied liegt im Mindset, das digital sein muss. Dazu gehört es, dass die Nutzer mit dir zusammen Inhalte entwickeln können.“ Das heißt, umfangreichere Angebote zu machen wie etwa VPRO, Themen zu behandeln, die von Nutzern vorgeschlagen werden. Wie öffentlich-rechtliche Sender sich in Zukunft entwickeln, trifft direkt das Herz ihrer Existenzberechtigung. „In den letzten Jahren wurde immer wieder die Frage gestellt, ob man sie noch braucht“, sagt Susanne Hoffmann. „Die Antwort ist ja. Denn unsere Demokratien brauchen kuratierte, verlässliche Informationen, bei denen alles getan wird, um glaubwürdig zu sein. Sonst funktioniert Demokratie nicht!“
Das Netz dient natürlich auch dazu den Kreis der Nutzer zu erweitern. Daher wird immer wieder überlegt, wie Medienmacher ihr Publikum auf ihre Seiten bringen können. „Zwar muss man Inhalte verknüpfen, um sie auffindbar zu machen, doch dafür Social Media zu benutzen, ist sehr zwiespältig, da die Social Media-Kanäle versuchen Nutzer auf ihren Seiten zu halten“, sagt Kåre V. Poulsen. „Das bedeutet, dass die Macher und ihre Websites nichts davon haben.“ Gerade bei Online aber ist die eigene Website die Schnittstelle zum Publikum; funktioniert ein Onlineportal im Grunde doch wie eine Zeitung oder Zeitschrift: man macht mehrere Angebote und der Nutzer sucht sich aus, was ihn interessiert. Zudem finden größere Online-Projekte nur dort statt. „Und aufwändige Webdocumentaries zu machen, ist inzwischen sehr einfach, weil die Programme alles automatisch ineinander fügen“, so Poulsen und fügt hinzu: „Webdocumentaries funktionieren aber nur solange sie auf der Startseite promotet werden, danach sind sie tot.“
Online ist auch Teil der Zukunft des Prix Europa. Zum ersten Mal wurden alle Wettbewerbsbeiträge der interessierten Öffentlichkeit über das sogenannte Heimkino zugänglich gemacht. Das möchte Susanne Hoffmann in den kommenden Jahren ausbauen. „Wir wollen das Publikum stärker mit einbeziehen, als bisher“, sagt sie und teilt zum Schluss eine Erkenntnis aus dreißig Jahren Prix Europa und vielen Gesprächen mit den Machern: „Der größte Fehler, den ein Sender machen kann, ist zu sagen: das interessiert unser Publikum nicht.“
Unter folgendem Link wird ein Jahr lang das Video on Demand der Preisverleihung zu sehen sein:
Die Trailer aller Gewinnerfilme, sowie Listen mit allen Gewinnern ab Freitagnacht auf der PRIX EUROPA Homepage:
Das Heimkino gibt es hingegen nur während des Festivals.