Das traditionsreiche Konstanzer Programmkino „Scala“ soll Ende November 2016 geschlossen werden und einem dm-Markt Platz machen, dem fünften in der Stadt. Gegen die drohende Schließung gab es lautstarken Protest aus der Bürgerschaft. Der renommierte und mehrfach ausgezeichnete Dokumentarfilmer Douglas Wolfsperger ist seit Wochen unterwegs, um die verbleibenden Tage des „Scala“ bis zum letzten Vorhang mit der Kamera zu begleiten. Er stößt dabei auf ungeahnten Widerstand.
Vielfach ausgezeichnet für sein engagiertes Programm war das „Scala“ im Herzen der Altstadt Treffpunkt für Kinoliebhaber aus der gesamten Region und der nahegelegenen Schweiz. Die Initiative „Rettet das Scala“ formierte sich gegen das Kino-Aus. Demos wurden organisiert: „Lieber Kino statt Pampers“ und über 7000 Bürger_innen plädierten mit ihrer Unterschrift für den Fortbestand des Filmpalasts. Eine weitere Kommerzialisierung der boomenden Touristenhochburg am Bodensee, so war oft zu hören, müsse verhindert werden. Doch es half nichts, der langjährige „Scala“-Betreiber zieht in ein örtliches Cineplex-Kino um, das in einer Shopping Mall angesiedelt ist. Auch die Besitzer der Immobilie, in der das „Scala“ seit 1938 ansässig war, wurden sich schnell einig mit der Drogeriekette dm, die dort kommendes Jahr eine weitere Filiale eröffnen wird.
Dokumentarfilmer Douglas Wolfsperger, ein gebürtiger Sohn der Stadt, hoffte darauf, dass ihm die Stadt bei seinem Filmprojekt über das „Scala“ finanziell unter die Arme greifen würde. Erste Bemühungen um Fördergelder in der benachbarten Schweiz ließen sich erstaunlich gut an: Der Kanton Thurgau und die Stadt Kreuzlingen wollen Wolfspergers Film mit 23 000 Franken unterstützen. Doch auf diese Euphorie folgte ein harter Aufprall auf heimatlicher Scholle: Der Filmemacher stand vor dem Konstanzer Gemeinderat, stellte ausführlich sein Projekt vor und ließ deutlich werden, dass er der Konstanzer Nachwelt ein Stück ihrer eigenen Geschichte erhalten möchte. Ein anspruchsvolles Kinoprogramm sei nicht vergleichbar „mit einem x-beliebigen Gewerbebetrieb“. Auch seine Sympathien für die aufsässige Bürgerinitiative klangen bisweilen durch. Steht doch in seiner Projektskizze zu lesen: „Was bedeutet die Schließung eines Arthouse-Kinos für eine Stadt, die viel auf ihre kulturelle Bedeutung hält und wo doch der Kommerz immer mehr überhandnimmt?“
Derlei liest man in der größten Stadt am Bodensee gar nicht gerne. Kein Wunder also, dass sich die Mienen vor allem bei den konservativen Rät_innen schnell verfinsterten, und es kam, wie es kommen musste. Statt der geforderten 36 500 Euro gewährte das Stadtparlament gerade mal 2 500 Euro. „Da muss man sich ja fremdschämen“, murmelte ein Befürworter des ursprünglichen Antrags auf Bezuschussung. Mehrmals war bei der Debatte um das Filmprojekt die Befürchtung laut geworden, die geplante Dokumentation könne die Stadt in einem schlechten Licht erscheinen lassen. Stadträtin Christine Finke hatte sogar kurz vor der Abstimmung per Mail alle Gemeinderät_innen vor Wolfspergers Film gewarnt, der Konstanz „nicht gut tun“ würde. Wolfsperger war fassungslos und konstatierte reichlich ernüchtert: „Würde ich ein harmloses Filmchen mit Bildern vom blauen Bodensee und der schmucken Konstanzer Altstadt drehen, könnte ich sicher mit einem satten Zuschuss rechnen“. Nun fühlt er sich „verarscht“, wie er in einem Interview mit dem „Südkurier“ jüngst erklärte, aufgeben will er aber keinesfalls: „Jetzt erst recht“.
Doch die Hürden werden immer höher. Neben „Scala“-Befürwortern, darunter die bekannte Schauspielerin Eva Mattes, will Douglas Wolfsperger auch jene zu Wort kommen lassen, die der Weiterführung des Kinos von Anfang an keine Chance gegeben hatten, wie beispielsweise der Konstanzer Kulturbürgermeister Andreas Osner (SPD). Kurz vor Drehbeginn sagte der ein geplantes Interview ab. Er habe erfahren, dass die Aufnahmen zwei Stunden dauern könnten, das gebe sein dichter Terminplan nicht her. Außerdem, so Osner weiter, sei er „geradezu entsetzt“ darüber, dass Wolfsperger in einem Interview mit dem „Südkurier“ die Entscheidung des Gemeinderats kritisiert und darin auch Mandatsträger mit „persönlichen Attacken“ überzogen habe. Deshalb, so der Bürgermeister, zweifle er daran, „ob Sie mit Ihrem Filmprojekt tatsächlich eine ausgewogene, sachliche Dokumentation der Begebenheit vorhaben“. Die Stadt und der „Scala“-Film: Das scheint irgendwie nicht zusammenzupassen.