Mit der Vorlage des „Aktionsplans für die Transformation der Hörfunkverbreitung ins digitale Zeitalter“ durch die Bundesregierung kommt Bewegung in die hiesige Digitalradiodebatte. Während der Verein Digitalradio Deutschland den Plan als „Meilenstein“ begrüßte, kritisierte der Verband Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT) ihn als „nicht markttauglich“. Gleichzeitig bahnt sich im Rennen um ein zweites DAB+-Multiplex ein harter Wettbewerb an.
Als „Meilenstein in der Geschichte des Digitalstandards DAB+“ lobte Willi Steul, scheidender Intendant von Deutschlandradio und Vorsitzender des Vereins Digitalradio Deutschland, den Entwurf einer „Roadmap“ für den Umstieg auf digitale Radioverbreitung. Der Verein ist eine Gemeinschaftsinitiative von ARD, Deutschlandradio, privaten Radioveranstaltern, Geräteherstellern und Netzbetreibern, die DAB+ in Deutschland etablieren wollen.
Der Aktionsplan enthält einen Passus, nachdem neue Radiogeräte künftig mindestens mit einer digitalen Schnittstelle ausgerüstet sein sollen. Zudem müsse sichergestellt werden, dass UKW-Frequenzen, die von den öffentlich-rechtlichen Sendern freigegeben werden, nicht mehr für eine neue Nutzung zur Verfügung stehen. Genau an dieser Regelung schieden sich die Geister. Der VPRT hatte seine Zustimmung zum Aktionsplan davon abhängig gemacht, dass die Privatsender die im Rahmen der Umstellung von den öffentlich-rechtlichen Sendern aufgegebenen UKW-Frequenzen übernehmen dürfen. Diese Forderung war von den anderen Mitgliedern des Radioboards als Hemmnis für den nachhaltigen Umstieg von UKW auf DAB+ gewertet worden. Was wiederum den VPRT zu der Klage veranlasste, der „nicht markttaugliche“ Aktionsplan wolle den neuen Übertragungsstandard „politisch verordnen“. Aus Sicht des Verbands müssen neben DAB+ auch IP-basierte Übertragungswege berücksichtigt werden. Schon jetzt setzen viele Private auf die digitale Verbreitung per Webradio.
Aus Protest kündigte der Verband seine weitere Mitarbeit im Digitalradioboard des federführenden Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur auf. In diesem Gremium sind Bund und Länder, Bundesnetzagentur, Landesmedienanstalten, Gerätehersteller sowie öffentlich-rechtliche und private Radiosender vertreten.
Förderung an den Realitäten vorbei?
Die Kritik des VPRT, eine einseitige Förderung des Digitalstandards DAB+ gehe an den Markt- und Nutzungsgewohnheiten vorbei, ist teilweise berechtigt. Nach dem aktuellen Digitalisierungsbericht 2016 verfügen rund 14 Prozent der deutschen Haushalte über ein DAB+-fähiges Radiogerät. Nach jahrelanger Stagnation hat sich die Verbreitung in jüngster Zeit allerdings beschleunigt. Laut einer am 13. Februar 2017 vorgelegten, vom Zentralverband Elektrotechnik und Elektroindustrie (ZVEI) beauftragten Studie des Marktforschungsinstituts GfK besitzen inzwischen schon 22 Prozent aller Haushalte DAB+. Weitere 12 Prozent planen demnach, sich 2017 ein entsprechendes Gerät anzuschaffen. Ein Wachstumstreiber ist auch die DAB+-Nutzung im Auto. Über 21 Prozent der Neufahrzeuge deutscher Hersteller wurden im vergangenen Jahr mit digitalen Radiogeräten ausgestattet. 2015 lag dieser Wert noch bei knapp über 14 Prozent. Solchen Steigerungsraten stehen allerdings nach wie vor schätzungsweise 300 Millionen UKW-Empfänger in deutschen Haushalten gegenüber.
Langfristig soll UKW in Deutschland zugunsten von DAB+ eingestellt werden. Ein konkretes Datum für den digitalen „Switchover“ existiert allerdings nicht. Selbst der eingefleischte Digitalradio-Befürworter und Deutschlandradio-Intendant Willi Steul ist inzwischen von dem Termin 2025 abgerückt, den er früher favorisierte. Auch im soeben vorgelegten Aktionsplan drückt sich die Politik erneut um einen konkreten Zeitpunkt. „Abschließende Entscheidungen über die digitale Zukunft des Hörfunks“, so heißt es darin eher vage, „können nach heutiger Einschätzung erst in einigen Jahren verlässlich und auf der Grundlage noch zu gewinnender Erkenntnisse über die Entwicklung des digitalen Hörfunkmarktes getroffen werden“.
Bei einigen europäischen Nachbarn ist die Entwicklung des Digitalradios dagegen schon wesentlich weiter fortgeschritten. Als erstes Land hat Norwegen im Januar dieses Jahres mit der schrittweisen Abschaltung von UKW begonnen. Auch in Dänemark, Großbritannien und in der Schweiz wird der Digitalausbau zügig vorangetrieben.
Kosten vs. Frequenzen und Klangqualität
DAB+-Befürworter argumentieren mit der im Vergleich zu UKW höheren Zahl an verfügbaren Frequenzen und verbesserter Klangqualität. Zudem gilt DAB+ als deutlich kostengünstiger. Allerdings fürchten vor allem die Privatsender den hohen Kostendruck in der so genannten Simulcast-Phase, der parallelen Ausstrahlung von digitalem und analogem Radio. Die Privaten haben sich daher immer mal wieder für eine Subventionierung des Umstiegs stark gemacht. Auf den Münchner Medientagen im November 2016 forderte etwa Karl-Heinz Hörhammer, Geschäftsführer von Antenne Bayern, jährliche Zuschüsse in Höhe von 25 Millionen Euro, um den Umstieg zu finanzieren. Begründung: Anders als die öffentlich-rechtlichen Anstalten müssten die Privaten die Mehrbelastung an Übertragungskosten sonst aus ihren Werbeerlösen finanzieren. Tatsächlich hat die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) der ARD und Deutschlandradio für diesen Zweck im Zeitraum 2017 bis 2020 einen Betrag von 89,6 Millionen bzw. 63,6 Millionen Euro zugestanden.
Ein weiterer Impuls für DAB+ dürfte von der soeben beendeten Ausschreibung des zweiten bundesweiten Multiplex ausgehen. Zu den bereits vorhandenen 13 bundesweit empfangbaren Radiowellen kommen dadurch 16 weitere hinzu, die exklusiv privaten Sendern vorbehalten sind. Zum Ende der Ausschreibungsfrist am 24. Februar hatten sich vier Interessenten beworben: der Nürnberger Sender Absolut Radio (Oschmann-Gruppe), die Digital Audio Broadcasting Plattform DABP des Immobilienunternehmers Steffen Göpel und des Ex-Geschäftsführers von Radio Saarbrücken, „Radi/o digital“ München sowie der Übertragungsdienstleister Media Broadcast. Die Freenet-Tochter Media Broadcast hatte erst Mitte Februar angekündigt, sich strategisch neu aufzustellen und aus dem UKW-Geschäft zurückzuziehen. Als ersten Schritt hatte die Geschäftsführung die Antennentechnik des Unternehmens zum Verkauf gestellt. Media Broadcast lag seit längerem im Clinch mit der Bundesnetzagentur über die Preisgestaltung für den UKW-Betrieb. Hinter „Radi/o digital“ stecken alte Bekannte: der Finanzinvestor Peter Löw sowie Ulrich Ende, Ex-Geschäftsführers des Nachrichtensenders N24. Beide hatten 2012 und 2013 die Berliner Nachrichtenagentur dapd in kurzen Abständen in zwei Konkurse manövriert.
Bis zum 7. März will der zuständige Fachausschuss der Landesmedienanstalten eine erste Bewertung der eingegangenen Bewerbungen abgeben. Mitte des Jahres könnte bereits die Zuweisung erfolgen. Mit dem Aktionsplan für den Umstieg auf Digitalradio will sich die Rundfunkkommission der Länder am 15. März beschäftigen.