Repolonisierung nur mit anderem Anstrich

Ein Mann liest die polnische Tageszeitung Gazeta Wyborcza im Zentrum von Warschau 23. November 2005. Zwei führende polnische Tageszeitungen schwärzten an diesem Tag die meisten ihrer Titelseiten, um gegen Verletzungen der Pressefreiheit im benachbarten Weißrussland zu protestieren.
Foto: REUTERS / Katarina Stoltz

In Polen weht ausländischen Verlagen ein scharfer Wind entgegen. Die rechtskonservative Regierung will den publizistischen Einfluss speziell der deutschen Medienhäuser gesetzlich eindämmen. Den zulässigen Kapitalanteil nichtpolnischer Verlagshäuser will man gezielt und beträchtlich eindämmen. Bislang scheiterte die zunächst geplante „Repolonisierung“ am Widerstand der EU. Jetzt soll ein neuer Versuch mit einem Anti-Trust-Gesetz gestartet werden.

Bereits kurz nach dem Wahlsieg 2015 hatte die polnische Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) die öffentlich-rechtlichen Medien auf Kurs gebracht. Längst haben Fernsehen und Radio regierungstreue Chefs, unbotmäßige Redakteurinnen und Redakteure verloren massenhaft ihre Jobs. Auch die wenigen unabhängigen Privatmedien würden die Scharfmacher um den PiS-Chef und Ex-Ministerpräsident Jaroslaw Kaczyinski gern an die Leine legen. Vor allem die Erzeugnisse deutscher Medien sind ihnen ein Dorn im Auge.

Dass ausländische, vor allem deutsche Verlage über großen Einfluss in den polnischen Medien verfügen, ist nicht von der Hand zu weisen. Häuser wie Bauer, Burda, Ringier Axel Springer sind seit Jahren auf dem Zeitungs- und Zeitschriftenmarkt im Nachbarland aktiv. Auch die Passauer Neue Presse besitzt über die Polska Press Gruppe fast zwei Dutzend Regionalzeitungen. Die regierende PiS-Partei und ihr nahe stehende Medien diffamieren diese Printorgane gern als antipolnisch, sagt Bartosz Wielinski, Außenpolitikchef der regierungskritischen Gazeta Wyborcza. „Die Medien, die auf polnisch schreiben, sind keine polnischen Medien mehr, sondern polnischsprachige Medien, die Deutschen gehören und deutsche Propaganda in Polen machen“, beschreibt Wielinski die Denke der PiS-Regierung.

Vor einem Jahr sickerten Pläne durch, wonach sie ein Gesetz vorbereitet, mit dem der Einfluss ausländischer Medien begrenzt werden solle. Im Rahmen einer „Re-Polonisierung“ privater Verlagshäuser solle der zulässige Kapitalanteil nichtpolnischer Unternehmen auf unter 50 Prozent reduziert werden, hieß es zunächst. Die potentiell Betroffenen reagierten not amused.

„Wir haben uns das natürlich schon mit großer Aufmerksamkeit und mit großer Sorge angeschaut“, sagte Mathias Döpfner, Vorstandschef von Axel Springer unlängst auf der Bilanz-Pressekonferenz: „Erstens, weil Polen für uns ein wichtiger Markt ist. Zweitens, weil Polen in den letzten 20 Jahren eine absolute Leuchtturm-Reformgeschichte in Europa war.“ Der Springer-Chef begrüßte in diesem Zusammenhang die „klare Haltung der Europäischen Union“. Die EU-Gesetze, so hatte Brüssel nach Bekanntwerden der Pläne signalisiert, verbieten die Diskriminierung von Kapital aus anderen Mitgliedsländern.

Aber so schnell geben Kaczyinski und Co. nicht auf. Inzwischen setzt man offenbar auf den Umweg über ein neues Anti-Monopolgesetz. „Sie nennen es inzwischen nicht mehr Repolonisierung, das war zu umstritten – jetzt nennen sie es ‚Dekonzentration‘“, sagt. Krzysztof Bobinski von der regierungskritischen Journalistengewerkschaft „Society of Journalists“. Nach Informationen des Gewerkschafters gibt es schon einen Entwurf des zuständigen Kulturministeriums. Bobinski: „Die Ministerialbeamten sagen öffentlich, sie warteten noch auf eine politische Entscheidung, um das voranzutreiben.“

Bei Ringier Axel Springer Polska erscheinen unter anderem die meistverkaufte polnische Tageszeitung „Fakt“, das Wirtschaftsmagazin Forbes und Newsweek Polska. Als der Schweizer Verlagschef einmal unvorsichtigerweise Sympathien für die polnische Opposition äußerte, wurde er von regierungsfreundlichen Medien als „Gauleiter“ beschimpft, der glaube, den Polen Vorschriften machen zu können.

Bei der klar auf antideutsche Reflexe abzielenden Kampagne gehe es aber nicht nur um die große Politik, beobachtet Gewerkschafter Bobinski. Auch die Inhalte der Frauenmagazine, wie sie vor allem von Bauer und Burda in Polen herausgegeben werden, passten nicht in das Weltbild der PiS. „Diese Regierung ist sehr konservativ, sehr klerikal eingestellt. Sie mag keine Berichte über Verhütung, künstliche Befruchtung, unabhängige Frauen. Deshalb macht sie sich Sorgen wegen dieser Zeitschriften.“ Für Bobinski eine interessante Erfahrung: „Ich hielt diese Blätter immer für politisch neutral.“

Geht es nach den Hardlinern in der polnischen Regierung, so dürften ausländische Verlage künftig sogar nur noch 15 bis 20 Prozent an ihren Dependancen in Polen halten. Sollten solche Pläne realisiert werden, sieht Springer-Chef Mathias Döpfner wenig Chancen für ein weiteres Engagement bei den Nachbarn. Auch in Russland seien vor drei Jahren die Mediengesetze verschärft, die Kapitalbeteiligung ausländischer Verlage auf maximal 20 Prozent begrenzt worden. „Da haben wir gesagt, dann machen wir lieber gar nichts als nen falschen Kompromiss oder einen dirty deal mit nem Oligarchen.“ Nach dem Verkauf seiner Anteile ist Springer seit Mitte 2015 nicht mehr auf dem russischen Markt präsent.

 

 

 

 

 

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Spanien: Als Terrorist beschuldigt

Der katalanische Investigativjournalist Jesús Rodríguez hat Spanien verlassen, um ins Exil in die Schweiz zu gehen. Ihm wird von Ermittlungsrichter Manuel García-Castellón die Unterstützung terroristischer Akte vorgeworfen. Die Schweiz sieht im Vorgehen der spanischen Justiz gegen den Katalanen einen „politischen Charakter“.
mehr »

Quartalsbericht zur Branche liegt vor

Einen detaillierten Blick auf das Geschehen in der Medienbranche wirft der jetzt wieder vorliegende Quartalsbericht. Er speist sich aus den Auswertung von Internetseiten, Zeitungen, Fachzeitschriften, Informationsdiensten, Verbands- und Unternehmenspublikationen. Ein Merkmal des ersten Monate dieses Jahres: Viele Übernahmen und eine Werbekonjunktur. 
mehr »

Italien: Neun Jahre Haft für Recherche?

Drei Reporter*innen der italienischen Tageszeitung Domani müssen mit bis zu neun Jahren Gefängnis rechnen. Die Staatsanwaltschaft Perugia ermittelt gegen sie, weil sie vertrauliche Dokumente von einem Beamten angefordert und erhalten und das Geheimhaltungsprinzip der Ermittlungen verletzt haben sollen. Die dju-Bundesvorsitzende Tina Groll kritisierte, dass „hier investigative Berichterstattung über Mitglieder der italienischen Regierung unterdrückt werden soll."
mehr »

RSF: Vertrauen Sie der freien Presse!

Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung wählt in diesem Jahr ein neues Staatsoberhaupt oder eine neue Regierung, Regional- oder Kommunalpolitiker. Gleichzeitig begeht die deutsche Sektion von Reporter ohne Grenzen (RSF) ihr 30-jähriges Bestehen. Grund genug für die Kampagne „Erste Worte“. Unterschiedliche Menschen hören Auszüge aus den Antrittsreden ihrer Präsidenten: Wladimir Putin aus dem Jahr 2000, Nicolás Maduro aus dem Jahr 2013 und Recep Tayyip Erdogan 2014.
mehr »