Zeitschriften bedienen „Sehnsucht nach Subjektivierung und Personalisierung“
Dass Prominente als so genannte Testimonials in den Medien für ein Produkt werben, ist nichts Besonderes. Vergleichsweise neu aber ist der Trend, um einen Promi herum ein komplettes Zeitschriftenprodukt zu entwerfen. Trendsetter bei diesem neuen Genre ist Gruner+Jahr. Innerhalb von drei Jahren warf der Hamburger Verlag ein halbes Dutzend solcher Blätter auf den Markt. Und ein Ende ist offenbar nicht abzusehen.
Im Herbst 2015 launchte Gruner+Jahr eine Zeitschrift, auf deren Cover seitdem Monat für Monat ein- und dieselbe Prominente glänzt: Allzweck-Moderatorin Barbara Schöneberger. Nein, ein Fanheft sei Barbara nicht, bekannte die TV-Moderatorin („NDR-Talkshow 3 nach 9“) seinerzeit zum Start, „nichts zum Raustrennen mit Starschnitt und Aufklebern, sondern es geht um meine Sicht auf Themen“. Die aktuelle November-Nummer dreht sich um den Schwerpunkt „Träume“, um skurrile Hochzeitsgeschichten, erträumte Mars-Exkursionen. In der Rubrik „Mädelsabend“ trifft Barbara auf Auch-Blondine Michelle Hunziker. Dazu das Genre-Übliche: Fashion, Food und Beauty. Viel Werbung, viel Produktplatzierung. Mit Barbara auf den „Mädels-Roadtrip“ gehen? Nichts einfacher als das: Die Barbara-Box für schlappe 29,95 Euro macht’s möglich. Eine stabile Verkaufsauflage von 100.000 Heften pro Ausgabe beweist: Das Konzept funktioniert.
Für Gruner+Jahr Chefin Julia Jäkel bedient das neue Genre „die in unserer Welt spürbare Sehnsucht nach Subjektivierung und Personalisierung“. Menschen orientierten sich nun mal an anderen Menschen, „im Digitalen sowieso“. Zudem gebe es eine „Lust auf substanzvolle Inhalte“. Neuerdings macht Schöneberger auch Radio – genauer „barba radio“. Kooperationspartner ist in diesem Fall die Regiocast-Digital-Unit in Berlin.
Was „Barbara“ für die reifere Frau auf der Suche nach der besten Freundin, ist JWD für den Nerd. „Joko Winterscheidts Druckerzeugnis“, so der wohl ironisch gemeinte Untertitel, kommt etwas schräger daher als andere Männermagazine. Mit Reportagen aus einem Nacktrestaurant in Paris und über kiffende Nonnen. Über einen Sauf-Marathon im französischen Médoc oder auch über Rentner, die schon mal den eigenen Sarg bauen. Worin besteht der Reiz, sich selbst allmonatlich auf dem Cover der eigenen Zeitschrift zu sehen? Das sei ja der Pfiff bei dieser Art von Publikation, findet Comedian Joko. Der Titel gebe eben einen Hinweis auf den Kontext, in dem er auftauche. „Wenn ich vor einer Sennhütte stehe, in den Alpen, dann kann sich jeder zusammenreimen, oh, das ist ein Ort, da hab ich den Typen noch nicht gesehen, das könnte ganz interessant sein.“ Noch einigermaßen frisch auf dem Markt ist Guido, das Personality-Magazin um den „Shopping Queen“-Vox-Moderator und Modedesigner Guido Maria Kretschmer. Ende Oktober erschien die erste Nummer mit einer stolzen Druckauflage von 250.000 Heften. Mitte November schließlich folgte Boa, ein Heft für Sport- und Lifestyle-Fans um Nationalkicker Jérome Boateng. Ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, an dem der Stern des Bayern-Stars zu sinken beginnt. Offenbar hofft der Verlag, von den überragenden Social-Media-Kontakten Boatengs zu profitieren.
Für Stephan Scherzer, den Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ), ist der neue Trend ein Beleg für die unerschöpfliche Innovationskraft der Branche. Es sei „eine schöne Idee, eine starke Marke mit einer starken Anker-Persönlichkeit zu kombinieren und dann wieder eine Community zu bauen“, lobt er. „Das ist modernes Verlegen.“
Längst sind auch die Konkurrenten von Gruner+Jahr auf den Trichter gekommen. Vor einem Jahr startete der Bauer Verlag das Magazin Daniela Katzenberger, laut Eigenwerbung „die erste gedruckte Dokusoap“. Angeblich wirkt die Berufsblondine an jeder Seite mit. Eher nach Etikettenschwindel riecht das Vorgehen von Burda. Der Münchner Verlag setzt seit kurzem auf den Namen von RTL-Moderatorin Birgit Schrowange, um mit einem schon bestehenden Magazin vom neuen Hype um Promi-Hefte zu profitieren. So mutierte Lust auf mehr plötzlich zu Birgit – Lust auf mehr. Gruner+Jahr-Chefin Jäkel hat mit einer solchen Strategie wenig am Hut. „Es geht ja nicht darum, ein Magazin zu nehmen und einen Promi drauf zu batschen – das ist ja absurd“. Die G+J-Blätter seien „Hefte, die alle für sich eine Idee haben“. Andererseits mutierte auch das frühere Zweimonatsmagazin Stern – Gesund leben von G+J unlängst in Dr. von Hirschhausens Stern gesund leben. Und dockt damit an die Popularität von TV-Doktor Eckart von Hirschhausen an.
Kritiker wenden ein, das neue Format habe wohl auch mit der sinkenden Attraktivität der einst so erfolgreichen Marken großer Verlagshäuser zu tun. Wo selbst das Gruner+Jahr-Flaggschiff Stern seit Jahren schwächelt (die einstige Millionenauflage hat sich längst halbiert), braucht es eben Prominente, die eine gewisse Authentizität ausstrahlen. Vom Imagetransfer einer Barbara, eines Guido oder eines Joko profitieren am Ende alle Beteiligten: Verlag und Promi.